Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

MEDIZINISCHE INSTRUMENTE AUS DEN SAMMLUNGEN DER OBERÖSTERREICHISCHEN LANDESMUSEEN

Eine adäquate medizinische Versorgung zählte zu den Standardeinrichtungen römischer Städte sowie des römischen Heeres. Aus der antiken medizinischen Literatur, aus Grabinschriften oder aufgrund von Instrumentenbeigaben in Arztgräbern lassen sich neben Allgemeinmedizinern sogar Spezialisten wie Augenärzte, Internisten, Gynäkologen und andere erschließen. Eine Spezialisierung scheint aber tatsächlich nur im städtischen Umfeld stattgefunden zu haben, wo eine genügend große Anzahl potentieller Patienten zu erwarten gewesen ist. Darüber hinaus erlauben Grabinschriften und Grabfunde die Annahme, dass der Anteil an Ärztinnen unter den römischen Medizinern etwa 5% betragen haben wird. Die bislang annähernd 130 aus dem gesamten römischen Reich bekannten Arztgräber konnten als solche aufgrund von eindeutigen Beigaben identifiziert werden.
Seit der augusteischen Zeit sind medizinische Instrumente an römischen Fundorten allgemein präsent. Sie treten uns bereits vollständig ausgereift entgegen; ihre Entwicklung bis dahin lässt sich jedoch nicht nachvollziehen. Auf ihre Verwendung verweist allerdings schon die hellenistische medizinische Literatur. Art und Anzahl der verwendeten Instrumente hängen vom Spezialisierungsgrad ab. Daher kommt den Katastrophenbefunden besondere Bedeutung zu, zumal sie Momentaufnahmen des ehemals Vorhandenen repräsentieren. Für die typologische und chronologische Zuordnung geben gerade solche Befunde gute Anhaltspunkte; daher nehmen die beim Vesuvausbruch 79 n.Chr. in Pompeji verschütteten Instrumente oder jene aus einer um die Mitte des 3.Jhs. n.Chr. niedergebrannten Arztpraxis in Rimini eine zentrale Stellung bei der Erforschung römischer medizinischer Instrumente ein.
Um tatsächliche medizinische Instrumente (z.B. Skalpell, medizinische Pinzette respektive Klammer, Katheter etc.) von jenen zu unterscheiden, welche auch als Toilettegeräte (Sonde, Schminkpalette/Salbenreibplatte, Etui etc.) Verwendung fanden, werden die betreffenden Geräte in primäre und sekundäre Instrumente unterteilt. Für Letztere ist ein eindeutiger Fundkontext (z.B. Arztgräber) Voraussetzung, um sie einer ärztlichen Tätigkeit zuweisen zu können. Die Grabungen in der Zivilstadt von Lauriacum in den 1950er Jahren ergaben einige primäre Instrumente aus Bronze, die zusammen mit ein paar Altfunden einen kleinen Einblick in die medizinische Versorgung vermitteln. Die Funde sind im Linzer Schloss ausgestellt bzw. werden im Depot der Oberösterreichischen Landesmuseen in Linz-Leonding verwahrt.

Skalpelle bestehen aus zwei Komponenten, und zwar einem Bronzegriff und einer Klinge aus Eisen respektive Stahl. Letztere blieb nur bei günstigen Lagerungsbedingungen erhalten, sodass meistens die Bronzegriffe allein überliefert sind. Solche Skalpellgriffe sind in Lauriacum mehrfach belegt. Weiters begegnen unter den Funden z.B. gezähnte medizinische Pinzetten/Klammern, ein kombiniertes Instrument aus Knochenheber und Pinzette, eine Doppelknopfsonde oder ein Wundhaken. Zudem können zwei Sonden aufgrund ihrer Besonderheiten als medizinische Instrumente angesprochen werden. Da es sich letztlich um eine äußerst bescheidene Anzahl von Funden handelt, erlauben diese keine Rückschlüsse auf eventuelle Unterschiede in der medizinischen Versorgung im militärischen und im zivilen Umfeld von Lauriacum.

Literatur
L.J. Bliquez, Roman Surgical Instruments and Other Minor Objects in the National Archaeological Museum of Naples (Mainz 1994).
K. Gostenčnik, Die medizinische Versorgung in der Stadt auf dem Magdalensberg, in: G. Piccottini (Hrsg.), Die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg 1986-1990. Magdalensberg-Grabungsbericht 17 (Klagenfurt 2004) 357-442.
E. Künzl, Medizinische Instrumente der römischen Kaiserzeit im Römisch-Germanischen Zentralmuseum, RGZM, Kataloge vor- und frühgeschichtlicher Altertümer 28 (Mainz 2002).
E. Riha, Römisches Toilettgerät und medizinische Instrumente aus Augst und Kaiseraugst, Forschungen in Augst 6 (Augst 1986).

© Kordula Gostenčnik
e-mail: kgosten@gmail.com

This article should be cited like this: K. Gostenčnik, Medizinische Instrumente aus den Sammlungen der Oberösterreichischen Landesmuseen, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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