Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

6000 JAHRE SIEDLUNGSGESCHICHTE UND LANDNUTZUNG – EIN ÜBERBLICK

Im Laßnitztal, Weststeiermark, wird bei der Errichtung der Koralmbahn Graz-Klagenfurt durch die ÖBB-Infrastruktur AG eine besonders siedlungsgünstige Landschaft durchquert. Den Grabungen auf der Trasse sind umfangreiche Prospektionen vorangegangen. Die archäologischen Maßnahmen wurden im Auftrag und mit tatkräftiger Unterstützung seitens der ÖBB von der Fa. ARGIS Archäologie Service durchgeführt. In den letzten Jahren wurde zwischen Weitendorf und Deutschlandsberg an zahlreichen Lokalitäten eine Netto-Grabungsfläche von insgesamt rund 300.000 m² untersucht. Die großflächigen Arbeiten ermöglichen Einblicke in die Siedlungsgeschichte in diachroner Betrachtungsweise, die Verlagerung der Siedlungsschwerpunkte und grundlegende naturräumliche Veränderungen der Tallandschaft die in einem engen Zusammenhang mit der Nutzung durch den Menschen stehen.

Die Besiedlung ist seit der Kupferzeit nachweisbar, erreichte im Zeitraum von der mittleren Bronzezeit bis zum Ende der frühen Urnenfelderzeit (ca. 1600–1000 vor Chr.) einen enormen Aufschwung und eine Besiedlungsdichte, die erst im Spätmittelalter wieder erreicht worden ist. Von der späten Urnenfelderzeit bis zur mittleren Latènezeit gibt es im untersuchten Streifen eine bemerkenswerte Lücke. Fundstellen der Latènezeit sind vorhanden, aber selten. Erst in der Römerzeit ändert sich die Situation grundlegend im Zuge einer umfassenden Erschließung und Nutzung des Siedlungsraums. So wie bereits in der Bronzezeit wurden auch in der Römerzeit die unmittelbaren Talbodenbereiche genutzt, die in späterer Zeit bis in das frühe 20. Jahrhundert wegen staunasser Böden und Hochwassergefahr weder besiedelt noch als Äcker bewirtschaftet werden konnten.
Das Bild von der römerzeitlichen Besiedlung abseits der römischen Villen, die alle außerhalb der Trasse liegen, ist durch zahlreiche Befunde ergänzt worden. Zu nennen sind insbesondere die römische Straße mit der Zufahrt zur Villa Grünau, eine Holzbausiedlung in der KG Schönberg, weitere Pfostenbauten in Krottendorf und Zeierling, sowie ausgedehnte Grabensysteme, die eine Länge von mehreren 100m erreichen können und die unmittelbar mit der Landnutzung, in Zusammenhang stehen.
Die römerzeitliche Besiedlung reicht bis in die Spätantike.Für die Völkerwanderungszeit gibt es eine Forschungslücke, frühmittelalterliche Siedlungsbefunde sind im Trassenbereich vereinzelt vorhanden. Im Hochmittelalter haben sich völlig neue Siedlungszentren am Talrand heraus gebildet, daher hatten die römerzeitlichen Strukturen keine Nachnutzung - auch die Straße lag abseits und hatte ihren Zweck verloren.

© Gerald Fuchs
e-mail: office@argis.at

This article should be cited like this: G. Fuchs, 6000 Jahre Siedlungsgeschichte und Landnutzung – ein Überblick, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



HOME