Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

SPÄTANTIKE GLASIERTE KERAMIK DER GRABUNG ST. PÖLTEN-RATHAUSPLATZ

In den Jahren 1988 und 1989 wurden auf Grund des Baus einer Tiefgarage in St. Pölten Grabungen durchgeführt. Im Zuge der Ausgrabungen am Rathausplatz unter der Leitung von Peter Scherrer wurden etliche spätantike Wohnbauten gefunden. Das municipium Aelium Cetium, das unter Kaiser Hadrian gegründet wurde, konnte trotz verschiedener Barbareneinfälle, Brandkatastrophen und wirtschaftlicher und politischer Höhen und Tiefen seine Beständigkeit bis in die Spätantike wahren. Noch in der spätrömischen Epoche, ab dem Beginn der Alleinregierung Constantins I., erlebte Cetium einen regen Aufschwung. Wie es in den nördlichen und oberitalischen Provinzen üblich war, wurde auch in dieser, dem Limes nahen, römischen Stadt glasierte Keramik produziert. Auf diese Weise wurde die städtische wie auch die ländliche Bevölkerung, die sich keine Terra Sigillata aus den afrikanischen Provinzen leisten konnte, mit Tafelgeschirr, Küchengeschirr und Grabbeigaben versorgt [1].
Formtypologisch kommen Fragmente von Mortarien (c, d), Schüsseln (f, g), Schalen (i), Tellern (e), Krügen bzw. Kannen (a), Flaschen (b), Töpfen, Bechern (h) und von einem Kelch vor. Prozentuell überwiegen die Mortarien. Die typische Färbung der Glasur ist olivgrün (j) und mittelbraun (k). Von diesen Hauptfarben gibt es unzählige Nuancen. Neben der Glasur wurden noch andere Dekormöglichkeiten verwendet, um die Gefäße zu verschönern. Es treten Ratterdekor (k), Rollrädchendekor, Kerbmuster (h), Barbotine, Rillungen (i), Einglättung, Ritzungen (i) und streifige Engobierung (j) auf.

Die frühesten römischen Schichten, in denen die glasierte Ware auftaucht, stammen aus der Zeit nach einer Zerstörung um 270 n.Chr., mit Neubebauungen um 315/330 n.Chr. Somit kann für Aelium Cetium ein Aufkommen dieser Keramik um oder nach 300 n.Chr. postuliert werden. Die hohe Zeit der glasierten Ware ist nach den Ergebnissen vom Rathausplatz mit den beiden mittleren Vierteln des 4.Jhs. n.Chr. anzusetzen. Interessant ist die Tatsache, dass in den jüngsten Schichten römischer Anwesenheit um 400 n.Chr. äußerst wenig glasierte Ware gefunden wurde, was darauf verweist, dass die Produktion zu diesem Zeitpunkt schon wieder im Abklingen war.
Dass die glasierte Keramik in Aelium Cetium produziert wurde, kann trotz einiger Fehlbrände nicht 100-prozentig bestätigt werden, da die Reste zweier spätantiker Öfen nach Meinung des Ausgräbers für Keramikproduktion eher ungeeignet erscheinen [2]. Eine Produktion ist jedoch sehr wahrscheinlich. Nach einer scherbentypologischen Untersuchung konnten für die glasierten Keramikfragmente des Rathausplatzes vier Übergruppen, welche sich wiederum in 19 Untergruppen unterteilen lassen, ausgemacht werden. Vor allem die rottonigen Typen A (l) und die rosa-gräulichen Typen B (m) erscheinen wichtig. Hier könnten sich bei weiteren Forschungen und Vergleichen mit Tonlagerstätten eine regionale und eine lokale Erzeugung abzeichnen.
In St. Pölten lässt sich die glasierte Keramik als ein Produkt, welches als Tafelgeschirr und Küchenware verwendet wurde, definieren. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein regionales Erzeugnis, welches in einem organisierten Töpfereibetrieb hergestellt und von dort aus auch vermarktet wurde. Das Herstellen dieser glasierten Ware setzte ausgebildete Handwerker, eine intakte Infrastruktur und einen Abnehmerkreis, der sich diese Produkte leisten konnte, voraus. Dass mit dem Niedergang des römischen Reiches diese Bedingungen nicht mehr gegeben waren, bedeutete somit auch einen Niedergang der glasierten Ware in den nördlichen Provinzen.

[1] P. Scherrer (Hrsg.), Landeshauptstadt St. Pölten – Archäologische Bausteine I, SoSchrÖAI 22 (Wien 1991).
[2] Nach Mitteilung durch den Ausgräber.

© Magdalena Bru Calderón
e-mail: aurelianrules@hotmail.com

This article should be cited like this: M. Bru Calderón, Spätantike glasierte Keramik der Grabung St. Pölten-Rathausplatz, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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