Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

MÖGLICHKEITEN FÜR 3D-REKONSTRUKTIONEN VON ARCHÄOLOGISCHEN STÄTTEN DES MINOISCHEN KRETAS

Die Erstellung und Präsentation der 3D-Rekonstruktionen von Bauten oder ganzer Fundorte wird immer häufiger, im Falle der Archäologie auf dem minoischen Kreta ist sie jedoch immer noch nicht sehr verbreitet. Die Autoren dieses Vortrags vertreten die Meinung, dass eine ideale 3D-Rekonstruktion der erhaltenen Architektur der minoischen Bauten oder der Fundorte den Bestandteil jeder architektonischen Studie und Publikationen bilden sollte, weil das Bewusstsein über die prähistorische Architektur sowohl bei der Fach-, als auch Laienöffentlichkeit deutlich kleiner ist als über die spätere griechisch-römischen Antike.
Der Prozess der Erstellung der idealen 3D-Rekonstruktionen, bei denen genaue Architektur- und Raumdaten und weitere Quellen genutzt werden, zwingt uns nämlich zum Nachdenken über viele praktische architektonische Probleme und Details, die die Archäologen oft beiseitelassen oder sich nicht bemühen, diese zu erklären: z.B. die Platzierung von Türen, Lage, Form und Anzahl von Fenstern, das Problem der höheren Stockwerke, deren Charakter und Zugänglichkeit, das Problem der Kombination von verschiedenen Baumaterialien und der abschliessenden Bearbeitung (der Oberfläche) von Gebäuden usw.
Die Autoren bemühen sich in diesem Beitrag, die Erstellung idealer und möglichst treuer Rekonstruktionen erhaltener Bauten oder von ganzen archäologischen Fundorten unter Verwendung von verschiedenen Techniken, sowohl einer Handzeichnung als auch einer Modellierung mit spezieller Software, zu vergleichen. Als „case study“ werden wir den mittel- bis spätminoischen Fundort Livari Cheromylia an der Südküste Ostkretas benutzen. Die angeführten Ergebnisse haben jedoch eine allgemeinere Gültigkeit.

Die zwei am häufigsten verwendeten Varianten für die Herstellung von 3D-Rekonstruktionen in der Archäologie – einschliesslich der unseren – sind eine Zeichnung und eine Computerrekonstruktion. Eines der Ziele dieses Beitrags ist auch ein Vergleich der einzelnen Rekonstruktionstechniken, wobei ihre Vorteile und Nachteile betont werden. Zuerst werden die zeichnerischen Techniken untersucht. Bei unserer Rekonstruktion haben wir drei schwarzweiße (die Tintenfederzeichnung, die Zeichnung mit dem schwarzen Bleistift und dem Kohlenstift) und eine farbige Technik benutzt (die Zeichnung mit dem Buntstift mit einem hochwertigen Pigment).
Was die Computerrekonstruktionen betrifft, gibt es zwei Software-Arten. Die erste ist ein Sofrtware für die Computerzeichnung und –modellierung, meistens der CAD-Typ (AutoCAD und ArchiCAD). Die zweite Art sind dann Programme für die Modellierung einer beliebigen Sache oder Oberfläche, die häufig z.B. in der Filmindustrie verwendet werden (Google Sketchup, 3D Studio Max und Cinema 4D).
Was die praktische Benutzung der verschiedenen Rekonstruktionstechniken bei der Erstellung von 3D-Visualisierungen betrifft, ist die Zeichnung schneller; gegenüber der Software hat sie den Vorteil, dass sie einfach, schnell und deutlich die Struktur, den Schnitt und die Details darstellen kann. Die Software ihrerseits erreicht jedoch ein höheres Mass an Realität und ist für die Übersichtsdarstellungen (z.B. die in eine Photographie integriert sind) geeigneter. Die Skala der Rekonstruktionstechniken ist also breit und die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse so gut, dass die Autoren die Ansicht vertreten, dass im Falle einer Publikation von Fundorten mit erhaltener Architektur in kurzer Zeit die Erstellung von idealen architektonischen 3D-Rekonstruktionen zu Standard gehören sollte.


© Tomas Alusik, Anežka B. Sosnova
e-mail: alusikt@seznam.cz, luthein@seznam.cz

This article should be cited like this: T. Alusik - A.B. Sosnova, Möglichkeiten für 3D-Rekonstruktionen von archäologischen Stätten des minoischen Kreta, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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