Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 47 / VI / 2008

DAS WECHSELFIEBER IN DER RÖMISCHEN ANTIKE

Der politische, ökonomische und kulturelle Verfall des Römischen Kaiserreichs setzte zu Beginn des antiken Klimamaximums 200 n.Chr. ein, obwohl die folgenden vier Jahrhunderte dem wasserreichen Europa reiche Ernten auf fruchtbringendem Ackerland bis an den Hadrianwall bescherten. Einer der wenigen unbestrittenen Faktoren, die einen solchen Zerfall einer Gesellschaft verursachen können, ist eine nicht epidemisch auftretende, in Warmperioden ihre krankmachende Wirkung und ihre Häufigkeit steigernde, sich flächenmäßig ausdehnende, menschliche Infektionskrankheit - und zwar das Wechselfieber; es erfüllt alle Anforderungen an einen Terminator einer Epoche.

Einleitung
Der Einfluss des Wechselfiebers, das ist der deutsche Überbegriff für drei verschiedene Krankheitsformen menschlicher Malaria, auf den ab dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert erkennbaren Verfall des Römischen Kaiserreiches und dem stillen Erlöschen des Weströmischen Reiches 476 n.Chr. ist heftig umstritten. Manche zeitgenössische Autoren beschreiben das Auftreten von Malaria-Epidemien mit verheerenden Auswirkungen auf die Kindersterblichkeit in Mittelitalien im späten Dominat (z.B. [1]). Diese Darstellungen implizieren einen instabilen epidemiologischen Zustand in Folge des damaligen Neueindringens einer bösartigen Malariaform in eine immunologisch unerfahrene Bevölkerung. Die Konsequenz ist somit die Annahme einer maßgeblichen, wenn nicht sogar der ursächlichen Rolle der Malaria für den Untergang des Westimperiums [2]. Hingegen verlegen konservative Historiker meist die extensive Ausdehnung des Wechselfiebers im östlichen Mittelmeerraum in die Ära der neolithischen Agrarrevolution und dessen Etablierung in Latium in die Zeit der mythologischen Stadtgründung Roms um 750 v.Chr., herbeigeführt durch die seefahrerischen Aktivitäten griechischer Kolonisten und phönizischer Händler [3]. Aber auch eine Synthese, das heißt der Gedanke eines mosaikartig verbreiteten Wechselfiebers mit der Konsequenz eines lokal und temporär fragmentarischen Auftretens ohne zwingende gesellschaftliche Folgeerscheinungen wird vertreten [4]. Im Folgenden soll versucht werden, in geraffter und mikrobiologisch vereinfachter Form eine naturwissenschaftlich stimmige Geschichte der Malaria im antiken Italien zu skizzieren.

Vorbemerkungen
Unter Malaria, zu Deutsch Wechsel- oder Sumpffieber, versteht man eine Triade von obligatorisch von Stechmücken übertragenen Infektionskrankheiten des Menschen, die von einzelligen Parasiten der Gattung Plasmodium hervorgerufen wird. Der Name Wechselfieber bezieht sich auf die seit vielen tausend Jahren bekannte Eigenschaft der Krankheiten, in ihrem Kardinalsymptom, dem Fieber, regulär gleichmäßige Intervalle auszubilden [5]. Fieberattacken wechseln also regelmäßig mit fieberfreien Zeiten. Das Fieber der Malaria quartana, hervorgerufen durch den Erreger Plasmodium malariae, tritt alle 72 Stunden mit zwei dazwischen liegenden fieberfreien Tagen auf; die Fiebermaxima von Malaria tertiana, verursacht von Plasmodium vivax oder von Plasmodium ovale, liegen 48 Stunden auseinander; und die schwere, häufig tödlich verlaufende Malaria tropica, erregt durch Plasmodium falciparum, zeigt eine kontinuierliche, in der Höhe schwankende Fieberkurve mit 24 Stunden Maxima ohne vollständig fieberfreiem Intervall. Alle vier genannten Malaria-Erreger sind obligatorische, permanente Parasiten ohne freilebende Stadien, das heißt, sie müssen in jedem Lebensstadium und zu jeder Lebenszeit von (und in) einem Wirt leben. Sie parasitieren entweder am und im Menschen, der als Zwischenwirt fungiert, oder alternierend am und im Überträger und Endwirt, bestimmten Stechmückenarten aus der Gattung Anopheles (Abb. 1).

Die Auswirkungen der drei verschiedenen Krankheitsformen auf die menschliche Gemeinschaft sind jedoch sehr verschieden: Während mindestens ein Drittel der immunologisch unerfahrenen Europäer an einer unbehandelten Malaria tropica sterben, und diese Krankheit in Gebieten mit ganzjähriger Übertragung (=hochendemisch) für eine 50%ige Säuglingssterblichkeit verantwortlich ist, führen die Malaria tertiana nur selten, die Malaria quartana beinahe nie zu einem kausalen Tod. Die beiden letztgenannten Formen mindern dafür aber jahrelang und manchmal erheblich die Leistungsfähigkeit des Infizierten durch wiederkehrende Fieberattacken [6]. Während aber alte, das sind bis 40 Jahre andauernde [7], episodische Quartana-Anfälle schon von Ulpian (D 21,1,1,8) im frühen dritten nachchristlichen Jahrhundert als pflegeunwürdiger, ökonomisch unbedeutender, juridisch irrelevanter Mangel eines Sklaven charakterisiert wurden [8], also damals nicht als besonders bedrohlich empfunden wurden, war die ganze Apenninenhalbinsel ab dem siebenten nachchristlichen Jahrhundert ein schwer gezeichnetes, Verderben bringendes, endemisches Gebiet für alle drei Malariaformen [9]. Eine endemische Situation bedeutet, dass die Krankheit in einer Bevölkerung fortwährend mit einer gegenüber einer Vergleichspopulationen erhöhten Häufigkeit auftritt, - während einer Epidemie hingegen kommt es zur zeitlichen und örtlichen Häufung der Krankheit innerhalb einer Population. Im fünften Jahrhundert wurden beträchtliche Teile Norditaliens weitgehend entvölkert und die Siedlungsstrukturen zerfielen in Folge katastrophaler, epidemieartiger Tropica-Seuchenzüge [9, 10]. Ein weiteres Indiz für eine geänderte Seuchenlage stellt das Faktum dar, dass unter den im Mittelalter und in der frühen Neuzeit herrschenden Bedingungen Rom sich nicht zu einer Stadt mit einer nennenswerten Einwohnerzahl entwickelte. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert bewohnten Rom aber mehr als eine Million Menschen [11]. Ich vertrete die Ansicht, dass andauernde massive Bevölkerungsverluste in einer Region nie durch die nur kurzfristig wirkenden Naturkatastrophen, Kriege oder Missernten bewirkt werden, sondern durch eine permanente Ausblutung durch (hoch-)endemischen Infektionskrankheiten, die durch ihre konstant hohe Kindersterblichkeit besonders verheerend wirken.

Befunde
Eine Abschätzung der Malariasituation auf italienischem Boden in der Antike ist unter Berücksichtigung einiger elementarer Gegebenheiten möglich: Höchstwahrscheinlich ist, dass das gesamte europäische Festland zum Ende der letzten Vereisung um 8000 v.Chr. malariafrei war. Etwas vereinfacht dargelegt, liegen die Gründe einerseits in der dünnen Besiedlung des Kontinents und andererseits in der vermuteten nacheiszeitlichen Faunenzusammensetzung. Die Malariaerreger benutzen in effektiver Weise nur frisch und erstmalig infizierte Menschen als Zwischenwirte. Überlebt der Erstinfizierte das akute Krankheitsstadium, so entwickelt sein Immunsystem eine funktional und zeitlich begrenzte Abwehr gegen den Erreger. Er wird teilimmun und für später kommende oder wiederauftauchende Erreger als Substrat für die Multiplikation wenig lohnend. Die Parasiten benötigen zur Vollendung ihres Lebenszyklus also eine quantitativ bestimmte Menschenpopulation, deren Größe maßgeblich von inter- und intraartlichen Beeinflussungen abhängt. Während der letzten Eiszeit lebten höchstwahrscheinlich nicht genügend Menschen in Festlandeuropa zur Aufrechterhaltung des Zyklus. Zudem vollenden die Parasiten obligatorisch ihren Lebenszyklus im Endwirt und Überträger, der Anophelesmücke. Diese Mücken müssen also vor der Etablierung des Parasitenlebenszyklus in einer Region vorhanden sein, und zudem müssen sie eine Mindestzeitdauer im Jahreslauf als erwachsene Tiere aktiv sein, denn nur die erwachsenen Weibchen können die Malariaerreger aufnehmen und wieder abgeben. Darüber hinaus bedarf die Individualentwicklung des Parasiten in der Mücke in Europa einer minimalen Sommerdurchschnittstemperatur. Exakter ausgedrückt ist die Wärmemengensumme zur Aktivitätszeit der Mücken für die Dauer der Entwicklung des Parasiten im Insekt ausschlaggebend. Als Beispiel sei die Entfaltung von Plasmodium falciparum dargelegt (Abb. 2): Der Tropica-Erreger kann sich bei Temperaturen unter 16oC gar nicht weiterentwickeln, bei konstanten 20oC braucht er 22 Tage in der Mücke um für den Menschen infektiöse Stadien zu bilden. Der Schlüssel zur Malariaausbreitung ist also die Lebensdauer und das Aktivitätsschema der als Überträger geeigneten Anopheles-Stechmücken, wobei aber aus physiologischen und ethologischen Gründen sich nicht jede Anophelesart gleich gut als Überträger eignet.
Ab dem sechsten nachchristlichen Jahrhundert war ganz Italien ein endemisches Malariagebiet [9], ein Zustand, der sich bis ins zwanzigste Jahrhundert beständig hielt. Die Erreger, mit Ausnahme des westafrikanischen Plasmodium ovale, das niemals in Europa Fuß fassen konnte, mussten also zwischenzeitlich eingewandert sein, und ihren Zyklus in bestehenden Stechmückenpopulationen etabliert haben. Auf Europas Boden leben zwar circa 20 Anophelesarten, jedoch nur wenige davon sind für eine Malariaübertragung geeignet. Der einzige nordeuropäische und der bedeutendste europäische Überträger ist Anopheles labranchiae. In der Tropica-Hochburg Norditalien ist aber Anopheles atroparvus der Hauptvektor, beide Arten sind Taxa ungeklärter systematischer Abgrenzung im Anopheles maculipennis-Komplex [12]. Aus Kleinasien wanderte wahrscheinlich erst in der Antike der hocheffiziente Falciparum-Überträger Anopheles sacharovi nach Italien ein [2], und in den marschigen Sümpfen Südfrankreichs war bis vor wenigen Jahrzehnten Anopheles hyrancus der Hauptvektor [13]. Die Eignung der genannten Insektenarten als Überträger ergibt sich aus ihrer Physiologie und Biologie, insbesondere aus ihrer Wirtspräferenz, dem Aktivitätsschema, dem Verhalten, insbesondere dem Blutsaugen und dem Rasten in oder außerhalb von Räumen, der Tag-, Dämmerungs- oder Nachtaktivität, und dem Maß an Kulturfolge in Form einer larvalen Toleranz von Wasserverschmutzung.
Ausführlich dokumentiert ist der Kenntnisstand antiker Autoren über die Malaria (z.B. [2]). Neben zahlreichen Erwähnungen des Wechselfiebers in medizinischen Schriften, z.B. im Corpus Hippocraticum, stammt die klinisch präziseste Beschreibung und Differenzierung der Krankheitsformen von Aulus Cornelius Celsus (+ um 50 n.Chr). Varro, Columella und Vitruvius vertraten die um die Zeitenwende ungewöhnlich kühne Hypothese, dass das Wechselfieber von kleinen Tieren aus den Sümpfen käme [14]. Die Malaria war zu Beginn des Prinzipats also wohlbekannt, sie wurde aber keinesfalls als existentielle Bedrohung der Ökonomie und der Gesundheit empfunden.
Obgleich bereits Vitruvius die Augustäische Bauordnung im Sinne einer Wechselfieberrückdrängung beeinflusste [15] und vereinzelt bereits von Umsiedlungen in Höhenlagen zur Seuchenbekämpfung berichtete [14], wurde dennoch in den meisten Teilen Italiens weiterhin unbekümmert an Flussmündungen und Marschen Häfen und Siedlungen angelegt und die Innenhöfe von römischen Villen mit Süßwasserbecken - optimalen Mückenbrutstätten - ausgestattet [14]. Diese Unbekümmertheit wandelte sich aber ab dem fünften nachchristlichen Jahrhundert radikal: In den bis zu den Anfangsjahren des zwanzigsten Jahrhunderts Malaria-verseuchten italienischen Gebieten wurden die Flachlandsiedlungen aufgegeben und dafür Höhensiedlungen angelegt (Abb. 3). Diese das Alltagsleben erschwerende Siedlungsform wurde offenbar nicht aus militärischen Gründen gewählt, die Dörfer wurden kaum befestigt. Sie war jedoch der damals wirksamste Schutz der Bewohner vor den Stichen dämmerungs- und nachtaktiver, windempfindlicher, Malaria-übertragender Anophelesmücken. Davor war das Siedeln in den verkehrstechnisch günstigeren und einfacher bestellbaren, tiefer gelegenen Regionen noch möglich. Dies fügt sich in das Bild einer geänderten epidemiologischen Situation am Ende des antiken Klimamaximums um 600 n.Chr.
Dieses etwa vier Jahrhunderte andauernde Klimamaximum mit seinen um 1-1,5oC über dem gegenwärtigen Jahresdurchschnitt liegenden Temperaturen begann um 180 n.Chr. Es ließ in knapp 150 Jahren England zur Kornkammer des Imperiums aufsteigen (Ammianus Marcellinus, Rerum gestarium, 18,2,3) und in den nördlichen Reichsteilen Städte mit Einwohnerzahlen aufblühen, wie sie bis heute nicht wieder erreicht wurden: Als Beispiel sei Lauriacum = Enns genannt, dass um 200 n.Chr. dreißigtausend Einwohner hatte (Mitteilung Chr. Huemer auf www.enns.or.at), heute sind es elftausend. Trotz der günstigen Produktionslage in der Landwirtschaft traten aber bereits in der zweiten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts erste spürbare Bevölkerungsverluste im Reich auf, zwischen 200 und 600 n.Chr. kam es dann zu einem massiven Bevölkerungsrückgang, anscheinend in Folge von schweren epidemiologischen Katastrophen bislang ungeklärter Genese [9]. Die Bindung des Auftretens von Malariaerkrankungen in den gemäßigten Breiten an die Sommertemperaturen und das Wirtvorkommen lässt den begründeten Verdacht keimen, dass dieses antike Klimamaximum die Periode der extensiven Ausdehnung des bösartigen Tropicafiebers im Kernland des Römischen Imperiums, der Apenninenhalbinsel, war. Nicht so schlüssig erklärbar sind allerdings die Zeichen auf das Auftreten der anderen Malariaarten in Italien und auf deren Herkunft und Abstammung.

Diskussion
Da Rom zur Zeitenwende mehr als eine Million Einwohner hatte, - eine Einwohnerzahl, wie sie nach höchstens dreißigtausend während des gesamten Mittelalters erst 1936 wieder erreicht wurde - können damals in und um die Stadt bösartige Malariaformen, insbesondere die Malaria tropica, noch nicht flächendeckend und jedermann erreichend Fuß gefasst haben. Vertretbar erscheint die These eines topologisch und saisonal fragmentierten Vorkommens der Malaria tropica in den von Sklaven bewirtschafteten Niederungen rund um Rom ab 100 v.Chr. [2]. Allerdings spricht ein ökonomisches Argument gegen diese These: Das Arbeiten in einem malariaverseuchten Land führte in der Antike zu einer Verkürzung der durchschnittlichen Lebenserwartung um zwei Dezennien auf 20-25 Jahre [4]. Die Konsequenz aus dieser Feststellung ist aber entweder ein rapider Bevölkerungsrückgang in den betroffenen Gebieten bis zum zwangsläufigen Erlöschen der Malaria wegen Zwischenwirtmangels, oder der laufende, ökonomisch unvertretbare Ersatz der verstorbenen Landarbeiter. Folgende Skizze der epidemiologischen Situation erscheint mir wahrscheinlicher:
- Keine der Malariaarten spielte in Latium bis zum Anfang des dritten nachchristlichen Jahrhunderts eine wesentliche ökonomische und medizinische Rolle.
- Offenkundig müssen damals aber effektive Vektoren, das sind zur Übertragung physiologisch und ethologisch befähigte Anophelesmücken, präsent gewesen sein.
- Um 200 n.Chr. war eine lang dauernde, nicht mehr akute Malaria quartana, eine so genannte Rekrudeszenz, für am städtischen Markt gehandelte, mehrheitlich in Latium geborene Sklaven der gesundheitliche Normalzustand, beeinträchtigte diese Infektion auch nicht ernstlich deren Leistungsfähigkeit [8].
- Das Wirt-Parasit Verhältnis von Plasmodium malariae ist offenbar so alt wie die Menschheit selbst, beidseitig hochgradig angepasst, und der Erreger ist für den Menschen von geringer Pathogenität. Dieser Parasit taucht recht unspektakulär überall auf, wo es Menschen und Überträger gibt, wird aber beschränkt von der von ihm zur Entwicklung benötigten verhältnismäßig hohen Wärmemenge.
- Plasmodium vivax ist vor etwa 60 000 Jahren aus Parasiten von Makkaken (?) entstanden und aus Asien Richtung Afrika und Europa ausgewandert (out of asia-Hypothese [17]). Dieser Parasit ist ein geeigneter Kandidat für die mutmaßliche Verschleppung einer Malaria im zentralen und westlichen Mittelmeerraum durch phönizische Händler und griechische Kolonisten [3].
- Aus dem fünften nachchristlichen Jahrhundert liegen gentechnologische Nachweise von Plasmodium falciparum-DNS aus den Überresten von Kleinkindern in Umbrien vor [16]. Diese Funde werden als Indiz für gelegentlich aufflackernde Tropica-Epidemien in einem Gebiet mit einer instabilen endemischen Lage gewertet [2].
- Plasmodium falciparum ist hingegen erst vor wenigen tausend Jahren möglicherweise aus einem Vogelmalariaerreger entstand und fand durch die Umweltveränderungen im Zuge der neolithischen Agrarrevolution die passende Gelegenheit zur Ausbreitung [7]. Aus Kleinasien kommend und mutmaßlich zuerst in der Poebene sich etablierend, konnte dieser Parasit erst während des antiken Klimamaximums Italien flächendeckend und die römische Zivilisation erdrosselnd besiedeln, vielleicht gemeinschaftlich mit dem für eine Tropica-Übertragung optimierten Vektor, Anopheles sacharovi [2].
- Etwas vereinfacht dargelegt ist der entscheidende biologische Faktor für die erst im antiken Klimamaximum stattfindende mittelmediterrane Ausdehnung des Verbreitungsgebietes von Plasmodium falciparum die Verkürzung der Stechmücken-armen Jahreszeit. Anders als Plasmodium vivax mit seinen Rezidiven und Plasmodium malariae mit der Rekrudeszenz hat der Tropica-Erreger keine Möglichkeit, sich durch eine verzögerte und/oder lang andauernde Parasitenverweildauer im Blut (=Parasitämie) oder in Leberzellen über die Zeiträume hinwegzuretten, in denen zu wenige Stechmücken zur Vollendung des Zyklus zur Verfügung stehen.

Die gesellschaftlichen Auswirkungen der veränderten Malariasituation auf der Apenninenhalbinsel ab dem dritten nachchristlichen Jahrhundert müssen spektakulär gewesen sein. Beispielhaft sollen zwei Gedanken aufgegriffen werden:
Innerhalb weniger Generationen muss die Zahl der produktiven Arbeitskräfte insbesondere für die Feldarbeit und das Gewerbe rapide gesunken sein. Manuelle Arbeit wurde teuer. Daher wurde sie in der antiken Gesellschaft aufgewertet und als akzeptable Alternative zum Einkommen aus Staatsdienst (peculium quasi castrense) und aus Erbschaftsertrag wahrgenommen. Dies brachte einen kompletten Umsturz des traditionellen Wertesystems dieser antiken Gesellschaft mit sich. Und es führte zur nachantiken Ehrbarkeit und der gesellschaftlichen Anerkennung bestimmter manuell Tätiger, etwa der Stadtschreiber, der Händler und der Handwerksmeister.
Die schicksalhafte Gleichstellung von Patriziern, Plebejern, Freigelassenen und Sklaven in der Krankheit führte zur Zerstörung des Glaubens an die tradierten transzendentalen Autoritäten, die seit unvordenklichen Zeiten durch reiche Opfergaben gnädig gestimmt werden konnten. Selbst der posthum vergöttlichte oder der zu Lebzeiten göttliche Kaiser konnte seine Unterworfenen nicht schützen, - eine Beobachtung, die die Frage nach der Existenzberechtigung unfairer, weil durch Opfer nicht (mehr) beeinflussbarer Götter aufwarf. Die resultierende Glaubenskrise bereitete den Boden für neuartige, aus dem Osten kommende Religionen mit einem "mit-leidenden" und letztlich das Leid überwindenden höheren Wesen - eine Infektionskrankheit verstärkt in bislang nicht ermesslicher Weise die Wirkung des jungen Christentums in einer Zeit vielfältiger Umbrüche in der paganen Gesellschaft.

Resümee
Nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens gibt es erhebliche mikrobiologische, genealogische und genetische Indizien für eine extensive Ausdehnung der lebensbedrohenden Malaria tropica auf der Apenninenhalbinsel während des antiken Klimamaximums 200-600 n.Chr. Die daraus resultierende, drastische Veränderung des Infektionsstatus und der Gesundheit der Bewohner Italiens führten zu einer Verstärkung von ökonomischen Krisen andere Genese, in Folge zum drastischen Bevölkerungsrückgang, zum folgenschweren Wertewandel und zum Verlust der Sicherheit im gemeinschaftlichen Leben. Wenn auch vermutlich hauptsächlich indirekt über den Traditionsverfall trug die Malaria mit hoher Wahrscheinlichkeit einen bemerkenswerten Anteil zum Niedergang des Römischen Imperiums bei.

Referenzen
[1] D. Soren, Can Archaeologists Excavate Evidence of Malaria, World Archaeology 35, 2003, 193-209.
[2] R. Sallares - A. Bouwman - C. Anderung, The Spread of Malaria to Southern Europe in Antiquity: New Approaches to old Problems, Medical History 48, 2004, 311 - 328.
[3] J.P. Nozais, The Origin and Dispersion of Human Parasitic Diseases in the Old World (Africa, Europe and Madagascar), Memórias do Instituto Oswaldo Cruz 98, 2003, 13-19.
[4] R. Sallares, Malaria and Rome: A History of Malaria in Ancient Italy (New York 2002).
[5] H. Feldmeier, Malaria, in: H. Schadewaldt (Hrsg.), Die Rückkehr der Seuchen (Köln 1994) 157-186.
[6] E.G. Nauck, Lehrbuch der Tropenkrankheiten (Stuttgart 1975) 126-161.
[7] A.P. Waters - D.G. Higgins - T.F. McCutchan, The Phylogeny of Malaria: A Useful Study, Parasitology Today 9, 1993, 246-250.
[8] A. Hassl, Die Malaria im Römischen Kaiserreich: Eine bemerkenswerte Textstelle in den Digesten, Wiener Klinische Wochenschrift 120 [Suppl 3] (im Druck).
[9] W. McNeill, Seuchen machen Geschichte (München 1978).
[10] B.D. Prescott, Malaria: Malady of the Marshes, The Scientific Monthly 57, 1943, 452-456.
[11] R. Volker - M. Sommer, Rom. Geschichte der Ewigen Stadt (2008).
[12] G.B. White, Systematic Reappraisal of the Anopheles maculipennis Complex, Mosq Syst 10, 1978, 13-44.
[13] N. Ponçon - C. Toty - G. L'Ambert - G. Le Goff - C. Brengues - F. Schaffner - D. Fontenille, Biology and Dynamics of potential Malaria Vectors in Southern France, Malaria Journal 6, 2007, 18-26.
[14] S. Winkle, Geißeln der Menschheit: Kulturgeschichte der Seuchen (Düsseldorf, Zürich 1997).
[15] E. Ackerknecht, Geschichte der Medizin (Stuttgart 1979).
[16] R. Sallares - S. Gomzi, Biomolecular Archaeology of Malaria, Ancient Biomolecules 3, 2001, 195-213.
[17] A.A. Escalante - O.E. Cornejo - D.E. Freeland - A.C. Poe - E. Durrego - W.E. Collins - A.A. Lal, A monkey's tale: The origin of Plasmodium vivax as a human malaria parasite, PNAS 102, 2005, 1980-1985.

© Andreas Hassl
e-mail: andreas.hassl@meduniwien.ac.at


This article should be cited like this: A. Hassl, Das Wechselfieber in der römischen Antike, Forum Archaeologiae 47/VI/2008 (http://farch.net).



HOME