Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

RÖMERZEITLICHE FUNDSTELLEN IM BRIXNER BECKEN, SÜDTIROL: STUFELS 12-MITTERUTZER, STUFELS 10B UND STUFELS RUSSO [1]

Lage und Topographie von Stufels
Stufels liegt im Brixner Becken, einem weiten Talkessel, der sich um die Stadt Brixen erstreckt. Diese befindet sich ungefähr 40 km nördlich von Bozen im Eisacktal, das seit der Urgeschichte eine wichtige Verbindung vom oberen Adriaraum in das Inntal bildet. Nördlich von Brixen zweigt in Richtung Osten das Pustertal ab. Stufels umfaßt den nordöstlichen Stadtteil von Brixen, der am Zusammenfluß von Eisack und Rienz liegt [2]. Die Lage von Stufels an der Abzweigung nach Osten und an der Paßstraße nach Norden, zum Brenner, war vermutlich bereits in der Antike von strategischer Bedeutung. Der Name der römerzeitlichen Siedlung von Stufels ist bisher aber unbekannt. Urkundlich ist der Ort zum ersten Mal im 12. Jh. genannt [3].

Die Grabungen
Die drei benachbarten Fundstellen Stufels 12- Mitterutzner, Stufels 10 B und Stufels Russo wurden von der Brixner Grabungsfirma SRA des G. Rizzi im Auftrag des Amtes für Bodendenkmäler archäologisch untersucht [4].
In Stufels 12- Mitterutzner wurden vier Räume eines Gebäudes angeschnitten, einer davon wies Reste einer Hypokaustheizung auf. Die Stratigraphie und Fundzusammensetzung lassen auf eine mehrphasige Nutzung des Gebäudes von der mittleren/ späten Kaiserzeit (Abb. 1b) [5] bis in die spätantik- frühmittelalterliche Zeit (Abb. 1 c) [6] schließen.
Die zweite Fundstelle, Stufels 10B, brachte einen Gebäudeteil zum Vorschein, von dem ein Abschnitt der in den gewachsenen Boden eingetieften südlichen Außenmauer sowie ein zugehöriges Gehniveau ausgemacht werden konnten. Die zahlreichen (107) Münzen aus letzterem legen eine Nutzung in spätantik- frühmittelalterlicher Zeit mit einer Auflassung frühestens am Anfang des 6. Jhs. n.Chr. nahe. Das Keramik- und Glasspektrum läßt sich demselben Zeitraum zuordnen, es entspricht großteils jenem der spätantik- frühmittelalterlichen Phase von Stufels 12- Mitterutzner (Abb. 1 c) [7].
Im ‚Ostsektor' von Stufels Russo wurde ein ausgedehntes römerzeitliches Gebäude angeschnitten, das in seiner Bauweise noch an rätische Häuser erinnert. Es konnten eine in den gewachsenen Boden eingetiefte Mauer und eine an diese anbindende ‚Hangverkleidungsmauer' nachgewiesen werden, ebenso ein zugehöriges Bodenniveau, unter dem sich eine Neugeborenenbestattung befand. Das Keramik- und Glasspektrum (Abb. 1a) [8] lässt auf eine Nutzung des Gebäudes im 1. Jh. n.Chr. mit einem möglichen terminus post quem für seine Aufgabe in der 2. Hälfte des 1. Jhs. n.Chr. schließen.


Zusammenfassende Auswertung
Es zeichnen sich drei (grobe) Phasen ab, in denen das Fundstellenareal besiedelt war: Das 1. Jh. n.Chr. ist in der Fundstelle Stufels Russo faßbar, die mittlere/ späte Kaiserzeit (bis 2. Hälfte 3. Jh. n.Chr.) in Stufels 12- Mitterutzner. Schließlich ist in Stufels 10 B und Stufels 12- Mitterutzner eine intensive Besiedlung in der spätantik- frühmittelalterlichen Zeit zu beobachten.
Festzuhalten ist, dass die Siedlung von Stufels- oder zumindest ein Teil davon- offenbar bis in das 6. Jh. bestand, worauf das Münzspektrum aus Stufels 10 B schließen läßt. Dabei ist aufgrund der im Vergleich mit den umliegenden Fundorten sehr zahlreichen Münzfunde wohl von einer zentralen Bedeutung der spätantik- frühmittelalterlichen Siedlung auszugehen. Möglicherweise hängt diese mit der Anwesenheit oder zumindest dem Durchzug von Militär zusammen [9].

[1] Der vorliegende Beitrag resümiert die Ergebnisse meiner 2003 abgeschlossenen Diplomarbeit: Alice Waldner, Römerzeitliche Fundkomplexe im Brixner Becken/ Südtirol: Stufels 12- Mitterutzner, Stufels 10 B und Stufels Russo (unpubl. Dipl. Wien 2003).
[2] Letztere fließt aus dem Pustertal nach Westen und mündet bei Stufels in den Eisack. Zur Lage und Topographie von Stufels siehe z.B. G. Kaufmann - S. Demetz - G. Rizzi u. a., Brixen vor 901. Archäologische Streifzüge. Begleitheft zu Ausstellung im Diözesanmuseum der Hofburg Brixen vom 14.07.2001- 31.10.2001 (2001) 6. Siehe außerdem http://de.wikipedia.org/wiki/Brixen.
[3] H. Fink, Stufels- Urzelle von Brixen. Geschichte- Entwicklung- Gegenwart (1985) 16.
[4] Die Grabungen wurden 1991/92 (Stufels 12- Mitterutzner), 1986 (Stufels 10 B) und 1999-2001 (Stufels Russo) durchgeführt. Dem Amt für Bodendenkmäler Bozen/ Südtirol steht Dr. L. Dal Rí vor.
[5] An aussagekräftigen Funden sind u.a. glatte und reliefierte Terra Sigillata aus Westerndorf (Formen: Drag. 37 und 30), Münzen und ‚Salurner' Henkeldellenbecher zu nennen.
[6] Es kommen u.a. eine Lavez- Schüssel und Lavez- Imitationen, Glasbecher der Formen Isings 106 c und 109, ein Rand- und mehrere Wandfragmente glasierter Reibschalen, eine Riemenzunge mit Perlrand, Hörnchenohrringe und zahlreiche Münzen vor.
[7] Eine Zusammengehörigkeit beider Fundstellen ist- zumindest in der Spätphase von Stufels 12- Mitterutzner- anzunehmen.
[8] Darunter eine ‚italische' Reibschale mit hängendem Rand, eine dünnwandige Schale ‚italischer Feinware', ein gläserner Vierkantflaschenboden mit Efeublattmarke und Gebrauchskeramik (Auerbergtopf- Derivate u.a.).
[9] Dies würde u.a. in den spätantiken Militaria- Funden und in den Funden von Zwiebenknopffibeln in der in unmittelbarer Nähe befindlichen Fundstelle Stufels A (L. Dal Rí, Römerzeitliche Funde im Brixner Stadtgebiet, Der Schlern 58/ 8, 1984, 443- 453. 364) Bestätigung finden.

© Alice Waldner
e-mail: alice.waldner@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: A. Waldner, Römerzeitliche Fundstellen im Brixner Becken, Südtirol: Stufels 12- Mitterutzner, Stufels 10 B und Stufels Russo, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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