Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

DER RÖMISCHE TEMPEL VON KALAPODI

Im folgenden Beitrag möchte ich die im Rahmen meiner Diplomarbeit durchgeführte Untersuchung des "römischen Tempels" von Kalapodi vorstellen. Da Aufnahme und Auswertung des Materials aber noch nicht abgeschlossen sind, kann dies derzeit nur ein Zwischenbericht sein, den ich auch dazu nutzen möchte, einige grundlegende Aspekte und Probleme bei der Bearbeitung von römischem Fundmaterial in Griechenland anzusprechen.
Das Heiligtum bei Kalapodi befindet sich in der nördlichen antiken Phokis es liegt in der Nähe der Städte Abai und Hyampolis und nahe an der Grenze zur opuntischen Lokris.
R.C.S. Felsch entdeckte das Heiligtum 1970 und strebte daraufhin eine gezielte Untersuchung des Ortes an. 1973-1982 [1] wurden Grabungen durchgeführt, die eine Anlage zweier nebeneinander liegender Tempel in Ost-West-Ausrichtung offenbarten. Das Ergebnis der Untersuchungen zeigt insbesondere im Südtempel eine Kultkontinuität, die von zumindest geometrischer bis römischer Zeit reicht.
W.-D. Niemeier nahm im Sommer 2004 die Grabungen in Kalapodi (Abb.) zur genaueren Erforschung der früheren Phasen des Südtempels wieder auf.


Auf Grund der Tatsache, dass in archaischer Zeit offensichtlich zwei Tempel nebeneinander bestanden und genutzt wurden, ist davon auszugehen, dass in Kalapodi zwei Gottheiten verehrt wurden. Die Zuordnung des Heiligtums ist jedoch nach wie vor problematisch - seiner Größe wegen muss es sich entweder um das Apollonmanteion von Abai oder das Heiligtum der Artemis Elaphebolos von Hyampolis handeln. Letzteres ist zwar auf Grund der geographischen Lage, welche die Bewohner von Abai gezwungen hätte, für jeden Besuch ihres Heiligtums das Stadtgebiet von Hyampolis zu durchqueren, wahrscheinlicher, allerdings ergaben sich aus dem Fundmaterial von Kalapodi bisher aber lediglich Hinweise auf Apollon, während Belege für Artemis als verehrte Gottheit ausbleiben.
Von beiden Heiligtümern - sowohl von Abai als auch von Hyampolis - ist eine Kontinuität in römischer Zeit bekannt. Während Pausanias von Abai berichtet, dass Hadrian dort einen Nachfolgerbau errichtet habe, blieb ihm das Heiligtum der Artemis Elaphebolos verschlossen, da es seinen Ausführungen nach nur zwei Mal im Jahr geöffnet wurde.
Der nun als römischer Tempel angesprochene Bau wurde während der Grabungen 1981 zunächst für byzantinisch gehalten. Begründet wurde dieser erste Eindruck in der Grabungsdokumentation einerseits dadurch, dass einige Mauern des Baus aus Gussmauerwerk bestehen und andererseits durch einen Vergleich der im Fundamentgraben der Westmauer gefundenen Wandmalereien mit römischen Fresken aus Knossos, die ins zweite bis dritte Jahrhundert eingeordnet werden [2]. Darin sah man sich in der Datierung des Baus - spätkaiserzeitlich bis frühbyzantinisch - bestätigt.
Nach einer neuerlichen Reinigung und dem Zusammensetzen weiterer Fragmente der Wandmalereien muss dies nun allerdings in Frage gestellt werden, da sich wesentlich überzeugendere Vergleiche zu Wanddekorationen des ersten Stils und des ersten östlichen Stils finden lassen. Auch die Untersuchung der Keramik liefert keine Ansatzpunkte für eine späte Datierung des Baus. Das weitgehende Fehlen von römischen Formen, Ost- und Westsigillaten sowie die damit einhergehende offensichtliche Weiterverwendung und -produktion hellenistischer Keramik wirft neue Fragen zur Romanisierung der Phokis auf und zeigt zudem, dass der so genannte römische Tempel von Kalapodi mit hoher Wahrscheinlichkeit wesentlich früher einzuordnen ist, als bisher angenommen wurde.

[1] R.C.S. Felsch - H. Kienast, Ein Heiligtum in Phokis, AAA 8, 1975, 8ff.; R.C.S. Felsch u. a., Apollon und Artemis oder Artemis und Apollon? Bericht von den Grabungen im neu entdeckten Heiligtum bei Kalapodi 1973-1977, AA 1980, 38ff.; R.C.S. Felsch u. a., Kalapodi. Bericht über die Grabungen im Heiligtum der Artemis Elaphebolos und des Apollon von Hyampolis 1978-1982, AA 1987, 1ff.
[2] L.H. Sackett - J.E. Jones, Knossos. A Roman House Revisited, Archaeology 32.2, 1979, 18-27; L.H. Sackett, Knossos. From Greek City to Roman Colony. Excavation at the Unexplored Mansion II. Text (1992) 37-47; Pl. 20 a-f; Pl. 34 a-c.

© Veronika Sossau
e-mail: veronika.sossau@student.uibk.ac.at

This article should be cited like this: V. Sossau, Der römische Tempel von Kalapodi, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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