Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

DIE NYMPHEN - MÄNADEN - PROBLEMATIK IN DER GRIECHISCHEN VASENMALEREI

Die Nymphen von Nysa sind Naturgottheiten, die bereits in der Ilias mit Dionysos auftauchen, da sie die Ammen des Dionysosknaben sind [1]. Im homerischen Aphroditehymnus werden erstmals Nymphen mit Silenen in Verbindung gebracht, im Hymnus an Dionysos wird der Weingott als Führer der Nymphen beschrieben, der mit ihnen durch die Wälder zieht [2]. Im Drama werden die sich mit Dionysos im ekstatischen Treiben befindenden Frauen oft als Mänaden bezeichnet, wobei aber bei den Bakchen des Euripides der Bakchenchor eine Form der positiven Gruppenekstase erfährt, hingegen die menschlichen sich Dionysos entgegenstellenden Frauen mit destruktivem Wahnsinn geschlagen werden und als Folge dessen Pentheus töten [3]. Der wichtige Unterschied ist, dass Mänaden sterbliche Frauen sind, die nur vorübergehend als rasende Begleiterinnen des Gottes leben, während Nymphen göttliche Wesen sind.


Die Darstellungen in der Vasenmalerei:
Im ersten Viertel des 6. Jh. v.Chr. tauchen auf attischen Vasen Darstellungen auf, welche Silene bei der aggressiven Verfolgung von Frauen zeigen. Am Kleitiaskrater (Abb.; Volutenkrater Florenz, Museo Archeologico Etrusco 4209; Kleitias; 570/560 v.Chr.; Beazley, ABV 76, 1) begegnet uns die Beischrift "NUFAI" bei der Rückführung des Hephaistos. Dionysos folgen zuerst mehrere Silene und dann Nymphen nach, eine der Frauen wird von einem Silen getragen. Durch die gemeinsame Einbindung in den Thiasos entwickelt sich ein gewaltfreies Verhältnis der Naturwesen zueinander [4]. Ein Krater des Lydos (Kolonettenkrater New York, Metropolitan Museum of Art 31.11.11; Lydos; Um 550 v.Chr.; Beazley, ABV 108, 5) zeigt erstmals die Partnerinnen der Silene mit dionysischen Attributen wie Efeuranken, Schlangen und v. a. Fellen, die Nebris. Da die Bacchantinnen in den Bakchen die gleichen Attribute aufweisen werden die dionysischen Frauen in der Wissenschaft meist als Mänaden bezeichnet. Allerdings kommt das kollektive Wort "Mänaden" auf keiner Vase als Beischrift vor, sondern die Frauen tragen immer Namen von Nymphen [5]. Die Bacchantinnen werden in der Literatur in keinerlei Verbindung zu Silenen gebracht, außerdem werden sie als Keusch charakterisiert, was keine Übereinstimmung mit den schwarzfigurigen Vasenbildern findet [6]. In der frührotfigurigen Vasenmalerei bis ca. 470 v.Chr. werden allerdings die dionysischen Frauen fast ausschließlich als Rasende präsentiert. Im Zuge dessen erwehren sie sich häufig der aufdringlichen Silene [7]. Auch hier wird oftmals von einer konsequenten Verwandlung von Nymphen in Mänaden gesprochen, obwohl sich die vehemente Abwehr durch das enge Verhältnis der Frauen zu Dionysos erklärt [8]. In der Folgezeit zwischen 470 und 430 v.Chr. stellen den prozentuell größten Anteil am dionysischen Repertoire Nymphen in idyllischen Naturlandschaften, verbürgerlichte Darstellungen oder Nymphen als Teil von Satyrfamilien [9]. Diese Frauen sind wohl kaum als "rasende Mänaden" zu bezeichnen, da sie im Wesen den lieblichen Nymphen viel ähnlicher sind. Es ist festzustellen, dass auf Bildern der Dionysosübergabe, bei welchen das Dionysoskind den nysäischen Nymphen zur Aufzucht überreicht wird, die sicher als Nymphen zu benennenden Frauen mit dionysischen Attributen (Thyrsos, Nebris, Ranken, Tiere) ausgestattet sind. Die gleichen Attribute sind den Mänaden beigegeben, die auf den Bildern vom Tod des Pentheus auftauchen, wobei diese Frauen sicher als menschliche Mänaden angesprochen werden können. Auch die Frauen auf den so genannten Lenäenvasen, die reale Frauen bei dionysischen Kultpraktiken zeigen [10], unterscheiden sich in ihrer Darstellungsweise nicht von den Nymphen oder mythischen Mänaden. Daraus wird geschlossen, dass aus dem Kontext entschieden werden muss, welcher Frauentyp gemeint ist.

[1] Hom. Il. 6, 132-134.
[2] Hymn. Hom. Aphr. 257 ff.; Hymn. Hom. Dion. 4-10.
[3] A. Henrichs, Der rasende Gott: Zur Psychologie des Dionysos und des Dionysischen in Mythos und Literatur, AuA 40, 1994, 31-58, 31ff.
[4] A. Schöne, Der Thiasos. Eine ikonographische Untersuchung über das Gefolge des Dionysos in der attischen Vasenmalerei des 6. und 5. Jhs. v.Chr. (1987) 19f.; S. Moraw, Die Mänade in der attischen Vasenmalerei des 6. und 5. Jh. v.Chr. Rezeptionsästhetische Analyse eines antiken Weiblichkeitsentwurfs (1998) 101ff.
[5] T.H. Carpenter, Dionysian Imagery in archaic Greek art. Its development in black-figure vase-painting (1986) 85; G. Hedreen, Silens, nymphs and maenads, JHS 114, 1994, 47-69, 47ff.
[6] J. Larson, Greek Nymphs. Myth, Cult, Lore (2001) 94f.
[7] Schöne a.o. 113.
[8] S. McNally, The maenad in early Greek art, Arethusa 11, 1978, 101-135, 120.; A. Stähli, Die Verweigerung der Lüste. Erotische Gruppen in der antiken Plastik (1999) 178.
[9] Moraw, a.o. 58f.
[10] Stähli, a.o. 186ff.; H. Killet, Zur Ikonographie der Frau auf attischen Vasen archaischer und klassischer Zeit (1994) 138ff.

© Gabriele Schmidhuber
e-mail: ariadni@gmx.at

This article should be cited like this: G. Schmidhuber, Die Nymphen - Mänaden - Problematik in der griechischen Vasenmalerei, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



HOME