Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

DAUNISCHE KIESELPFLASTERUNGEN ALS KULTURELLES PHÄNOMEN

Das Volk der Daunier, das ab dem 9./8. Jh. v.Chr. in Nordapulien fassbar ist, wurde nach dem illyrischen König Daunus benannt [1]. Ihre gut datierbare Keramik zählt zu den wichtigsten archäologischen Fundkomplexen. Von den architektonischen Hinterlassenschaften haben sich hingegen nur wenige bauliche Strukturen erhalten.
Die kunstvollen geometrischen Kieselpflasterungen (Selciati) der Daunier (Abb.) bilden ein einzigartiges kulturelles Phänomen, das bisher wissenschaftlich kaum untersucht wurde [2]. Im Rahmen eines Stipendiums des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur werden seit Oktober 2005 die daunischen Selciati mit dem Schwerpunkt in Ascoli Satriano erforscht. In diesem Zentrum der daunischen Kultur führt das Institut für Archäologien der Universität Innsbruck seit 1997 Feldforschungen durch [3]. Selciati sind aus mehreren Ortschaften des daunischen Gebietes bekannt, u.a. aus Tiati, Arpi, Troia, Herdonia, Canusium, Minervino Murge, Lavello sowie auch aus Ascoli Satriano.


Die Kieselpflasterungen weisen verschiedene Funktionsmöglichkeiten auf. Man findet sie einerseits in der Nähe von Grabstätten sowie bei Kultgebäuden, wo sie einem kultischen Zweck gedient haben könnten. Andererseits wurden die Pflasterungen auch vor Wohnhäusern errichtet, wo sie eine Art Wegpflasterung bildeten und eine profane Funktion innehatten. Selciati oberhalb von Bestattungen könnten auch für die Kennzeichnung der Grablegung gedient haben.
Die Pflasterungen weisen eine Steinlage von bis zu faustgroßen, ovalen, unbemalten Kiesel auf, die von den nahe gelegenen Flussufern aufgesammelt wurden. Die Kieselsteine verlegte man hochkant in die gestampfte Erde, wobei sich jeweils zwei Steinchen an einem Ende berühren. Dadurch entsteht die Form eines auf den Kopf gestellten "V" bzw. wird eine Art Fischgräte nachgeahmt, weshalb das Muster als "Fischgrätendekor" zu bezeichnen ist. Bisher konnte bei keinem daunischen Selciato ein Mörtelbett nachgewiesen werden, die Ränder der Pflasterung mussten jedoch eine wie immer geartete Einfassung aufgewiesen haben, um ein ständiges Abrutschen der einzelnen Steine zu verhindern.
Die äußere Form der Selciati variiert; sie können ein Rechteck bilden, die Form eines "L" nachahmen oder eine größere Fläche schmücken. Das Dekor selbst weist unterschiedliche geometrische Ornamente auf; zu den häufigsten Mustern zählen Dreiecke, Vierecke, Rhomboide, Diagonalen, Kreise sowie Spiralen.
Nach Mazzei [4] können die daunischen Bodenpflasterungen in das 4. Jh. v.Chr. zeitlich eingegrenzt werden.
Antworten auf die aufgeworfenen Fragestellungen zu den daunischen Kieselpflasterungen werden die weiteren wissenschaftlichen Forschungen erbringen.

[1] Der Kleine Pauly 1 (1979) 1399 s.v. Daunia (Gerhard Radke).
[2] C. Fiori - N. Tolis - P. Canestrini, Mosaici a ciottoli. Capolavori e declino dell'arte musiva più antica da Pella a Delos. M. Mazzei, Nota sui mosaici a ciottoli in Daunia, fra IV e III secolo a.C., in: Atti dell' 11° Convegno Nazionale sulla Preistoria - Protostoria - Storia della Daunia. (San Severo 1989) 171-191. D. Salzmann, Untersuchungen zu den antiken Kieselmosaiken (1982).
[3] A. Larcher - F. M. Müller, Scavi dell'Università di Innsbruck sul Colle Serpente ad Ascoli Satriano dal 1997 al 2002, in: Atti delle Giornate sulla Storia e l'Archeologia della Daunia, Insulae Diomedeae (2006 im Druck).
[4] M. Mazzei, Nota sui mosaici a ciottoli in Daunia, fra IV e III secolo a.C., in: Atti dell' 11° Convegno Nazionale sulla Preistoria - Protostoria - Storia della Daunia. (San Severo 1989) 171.

© Elisabeth Schemel
e-mail: Elisabeth.Schemel@student.uibk.ac.at

This article should be cited like this: E. Schemel, Daunische Kieselpflasterungen als kulturelles Phänomen, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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