Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

DAUNISCHE GRÄBERTYPOLOGIE AN HAND DER AUSGRABUNGEN IN DER GIARNERA PICCOLA, ASCOLI SATRIANO, PROV. FOGGIA, ITALIEN

Ascoli Satriano, eine kleine Stadt in Nordapulien, am südlichen Rand der Ebene von Foggia gelegen, gilt als eines der Zentren der Daunischen Kultur. Die Daunier sind wohl illyrischer Herkunft und in Ascoli Satriano bisher vom 7. bis zum 4. Jh. v.Chr. dokumentiert. Ihre Siedlungen hatten dörflichen Charakter und die Nekropolen befanden sich in direktem Umfeld der Wohnstätten.
Obwohl in den Feldern der Giarnera Piccola, welche im Gemeindegebiet von Ascoli Satriano liegen, seit jeher immer wieder Gräber ans Tageslicht gekommen sind und zahlreiche illegale Grabungsaktivitäten bis in jüngste Zeit darauf hinweisen, dass sich hier eine der größten, wenn nicht überhaupt die größte Nekropole im Umfeld von Ascoli Satriano befunden haben muss, waren außer einem Survey [1] bis zu Beginn der Forschungen des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck im Jahr 1999 keine wissenschaftlichen Ausgrabungen in diesem Gebiet durchgeführt worden. Bis 2005 konnten in sechs österreichischen Grabungskampagnen 37 gesicherte Gräber, davon 15 in unberaubtem Zustand (Abb.), gefunden werden [2].


Im Zuge meiner Dissertation sollen die angestrebten Forschungen neue Erkenntnisse über daunische Gräber bringen bezüglich der Typen der Grababdeckung, der Größe und Form der Grabgrube und deren Entwicklung vom 6./5. zum 4. Jh. v.Chr.
Dabei werden sowohl das einfache Fossagrab als auch das Erdkammergrab, die sog. Grotticella, berücksichtigt.
Die Nachbestattungen sind eine daunische Eigenart und konnten in der Giarnera Piccola durch mehrere Beispiele dokumentiert werden. Dabei werden die Skelettreste der älteren Grablegung sorgfältig in eine kleine Grube im Boden oder in eine Nische in der Wand zusammengelegt. Es scheint so, dass die Keramik der ersten Bestattung herausgenommen wurde, als der neue Leichnam mit seinen Beigaben hineingelegt worden ist. Ob dies nun tatsächlich immer der Fall war, oder ob es, wie bis jetzt in mindestens einem Grab der Giarnera Piccola beobachtet, auch anders sein kann, wird die genaue Untersuchung der Gefäße zeigen.
Das Grabinventar stellt einen Hauptteil der Forschungen dar, die nicht beraubten Gräber der Giarnera Piccola beinhalten zwischen 6 und 19 Gefäßen, vorwiegend einheimische daunische Keramik. Wichtige Fragen bezüglich der Beigaben sollen versucht werden zu beantworten, wie eventuelle Veränderungen der Gefäßtypen vom 6. zum 4. Jh. v.Chr. und die Position der Grabbeigaben: Wo liegt das Skelett, wo das Inventar?
Welche Unterschiede kann man erkennen zwischen den Beigaben der Kinder und denen der Erwachsenen bzw. welche Objekte sind tatsächlich geschlechterspezifisch?
Können Trachtenbestandteile, deren Position zum Zeitpunkt des Auffindens sehr gut dokumentiert worden ist, eventuelle Hinweise liefern auf die Kleidung des Toten?
In der Nekropole der Giarnera Piccola sind bis dato fast nur einheimische daunische Gefäße als Beigaben zu finden, lässt diese Tatsache einen Schluss auf die soziale Struktur der Bewohner zu?
Forschungsziel soll sein, aus den Gräbern der Giarnera Piccola, welche vorwiegend ins 5. und 4. Jh. v.Chr. zu datieren sind, eine bessere Kenntnis über die daunische Nekropole an sich und die einzelnen Gräbertypen zu gewinnen und durch intensive Vergleiche mit allen anderen Fundplätzen dieser Kultur eine Gräbertypologie für den gesamten daunischen Kulturraum versuchen zu erstellen.

[1] Zwei Prospektionskampagnen der Universität Bologna in den Jahren 1990/1991 unter der Leitung von G.Gualandi und E. Antonacci Sampaolo.
[2] A. Larcher, Österreichische Ausgrabungen in Daunien: Ascoli Satriano, Provinz Foggia, Römische Historische Mitteilungen (RHM) 43, 2001, 145-177.

© Julia Rückl
e-mail: julia_rueckl@chello.at

This article should be cited like this: J. Rückl, Daunische Gräbertypologie an Hand der Ausgrabungen in der Giarnera Piccola, Ascoli Satriano, Prov. Foggia, Italien, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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