Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

DIE AKROPOLIS VON ÄGINA ZUR ZEIT DER PERGAMENISCHEN HERRSCHAFT

Die Insel Ägina, die Attalos I. 210 v.Chr. um 30 Talente vom Ätolischen Bund erwarb, blieb bis 133 v.Chr., als das pergamenische Reich an Rom vererbt wurde, im Besitz der Attaliden. Literarische Quellen bezeugen wiederholte Aufenthalte der pergamenischen Könige auf der Insel, das Amt eines pergamenischen Gouverneurs sowie eine auf Ägina stationierte Garnison. Von einer Bautätigkeit der Attaliden auf der Insel war bislang aber nur wenig bekannt.
Mit der Wiederaufnahme der Grabungen und der begleitenden Bauforschung auf Ägina-Kolonna durch den Fachbereich Altertumswissenschaften/Klassische und Frühägäische Archäologie der Universität Salzburg im Jahr 1993 unter der Leitung von F. Felten und St. Hiller konnte inzwischen auch der Nachweis umfangreicher baulicher Aktivitäten der Pergamener auf Kap Kolonna erbracht werden. Entgegen früherer Einschätzungen erweist sich die Zeit der pergamenischen Herrschaft mit den zugewiesenen Baueinheiten heute als ein bedeutendes Kapitel innerhalb der gesamten Architekturgeschichte von Ägina-Kolonna.
Durch seine geologische Beschaffenheit formt das Kap naturbedingt ein geschütztes Areal. Unter den Attaliden wurde es mittels umfangreicher fortifikatorischer Maßnahmen noch weiter zu einer Festung ausgebaut. Das fortifikatorische Gesamtkonzept auf Kolonna lässt eine überlegte Befestigungstechnik erkennen. Flankierende Mauerabschnitte und zwei Türme befinden sich an den exponierten Stellen.
Die Akropolis auf Kap Kolonna, die seit archaischer Zeit das Zentrum der religiösen und historischen Repräsentation der Polis Ägina war, wurde in die Festung integriert und von den Attaliden auch als Mittel zur Selbstdarstellung ihrer Dynastie genutzt. Der monarchischen Repräsentation kann ein kleiner, von einer eigenen Temenosmauer eingefasster Bezirk mit zwei Naiskoi und einer Tholos westlich des spätarchaischen Apollon-Tempels zugeordnet werden, für den eine Identifizierung als das inschriftlich überlieferte Attaleion und damit als Temenos für den Herrscherkult nahe liegt.


Das auf Kap Kolonna realisierte Bauprogramm der pergamenischen Könige, das fortifikatorische, sakrale und ebenso versorgungstechnische Aspekte umfasste, zeugt von einem gesteigerten Schutz- und Repräsentationsbedürfnis. Es kann nur im Zusammenhang mit der Annektion des Kaps als neuer befestigter Stützpunkt sowie als die literarisch überlieferte Winterresidenz angesehen werden. Die Lokalisierung der Residenz auf dem Kap lässt sich aufgrund der Gesamtkonzeption der Anlage vermuten, welche die wichtigsten Heiligtümer und die Befestigung in sich vereinte. Diese auf Anlageprinzipien beruhende Interpretation wird inzwischen auch durch zahlreiche hochhellenistische Architekturglieder aus dem Bereich des Kaps unterstützt, die der repräsentativen Ausstattung einer gehobenen Wohnarchitektur zugeordnet werden können. Darunter befinden sich mehrere Stützen von Fensteröffnungen in Form doppelter ionischer Halbsäulenpfeiler (Abb.), ein zugehöriges Kapitell und Teile des Fenstersturzes.
Die Architekturglieder werden derzeit vom Verf. im Rahmen eines vom FWF geförderten Forschungsprojektes unter der Leitung von Prof. Dr. Claus Reinholdt untersucht. Die Arbeiten tragen dazu bei, den Kenntnisstand über die pergamenischen Bauaktivitäten auf Kap Kolonna noch weiter zu bereichern und zu differenzieren.

© Eduard Pollhammer
e-mail: eduard.pollhammer@sbg.ac.at

This article should be cited like this: E. Pollhammer, Die Akropolis von Ägina zur Zeit der pergamenischen Herrschaft, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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