Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

WERKSTATT UND MUSTER.
Überlegungen zu Steinmetzbetrieben in Rom und Kleinasien

Seit Beginn der Auseinandersetzung mit Bauornamentik steht auch die Frage nach Werkstattzusammenhängen im Blickpunkt der Forschung. In Rom selbst bietet dabei die große Zahl gut erhaltener und weitgehend erforschter Monumente eine umfassende Basis dafür. Spätestens seit der flavischen Epoche mit ihrer enormen Bautätigkeit lassen sich Übereinstimmungen in der Ornamentik gerade öffentlicher Bauten feststellen. Für die Kapitelle läßt sich gar ein Grundmuster rekonstruieren, das zusammen mit einem weiteren aus traianischer Zeit die ganze Kaiserzeit über verbindlich bleiben wird. Gerade durch die Nähe der Bauaufträge zum Kaiserhaus und den praktisch ununterbrochenen Bedarf an Handwerkern und Architekten wurde für Rom überzeugend ein stehender Stab an Handwerkern und Werkstätten postuliert.
Vielschichtiger stellt sich die Suche nach Werkstätten in Kleinasien dar. Die zunächst vermutete 'ephesisch-pergamenische Bauhütte', ein Betrieb, der besonders zu Beginn des 2. Jhs. n.Chr. viele der größeren Bauaufträge umgesetzt hätte, ist bei heutigem Forschungsstand nicht mehr wahrscheinlich zu machen. Zu eigenständig sind die Detailformen in den zahlreichen Zentren Kleinasiens, zu groß die Vielfalt der Formen. Eher sind kleine, kurzlebige Betriebe zu erwarten; dabei sind aber sowohl Muster als auch Handwerker nicht an Betriebe und Orte gebunden.


Besonders im 2. und 3. Jh. n.Chr. treten in Rom zahllose kleinasiatische Kapitelle auf. Meist fehlen der primäre Bauzusammenhang und damit auch die zugehörigen Gebälke. Nach wie vor wird diskutiert, ob diese Werkstücke auf italischem Boden von kleinasiatischen Handwerkern/Werkstätten gefertigt oder als fertige Bauteile aus dem Osten importiert worden sind. Für letztere Theorie sprechen mehrere Faktoren: zum einen ein unfertiges Kapitell aus aurusinischem Kalkstein in den Steinbrücken von Prokonnesos, das nur als Mustervorlage gedient haben kann; zum anderen die Tatsache, daß fast ausnahmslos alle Kapitelle kleinasiatischen Typs auch aus kleinasiatischem Marmor gefertigt sind und nicht aus dem einheimischen, verfügbaren lunensischen; weiters, daß es auf italischem Boden keine halb- oder unfertigen Kapitelle östlichen Typs gibt.
Irritierend sind hier teilweise auch die in der Literatur für diese Bauteile vorgeschlagenen Datierungen, die oftmals ein Jahrhundert später angesetzt werden als gleichartige auf kleinasiatischem Boden. Mit der heute dichteren Publikationslage ist hier jedenfalls eine genauere Einordnung möglich, auf deren Grundlage dann auch weiterreichende Ergebnisse zur angerissenen Fragestellung möglich sein sollten.

© Georg A. Plattner
e-mail: info.as@khm.at

This article should be cited like this: G.A. Plattner, Werkstatt und Muster. Überlegungen zu Steinmetzbetrieben in Rom und Kleinasien, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



HOME