Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

DIE RÖMISCHEN STEINDENKMÄLER VON CARNUNTUM
Neue Forschungen zu den Götter- und Weihedenkmälern der oberpannonischen Provinzhauptstadt

Seit April 2005 läuft am Institut für Kulturgeschichte der Antike der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit Finanzierung des FWF und des Landes NÖ ein Forschungsprojekt zu den Steindenkmälern Carnuntums.
Seit Erscheinen der drei CSIR-Bände (Corpus signorum Imperii Romani - Corpus der Skulpturen der römischen Welt) zu Carnuntum (1967-1972), die zusammen mit den epigraphischen Sammelwerken und Museumskatalogen die derzeitige Forschungsgrundlage bilden, haben sich die wissenschaftlichen Fragestellungen weiterentwickelt und die existierenden Bestandsaufnahmen werden den Anforderungen nicht in allen Aspekten gerecht.
Für Carnuntum gilt, dass der weitaus größte Teil des Denkmälerbestandes derzeit nicht öffentlich zugänglich ist, dass in den älteren Publikationen die Steinfunde häufig nicht abgebildet sind, und Beschreibungen fehlen, welche Auskunft geben können über die Aufstellung und Verwendung der Denkmäler.
Andererseits steht außer Frage, dass die Steindenkmäler - besonders die Inschriftsteine - zu den wichtigsten historischen Quellen für die Römerzeit in unserem Raum gehören.
Es besteht also derzeit eine große Diskrepanz zwischen der Aussagekraft dieser Monumente einerseits und ihrer Anschaulichkeit bzw. wissenschaftlichen Verwendbarkeit andererseits. Daher ist es umso wichtiger, dass die Bestände Eingang finden in zeitgemäße Corpuswerke und elektronische Datenbanken, die bis zu einem gewissen Grad die eigene Anschauung ersetzen können.

Mit dem neu geschaffenen Archäologischen Zentraldepot des Landes NÖ in Hainburg steht erstmals eine geeignete Fläche für die Restaurierung, wissenschaftliche Bearbeitung, Lagerung und Präsentation des umfangreichen Denkmälerbestandes zur Verfügung.
Zunächst werden die Götter- und Weihedenkmäler mit Fundort Carnuntum erfasst und soweit wie möglich ihrem ursprünglichen Fundkontext wieder zugeordnet. Durch die Auswertung erwarten wir neue Ergebnisse unter anderem zur Religionsgeschichte, zur Chronologie und stilistischen Entwicklung der Steindenkmäler, zur Siedlungsgeschichte und zur Gesellschaft des römischen Carnuntum. Gerade auf dem Gebiet der Kultdenkmäler sind in den letzten Jahrzehnten durch die Ausgrabungen in den Tempelbezirken auf dem Pfaffenberg und auf den Mühläckern in Carnuntum neue Forschungsergebnisse erzielt worden, vor deren Hintergrund eine Neubewertung des Denkmälerbestandes im kulturhistorischen Kontext erfolgen soll.


Die Palette der Kult- und Weihedenkmäler aus Stein reicht von den kleinen Hausaltärchen und unscheinbaren Weihealtären (ca. 40% der bisher aufgenommenen Denkmäler) bis hin zu den Paradestücken des Museums Carnuntinum. Sie umfasst unter anderem halb- oder rundplastisch ausgeführte Statuetten (ca. 25%), Statuen (ca. 3%), Postamente (ca. 3%) und Reliefs unterschiedlicher funktioneller Bestimmung (ca. 18%). Ungefähr zwei Drittel der Monumente sind gleichzeitig Schriftträger und werden in Zusammenarbeit mit Epigraphikern (CIL - Corpus Inscriptionum Latinarum für Pannonien) ausgewertet.

Wenn auch die Aufdeckung eines einzigen Fundplatzes das Verteilungsspektrum der vorhandenen Kulte grundlegend verändern kann, so ergibt der Überblick über die Gesamtheit der Denkmäler doch ein aussagekräftiges Bild. Sehr zahlreich sind in Carnuntum die Weihungen an Jupiter in seinen verschiedenen Erscheinungsformen und an Silvanus. Aber auch die Kulte der sog. orientalischen Gottheiten sind auffallend stark vertreten. Beispielsweise finden wir in Carnuntum sowohl für den Mithras- als auch für den Jupiter Dolichenuskult Denkmäler, die zu den frühesten bekannten in den westlichen Provinzen gehören. Die Gewichtung dieser Erscheinungen, aber auch die zeitliche, räumliche und gesellschaftliche Verteilung der weniger häufig bezeugten Kulte in Carnuntum gehören zu den Themen, die wir im Zuge des vorliegenden Projektes behandeln wollen.

© Gabrielle Kremer
e-mail: gabrielle.kremer@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: G. Kremer, Die römischen Steindenkmäler von Carnuntum. Neue Forschungen zu den Götter- und Weihedenkmälern der oberpannonischen Provinzhauptstadt, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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