Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

ANTON ROSCHMANNS INSCRIPTIONES

Anton Roschmann, in Tirol vor allem als Historiker und Altertumskundler bekannt, verfasste im Jahre 1756 als Ergebnis jahrzehntelanger Vorarbeiten ein nach topographischen Gesichtspunkten geordnetes Corpus sämtlicher damals bekannter Altertümer im Alttiroler Raum, die so genannten Inscriptiones et alia diversi generis Romana per omnem Tirolim monumenta ("Inschriften und andere verschiedenartige römische Denkmäler in ganz Tirol").
Dieses Werk, das bereits damals für die Veröffentlichung vorgesehen war, wurde erstmals durch den Verf. dieser Zeilen im Rahmen seiner Dissertation vollständig herausgegeben und übersetzt. Als Grundlage diente in erster Linie die Handschrift "F" der Ferdinandeums-Bibliothek, die als "Reinschrift" des Autors letzte Gültigkeit beanspruchen kann. Außerdem wurden zum Vergleich die Abbildungen der Handschrift "U" der Universitätsbibliothek Innsbruck herangezogen, die als "Urschrift" zum Teil höhere Authentizität beanspruchen kann.
Im Zentrum der Untersuchung des Verf. stand die Frage, wie Roschmann Altertumskunde verstand, d. h. welche Objekte er dokumentierte bzw. interpretierte. Am wichtigsten war für Roschmann die Autopsie, d. h. er versuchte möglichst viele Objekte selbst in Augenschein zu nehmen (oft mehrmals), zeichnerisch zu dokumentieren und Informationen über Maße und Material sowie über Fundumstände und Fundgeschichte zusammenzutragen. Roschmann folgte dabei allerdings nicht konsequent einem bestimmten Schema. An die Funddokumentation schließt sich eine kulturgeschichtliche Interpretation an. Schlussendlich stellt Roschmann auch Überlegungen zu Konservierung bzw. musealer Präsentation an.
Exemplarisch sollen hier drei Objekte näher vorgestellt werden:
1. Die Inschrift für den Gott CAVAVIVS (?; CIL V, 5057): dieses Objekt wurde Roschmann durch seinen Kollegen und Freund Joseph Spergs mitgeteilt; es befand sich seinerzeit im Friedhof von Romeno (Nonsberg) und wird heute in der Kirche ebendort aufbewahrt. Von besonderem Interesse ist die detaillierte Zeichnung Roschmanns, die nicht nur die exakte Form der Buchstaben (z. B. ein lambdaförmiges L), sondern auch Worttrenner und andere Details wiedergibt. Roschmann selbst schlug als Deutung für die Buchstabenkombination CAVAV "Cauti Augusto" vor, die insofern eine gewisse Wahrscheinlichkeit beanspruchen kann, als auch andere Abkürzungen auf der Inschrift durchaus unkonventionell sind (z. B. VO für VOTO).
2. Das römische Grab von Tscherms: Dieses in der jüngeren Forschungsgeschichte nur wenig behandelte Objekt ist durch die Tatsache bemerkenswert, dass Roschmann hier auf einen detaillierten Fundbericht (ursprünglich deutsch) zurückgreifen konnte, der genaue Angaben über die Lage, die einzelnen Objekte (Urne, diverse Fläschchen, eine bulla aurea) sowie deren Erhaltungszustand beinhaltet (z. B. wird der irisierende Überzug der Glasobjekte erwähnt). Zudem konnte Roschmann die Objekte später selbst in Innsbruck einsehen und zeichnen (Abb.) sowie interessante Beobachtungen am Leichenbrand machen.


3. Der Meilenstein des Septimius Severus von Innsbruck-Pradl (bis 1999 in der Wiesengasse; so genannter "Rixenstein"): Dabei handelt es sich um ein von Roschmann aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes als "unbeschrifteten" Meilenstein bezeichnetes Objekt. Bemerkenswert ist hier, dass Roschmann auch die mittelalterlichen urkundlichen Erwähnungen dieses Steins anführt, somit ansatzweise Forschungsgeschichte schreibt. - Ganz allgemein erkannte Roschmann die große Bedeutung der Meilensteine für die Erforschung der Römerstraßen im Besonderen und der antiken Topographie im Allgemeinen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Roschmann als einer der ersten nicht nur den immateriellen Wert der Altertümer erkannte, sondern diese auch in einen größeren kulturhistorischen und geistesgeschichtlichen Zusammenhang stellte. In der gründlichen Kenntnis des Altertums sah er die Basis für die Beschäftigung mit Geschichte überhaupt.

© Michael Huber
e-mail: huber@sachsenbrunn.at

This article should be cited like this: M. Huber, Anton Roschmanns Inscriptiones, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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