Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

FUNDE IN ARCHIVEN - WAS IN DER (STEIRISCHEN) ARCHÄOLOGIE ALLES LÄNGST BEKANNT SEIN KÖNNTE

Das Referat wollte zu einer verstärkten Beschäftigung mit "alten" Unterlagen anregen, wie sie sich in (Landes-) Museen, Instituten, (Gemeinde-, Landes- und Staats-) Archiven - und oft auch an Orten, wo man sie nicht vermutet - finden. Die Beispiele wurden aus der Steiermark genommen, lassen sich aber mit Sicherheit auch aus jedem anderen Land beibringen. Alle Beispiele hier anzuführen, würde den Rahmen sprengen und auch von der eigentlichen Intention ablenken: eine "Grundlagenforschung" anhand der "alten" Unterlagen neu zu beginnen, die allgemein ab dem 19. Jahrhundert in ausreichender Menge und ausreichender Präzision vorhanden und erhalten sind.
Diese Unterlagen sind schriftliche Quellen, vielfach aber auch grafische, die sich oft durch hohe Qualität und Detailgetreue auszeichnen. Wie alle Quellen bedürfen auch sie einer Quellenkritik, die u. a. die Seh- und Darstellungsgewohnheiten, die Ausdrucksweisen und den Forschungsstand der Zeit zu berücksichtigen hat.
Einige dieser Unterlagen haben überhaupt nie Eingang in die Sekundärliteratur gefunden [1], andere wurden in zusammenfassenden Arbeiten berücksichtigt, die ihrerseits immer wieder zitiert wurden, ohne dass die wesentlich ausführlicheren Primärquellen je wieder herangezogen worden wären. Ein typischer Fall sind die in der Steiermark häufigen Berichte über Auffindung und Ergrabung von (prähistorischen und provinzialrömischen) Grabhügeln, die in den 70er und 80er Jahren des 19. Jhs. auch in Sammelarbeiten [2] in Form kurzer Regesten verwertet wurden. Daraus stammen, manchmal mit Missverständnissen und oft ohne konkrete Aussage, die Informationen in den Standardwerken [3] des späteren 20. Jhs., die ihrerseits wieder als fast ausschließliche Grundlagen der späteren Forschung dienten; die Primärquellen scheinen in vielen Fällen nie mehr herangezogen worden zu sein.
Neben dem Nutzen für die archäologische Landesaufnahme und die Forschungsgeschichte sind "alte" Unterlagen aber auch wesentliche Quellen für inzwischen längst Verlorenes und für die (provinzialrömische) Kunst. In der weststeirischen Villa von Grünau bei Groß St. Florian etwa gab es, eine Seltenheit im südostnorischen Raum, Mosaike, wie man aus einer knappen publizierten Notiz weiß [4]. Eine bislang unbekannte und unveröffentlichte akkurate Zeichnung des "Landesarchäologen" Carl Haas [5] im Landesmuseum Joanneum überliefert eines dieser Mosaiken (Abb.). Heute sind in der bepflügten Villa [6] nur mehr verstreute tesserae zu finden, die Bodenzonen längst zerstört.

[1] Etwa Werner TSCHERNE - Bernhard HEBERT, Die Anfänge archäologischer Forschung in der Weststeiermark. 1. Teil: Briefe von Wenzel Radimský an Dr. Johannes Dworschak, Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 85, 1994, 345 - 356. B. Hebert, Die Anfänge archäologischer Forschung in der Weststeiermark. 2. Teil: Berichte, Briefe und Notizen von Dr. Johannes Dworschak, Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark, im Druck.
[2] Etwa: Fritz PICHLER, Text zur archaeologischen Karte von Steiermark, 1879. - Johannes DWORSCHAK, Die Gedächtnishügel des Laßnitzthales in Steiermark, Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 14, 1884, [24 f.]. - Fritz PICHLER, Ein neues Grabungsgebiet, Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 17, 1887, [73 ff.].
[3] Zuletzt v. a.: Diether KRAMER, Vom Neolithikum bis zur römischen Kaiserzeit, Diss. Salzburg 1981. - Otto URBAN, Das Gräberfeld von Kapfenstein und die römischen Hügelgräber in Österreich, Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 35, 1984.
[4] "Nicht ferne von der Laßnitz und dem Markte selbst hat man im Jahre 1843 alte Mauertrümmer, Spuren von einem Mosaikboden ausgegraben und eine schöngearbeitete Hand einer steinernen Statue gefunden." Albert von MUCHAR, Geschichte des Herzogthums Steiermark, Erster Theil, 1844, 378.
[5] Carl Haas fungierte vom 14. Oktober 1855 bis 1. April 1862 als steirischer "Landesarchäologe". Die in den Akten mehrfach genannte Bezeichnung "archäologischer Bereisungskommissär" kommt seiner wahren Tätigkeit wohl am nächsten. Zur Biographie von Haas vgl. Walter SEMETKOWSKI, Denkmalpflege in der Steiermark, Die Steiermark - Land, Leute, Leistung, 1956, 195 f.
[6] Erwin POCHMARSKI, 13 Jahre Ausgrabungen in der römischen Villa von Grünau (Groß St. Florian), Schild von Steier 18/2005, 79-91, vgl. bes. 88.

© Bernhard Hebert
e-mail: steiermark@bda.at

This article should be cited like this: B. Hebert, Funde in Archiven - was in der (steirischen) Archäologie alles längst bekannt sein könnte, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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