Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

EINIGE ÜBERLEGUNGEN ZUR SOG. BASIS VON SORRENT

Bei der sogenannten "Basis von Sorrent" (bzw. ‚Base di Augusto') handelt es sich um einen spätaugusteischen Statuensockel, der von G. E. Rizzo (Bulletino Communale 60, 1932, 77-109) in den 1930er Jahren publiziert wurde. Das Original ist im Museo Correale di Terranova a Sorrento zu sehen, ein Abguß befindet sich im Museo della Civiltà Romana in Rom. Die einzelnen Platten bestehen aus Lunensischem Marmor, die gesamte Basis kann mit ca. 2 x 1 m rekonstruiert werden.
Die Frontseite ist von einer Szene aus dem Vestakult eingenommen: Die Göttin thront rechts, flankiert von zwei bisher nicht eindeutig zugewiesenen Figuren; fünf Vestalinnen schreiten auf sie zu. In der Mitte wird Augustus als Pontifex Maximus angenommen. Im Hintergrund ist links eine Porticus und rechts ein Rundtempel mit Palladium in seinem Inneren zu erkennen. Diese Architekturangaben legen eine Lokalisierung der Szene auf dem Palatin nahe; das Kultgebäude ist jenes bereits seit längerem angenommene Heiligtum der Vesta, welches 12 v.Chr. von Augustus in einem Bereich seines Wohnhauses geweiht wurde. Schon 1995 hat Claudia Cecamore (BullComm 96, 1994-95, 9-32) einen auf dem Palatin ergrabenen runden Grundriß dahingehend interpretiert.


Die beiden Schmalseiten der Basis von Sorrent zeigen ebenfalls Szenen, die mit dem Haus des Augustus auf dem Palatin in Zusammenhang stehen: Auf der rechten Seite sind Apoll, Latona und Diana zu sehen, im Vordergrund kauert Sibylle. Es sind dies die drei spätklassischen Statuen, welche Augustus für den von ihm 36 v.Chr. bei Naulochos gelobten Apoll Palatinus Tempel importieren ließ, sowie ein bildlicher Hinweis auf die sibyllinischen Bücher, die vom Juppiter Capitolinus-Tempel in das Heiligtum des Apoll Palatinus transferiert worden waren. Der Tempel stand in direktem baulichen Zusammenhang zum Privathaus des Augustus. (so etwa H. Knell, Bauprogramme römischer Kaiser [2004] 52-57). Die linke Schmalseite der Basis von Sorrent zeigt Romulus mit Mars und einer Putte direkt vor dem mit einer corona civica geschmückten Portal des Augustus-Hauses, hier ist wohl das auf dem Palatin-Abhang befindliche Lupercal gemeint.
Auch die Rückseite - sie ist leider nur zu einem Drittel erhalten - bezieht sich direkt auf den Palatin: es handelt sich um eine Szene aus dem Kult der Kybele/Magna Mater. Die orientalische Muttergöttin ist thronend und von einem Löwen flankiert zu sehen, neben ihr tanzt ein Korybant. Ganz links ist eine weibliche Figur dargestellt, die in der Forschung bisher kaum Beachtung fand. Cecamore (RM 111, 2004, 105-140) nimmt Pudicitia als Personifikation der weiblichen Keuschheit an. Dieser Kult gewann neben anderen in augusteischer Zeit an Bedeutung und würde auf der Basis von Sorrent auch eine "Entschärfung" des extatischen Kybele-Kultes darstellen. Kann es sich aber auch um Livia handeln? Wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Jahr 204 v.Chr. die Vestalin Quinta Claudia auf wundersame Weise das Kultbild der Göttin Kybele von Ostia nach Rom brachte und daß Livia wie Quinta Claudia aus der Gens Claudia entstammte, so ist eine Interpretation als Livia wahrscheinlich. Kleidung und Gestus entsprechen durchaus den gängigen Motiven (so etwa A. Alexandridis, Die Frauen des römischen Kaiserhauses [2004] passim). Wir sollten auch nicht vergessen, daß neben Augustus auch Livia auf dem Palatin in guter Nachbarschaft zu den auf der Basis von Sorrent abgebildeten Kulten wohnte.

© Marion Großmann
e-mail: marion_gr@hotmail.com

This article should be cited like this: M. Großmann, Einige Überlegungen zur sog. Basis von Sorrent, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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