Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 39 / VI / 2006

DIE STADTMAUER VON AGUNTUM

Die Stadtmauer ist bislang auf einer Länge von ca.350m an der Ostseite der antiken Stadt untersucht worden, wobei der nördliche Abschnitt der Mauer lediglich durch Sondagen bekannt ist. Diese wurden in den 30-iger Jahren des 20.Jh. von E. Swoboda durchgeführt. Der südliche Teil der Mauer konnte von F. Miltner in den 50-iger Jahren vor allem ostseitig durchlaufend vollständig freigelegt werden.
Es handelt sich um eine Schalenmauer mit massivem Fundamentsockel, wobei innerhalb des Zwischenraums der beiden Schalenmauern in regelmäßigen Abständen Quermauern eingefügt sind. Diese dürften wohl eine statische Funktion erfüllt haben, da der Druck, den die Verfüllung auf die Schalenmauern ausübt, durch die Quermauern besser verteilt wird.
Die bislang bekannten Toranlagen gehören nicht alle zur ersten Phase der Stadtmauer. Im ursprünglichen Bauplan vorgesehen waren lediglich zwei einfache Durchlässe, ohne flankierende Türme (s. Abb.). Vorgegeben durch den antiken Straßenverlauf ist zumindest ein weiteres Tor im nördlichen Abschnitt der Stadtmauer anzunehmen. Daneben erfolgte in etwas späterer Zeit der Einbau zweier weiterer Tore und eines der ursprünglichen Tore erhielt eine zweibahnige, überwölbte Durchfahrt mit flankierenden Türmen (s. Abb.). Somit ergibt sich das Bild einer Stadtbefestigung mit mehreren Toren auf engstem Raum, die zum Teil später eingefügt und umgebaut wurden.


Im Süden konnte bei einer weiteren Abmauerung der Stadtmauerzüge keine Fortsetzung mehr festgestellt werden, wobei der Ausgräber F. Miltner allerdings nur vom vorläufigen Ende der Mauer spricht und nicht mit letzter Sicherheit davon auszugehen ist, dass sich diese wirklich in keine Richtung mehr fortsetzt. Dem gegenüber ist das Nordende der Mauer gänzlich unklar, da dieser Bereich stark von nachantiken Murenabgängen beschädigt wurde und sich nach den Angaben des Ausgräbers (in diesem Fall E. Swoboda) die Mauer im Murenmaterial verliert.
Eine umstrittene Forschungsfrage ist seit den 30-iger Jahren die Datierung des Mauerbaus. Betrachtet man die sehr unterschiedliche Orientierung der bisher bekannten Gebäude Aguntums, scheint diese eine Möglichkeit zu liefern, eine relativchronologische Einteilung zu treffen. So sind die Gebäude in der Regel nach dem unregelmäßigen Straßennetz der Stadt orientiert, lediglich die direkt an der Stadtmauer befindlichen Räumlichkeiten liegen rechtwinklig zu dieser und können erst nach Errichtung der Stadtmauer an diese angesetzt worden sein. Soweit dies aus den Aufzeichnungen der Altgrabungen rekonstruierbar ist, sind einige dieser Bauten bereits im 2.Jh. n.Chr. in Benutzung, was einen terminus ante quem für die Errichtung der Stadtmauer liefert (s. Abb.).
Ähnlich ist die Situation bei zwei vor dem Osttor gelegenen Gebäuden, die im Jahr 1994 erforscht wurden (s. Abb.). Das südliche Gebäude wurde bereits in den 30-iger Jahren erstmals ausgegraben und im Zuge dessen wohl falsch rekonstruiert. Für die Datierungsfrage ist vor allem das nördliche Gebäude von Interesse. Durch seine parallele Lage zur Mauer ist davon auszugehen, dass der Bau erst nach Errichtung der Stadtmauer erfolgte. Es konnten vier Räume, darunter vor allem der mittels Hypokaustum beheizbare südliche Raum und sein nördlich anschließendes Präfurnium näher untersucht werden. Die stratifizierbaren Funde weisen auf eine Erbauung des Gebäudes etwa zu Beginn des 2.Jh. n.Chr. und die Benützung im selben Jahrhundert hin.
Insgesamt ergibt sich für die Datierung der Stadtmauer sowohl aus den Altgrabungen als auch aus den Grabungen 1994, dass diese zu Beginn des 2.Jh. n.Chr. bereits bestanden haben muss, und somit der Baubeginn noch ins 1.Jh. n.Chr. fällt. Vom rechtlichen Standpunkt ist der Bau ab der Erhebung Aguntums zum Municipium unter Claudius möglich und es wird wohl auch bald darauf mit den Arbeiten begonnen worden sein.
So konnte die Erbauungszeit für die Aguntiner Stadtmauer auf die 2.Hälfte des 1.Jh.n.Chr. eingeschränkt werden, wobei die funktionalen Hintergründe des Mauerbaus vorerst noch verborgen bleiben. Hier können nur neuerliche Grabungen an der Stadtmauer eine Klärung bringen.

© Martin Auer
e-mail: MartinAuer3@gmx.at

This article should be cited like this: M. Auer, Die Stadtmauer von Aguntum, Forum Archaeologiae 39/VI/2006 (http://farch.net).



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