Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 35 / VI / 2005

ZUM VERHÄLTNIS VON PERGAMON UND ROM IM SPIEGEL DER MÜNZPRÄGUNG
Abstract

Pergamon prägte, mit Unterbrechungen, von augusteischer Zeit bis unter Gallienus städtische Bronzemünzen. Die chronologische Entwicklung der Münzthemen läßt sich in drei Phasen unterteilen. Von augusteischer bis in neronische Zeit blieben die Bilder auf die Übernahme kaiserlicher Nachfolgepropaganda von der Reichsprägung und die Wiedergabe des ersten Kaiserkulttempels für die Griechen in der Provinz Asia beschränkt. Ab 59 n.Chr. kam es zu einer Prägeunterbrechung. Die unter Domitian wiedereinsetzende Münzprägung wurde nun genutzt, um Götter und Kulte, Heroen und Personifikationen, Architekturen und Skulpturen, sowie Festspiele und Stadttitel darzustellen. Von Domitian bis Caracalla führte man eine Vielzahl von Bildthemen neu in Pergamon ein, die geeignet schienen, die Stadt sowohl ihren Bewohnern als auch nach außen zu präsentieren. Nach Caracalla gab es keine neuen Bildthemen mehr. Die bisherige Vielfalt der Ikonographien wurde auf wenige Bildtypen reduziert. Gegenüber den Bildern begannen die Münzlegenden, einen größeren Raum einzunehmen. Die Stadttitulatur wurde zu einem wichtigen Mittel kommunaler Selbstdarstellung. Unter Gallienus beendete man aus wirtschaftlichen Gründen die Münzherstellung.
In einer genaueren Untersuchung der Ikonographie lassen sich verschiedene Themenbereiche unterscheiden: Die Pergamener gaben die kaiserliche Nachfolgepropaganda auf ihren Münzen weiter, wie sie auch durch die Reichsprägungen verbreitet wurde. Im Unterschied zu dieser hob die Charakterisierung des Kaisers in Pergamon nur dessen Virtus und Sieghaftigkeit als Feldherr hervor, andere Themen wie Clementia, Iustitia oder Munificentia fehlten dagegen. Einen zweiten Komplex von Kaiserdarstellungen bildet die göttliche Verehrung der Kaiser durch die Pergamener und die Darstellung der drei Neokorietempel von Augustus/Roma, Trajan/Zeus Philios und Caracalla/Asklepios.
Die Münzen seit domitianischer Zeit erlauben Rückschlüsse auf die pergamenischen Kulte. Asklepios löst seit domitianischer Zeit die alten Stadtgötter Athena und Zeus als führende Stadtgottheiten auf den Münzen ab. Die Bilder mit Asklepios und seinem Umkreis dominieren die Götterikonographie. Wichtige Stadtgötter sind neben diesen drei Gottheiten Dionysos und Demeter. Weitere Götter, nur auf wenigen Münztypen vertreten, sind Kybele, Sarapis, Hermes, die Kabiren und die Halbfigur eines jungen Mannes, der vermutlich eine uns unbekannte Lokalgottheit ist.
Auf die altehrwürdige Abstammung der Pergamener weisen Münzen mit den Heroen Pergamos, Eurypylos, Telephos und Herakles hin. Darstellungen der Tyche und der Flußgötter Kaikos, Selinos und Ketios preisen die Fruchtbarkeit und den Wohlstand Pergamons. Festspiele in Verbindung mit dem Kaiserkult, die einen Teil der Attraktivität der Städte ausmachten, werden aufgeführt. Einige Münztypen mit Sakralbauten und Skulpturen, wie die Genredarstellung eines Satyrn, der einen kleinen Satyriskos mit seinem Fuß wippt, zeigen die Schönheiten, mit denen sich die Stadt schmückte.
Auf den Münzen definierte die Stadt ihr Selbstverständnis auch in Auseinandersetzung mit anderen kleinasiatischen Städten. Auf Homonoiamünzen und vermittels der Münzlegenden suchte man sich über andere Städte zu erheben. Über die verbale Verdeutlichung in den Legenden hinaus läßt sich zeigen, daß eine Reihe von Münzbildern als Reaktion auf Bilder geprägt wurden, die andere Städte geschaffen hatten (z.B. die drei Neokorietempel in Smyrna auf einer Münze, die einen pergamenischen Münztypus nachahmten). Die Münzbilder selbst dienten somit auch als kommunikatives Medium im Umgang der kleinasiatischen Städte miteinander.


Entscheidenden Einfluß auf die Münzikonographie nahmen die städtischen Honoratioren (Abb.). Gelegentlich finanzierten sie Emissionen, deren Bildthemen sie beeinflußten. Als Ratsmitglieder oder Magistrate gehörten sie den Gremien an, die Münzbilder in Auftrag gaben. Die Angehörigen der pergamenischen Oberschicht waren äußerst mobil. Ihr Besitz war weit gestreut, ihre administrativen und politischen Interessen führten sie nach Rom und an andere Orte des Imperium Romanum. Ihrem ausgeprägten Polispatriotismus ist vor allem die einzigartige Schöpfung einer vielfältigen Bilderwelt auf den Münzen zu verdanken. Verständlich wird diese vor dem Hintergrund der engen Verflechtungen mit anderen Städten des Conventus Iuridici von Pergamon, den anderen großen Städten der Provinz Asia und nicht zuletzt Rom als genau beobachtetes Zentrum der Macht selbst.

Literatur: H. von Fritze, Die Münzen von Pergamon, AbhBerlin 1910; B. Weisser, Die kaiserzeitliche Münzprägung von Pergamon (Diss. Phil. München, microfiche 1995); ders., Pergamum as paradigm, in: Chr. Howgego u.a.(Hrsg.), Coinage and Identity in the Roman Provinces (2005) 135-142, Taf. 11.1–4.

© Bernhard Weisser
e-mail: b.weisser@smb.spk-berlin.de

This article should be cited like this: B. Weisser, Zum Verhältnis von Pergamon und Rom im Spiegel der Münzprägung, Forum Archaeologiae 35/VI/2005 (http://farch.net).



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