Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 35 / VI / 2005

"RÖMISCHE MOSAIKEN" IN WESTKLEINASIEN
Abstract

Etwa ein Jahrhundert nach der Einrichtung der Provinz Asia Proconsularis (129 v.Chr.) wird in der Mosaikkunst Westkleinasiens der Einfluß westlicher Technik- und Gestaltungsprinzipien faßbar.
Estrichböden mit Mustern aus geschnittenen Steinwürfeln (Signinumpavimente) sowie geometrisch dekorierte Schwarzweißtessellate unterscheiden sich deutlich von den Mosaiken hellenistischer Prägung, die durch eine Betonung des Bodenzentrums, durch perspektivische Effekte und den konzentrischen Aufbau von verschiedener Rahmenleisten gekennzeichnet sind. Verzierte Signinumböden kennt man bisher nur aus Pergamon, derjenige aus dem cubiculum 38 des Attaloshauses besitzt einen terminus post quem um 50 v.Chr. Ein Schwarzweißtessellat aus dem 1.Jh. v.Chr. stammt ebenfalls aus Pergamon: Im sog. großen Peristylhaus befindet sich ein Boden mit einem Dekor aus weißen Zirkelblüten auf schwarzem Grund. Der frühen Kaiserzeit gehören geometrische Schwarzweißmosaiken aus Ephesos und Metropolis an. In tiberische Zeit datieren etwa zwei Böden aus dem ephesischen Hanghaus 2 (Abb.). Sie zeigen vexierbildartige Kompositionen aus schwarzen und weißen Quadraten und Dreiecken. Wie es für die westlichen Schwarzweißmosaiken charakteristisch ist, scheinen die Muster in alle Richtungen unendlich fortsetzbar zu sein und finden nur in den Feldrändern ihre Begrenzung.


Das Vorhandensein von Signinumböden und Schwarzweißmosaiken im 1.Jh. v.Chr. darf auf die Anwesenheit von Italikern zurückgeführt werden. Das cubiculum 38 des pergamenischen Attaloshauses zeigt außerdem eine Musterverteilung im sog. cubiculum-Schema, das in den Vesuvstädten verbreitet, in Kleinasien bisher jedoch völlig singulär ist. Auch die Wahl der Raumform zeigt vereinzelt starke Bezüge zum italischen Westen: Der mit Schwarzweißmosaiken und Steinplatten ausgestattete oecus Corinthius im Peristylhaus II von Pergamon besitzt nach aktuellem Kenntnisstand kein Gegenstück in der östlichen Reichshälfte.
Es darf angenommen werden, daß neben Römern und Italikern auch Personen mit Kontakten zu Italien mit der zeitgenössischen Mosaikenproduktion im Mutterland vertraut waren. Mangels schriftlicher Überlieferung läßt sich allerdings bisher keines der kleinasiatischen Pavimente aus dem 1.Jh. v. oder n.Chr. mit namentlich bekannten Auftraggebern verbinden. Im Laufe des 1. und 2. nachchristlichen Jhs. fanden geometrisch dekorierte Schwarzweißtessellate in Westkleinasien Verbreitung. Sie sind vor allem in privaten Wohnhäusern überliefert und zeigen, daß ihre Auftraggeber bestrebt waren, an den zeitgenössischen italischen Ausstattungsstandard anzuschließen.
Erst um die Mitte des 2.Jhs. n.Chr. läßt sich an einem ephesischen Beispiel ein Bezug zwischen einem Mosaik und seinem Auftraggeber herstellen: Publius Vedius Antoninus, einer der angesehensten Bürger von Ephesos in antoninischer Zeit, ließ zwischen 147 und 149 n.Chr. ein Badgymnasium errichten und mit Mosaiken ausstatten. Am Tessellat aus der Latrine 1 manifestiert sich die Vertrautheit des Bauherrn mit dem gleichzeitigen stadtrömischen Kunstgeschehen. Es handelt sich um ein schwarzfiguriges Mosaik mit Meerestieren und erinnert an Böden aus Rom und Ostia. Bis zu diesem Fund im Sommer 2004 galten einzelne schwarze Tiersilhouetten auf Mosaiken aus der Casa dei Mosaici in Iasos (frühes 2.Jh. n.Chr.) als die einzigen Vertreter dieser Gattung. Publius Vedius Antoninus setzte das Meeresmosaik nicht nur zur Ausstattung eines prächtig dekorierten Raumes der von ihm gestifteten monumentalen Thermenanlage ein, sondern verwendete es gezielt zur Demonstration seiner Einsicht in das aktuelle Kunstgeschehen in der Reichshauptstadt.

© Veronika Scheibelreiter
e-mail: veronika.scheibelreiter@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: V. Scheibelreiter, "Römische Mosaiken" in Westkleinasien, Forum Archaeologiae 35/VI/2005 (http://farch.net).



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