Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 35 / VI / 2005

TRADITION UND INNOVATIONEN IN DER KERAMIK DES 1.JHS. V.CHR.: DELOS - EPHESOS - SAMOS - PERGAMON IM VERGLEICH
Abstract

In der vorliegenden Untersuchung wird die Keramik des 1. Jahrhunderts v.Chr. einiger bedeutender Zentren des östlichen Mittelmeerraumes auf Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede hin überprüft. Den Ausgangspunkt bildet Ephesos; Delos, Samos und Pergamon werden angeschlossen und einander gegenübergestellt.
Ephesos bildete mit seinem Hinterland wohl eines der stärksten Keramikproduktionszentren, die wir kennen. Zusätzlich bietet sich Ephesos aufgrund der derzeitigen Aufarbeitung von Fundkomplexen der späthellenistischen Zeit für diese Untersuchung an. Ähnliches gilt für Delos; zahlreiche Fundkomplexe aus dem Beginn des 1. Jahrhunderts v.Chr. wurden in den letzten Jahren vorgestellt. Die Keramikproduktion von Samos wies bereits in früheren Epochen starke Affinität zur ephesischen auf, dieses Charakteristikum kennzeichnet die Insel bzw. die Stadt Samos besonders in hellenistischer Zeit.
Ein direkter Vergleich zwischen den Städten gestaltet sich mitunter aufgrund der Publikationslage sehr schwierig, da oft nur einzelne Keramikgattungen publiziert wurden bzw. wenn es Fundkomplexe gab, so wurden von diesen mitunter nur ausgewählte Stücke präsentiert. Dies trifft z. B. sowohl auf Pergamon (vgl. G. Hübner zur Applikenkeramik) als auch auf Samos zu (vgl. K. Tsakos zu einer Zisternenfüllung). Bei dem Vergleich wurde darauf geachtet, auf relativ ähnliche Befundbeispiele aus jeder Stadt zurückzugreifen, d. h. Fundkomplexe aus einem Haus oder Füllungen von Zisternen oder Brunnen mit Hausrat bzw. Tafelservicen. Relativ gleichzeitig entstandene Befunde mit Keramik aus dem Beginn des 1. Jahrhunderts v.Chr. (Abb.) und solche mit Keramik aus der zweiten Hälfte des Jahrhunderts werden gegenübergestellt.


Zusammenfassend kann konstatiert werden, daß die Feinkeramik des späten Hellenismus und der frühen Kaiserzeit in bezug auf ihre Gattungen und Formen keinerlei aus dem Westen, aus Italien bzw. aus dem Römischen beeinflußte Charakteristika aufnimmt oder zeigt. Es finden sich keine neuen Formen in den lokalen Feinkeramiken, die auf italische Vorbilder bzw. italischen Einfluß hinweisen würden. Alles scheint sehr regional bzw. lokal entwickelt und ausgeprägt zu sein, von der einfachen Firniskeramik bis zu den frühen lokalen Sigillaten. Der Austausch der Keramik zwischen Zentren wie Ephesos und Pergamon oder auch Knidos fällt sehr gering aus; man trifft nur sehr vereinzelt auf Importstücke.
Dabei lassen sich aber gewisse regionale Vorlieben und Ausprägungen erkennen: So weist Pergamon noch stärkere "griechische" Traditionen als Ephesos auf und dürfte in bezug auf den Vertrieb seiner Keramikprodukte auf seine Region beschränkt gewesen sein. Ephesos und Samos erscheinen bei einem Vergleich sehr ähnlich, so sind z. B. Filialbetriebe zur Herstellung "ephesisch-ionischer" Reliefbecher auf Samos anzunehmen. Nur Delos dürfte stärker am Westen bzw. an Rom orientiert gewesen sein. Hier findet sich Campana A und B sehr häufig. Auch die Applikenkeramik ist auf Delos vielfältiger in seiner Gestaltung und seinem Motivschatz als andernorts. Dabei kann nur Pergamon als wohl ursprünglichstes Produktionszentrum dieser Keramikgattung mithalten. Eine langanhaltende und ausgeprägte Produktion von ephesischen Reliefbechern scheint dabei die Verwendung von Applikenkeramik und ihre Herstellung einschließlich der Vielfalt der Motive in Ephesos selbst eingeschränkt zu haben. Dies gilt auch für die Becher der sogenannten ´Westabhang-Nachfolge-Keramik´ in Ephesos, die bisher nur in geringer Zahl in den entsprechenden Befunden vertreten ist. Diese Regionalisierung ist ein typisches Zeichen der hellenistischen Kultur.
Ein Beharren auf der eigenen hellenistischen Tradition ist festzustellen. Es gibt keinen scharfen Bruch, sondern einen normalen langsamen graduellen Entwicklungsverlauf. Somit enthält das Keramikmaterial des 1. Jahrhunderts v.Chr. aus Ephesos, Samos, Pergamon oder Delos keine Hinweise auf eine sukzessive "Romanisierung" der Bevölkerung - trotz der Anwesenheit vieler "Italiker". So sprachen wohl alle Griechisch, aßen vielleicht Gerichte nach der Art, wie sie uns Apicius überliefert, oder wie man sie bereits 73 v.Chr. von einem der Feste des Lucullus in Ephesos kannte, und bezahlten das Essen mit im Osten geprägten Münzen. Dabei aß man von und trank man aus lokal hergestellten Keramikformen. Römischer Einfluß und Änderungen innerhalb der Feinkeramik sind - z. B. in Ephesos - erst ab dem ersten Viertel des 1. Jahrhunderts n.Chr. faßbar.

© Christine Rogl
e-mail: christine.rogl@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: Ch. Rogl, Tradition und Innovation in der Keramik des 1. Jhs. v.Chr.: Delos - Ephesos - Samos - Pergamon im Vergleich, Forum Archaeologiae 35/VI/2005 (http://farch.net).



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