Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 23 / VI / 2002

INES JUCKER, CORPUS SPECULORUM ETRUSCORUM, SCHWEIZ 1.
Etruskische Spiegel der Schweiz: Basel, Schaffhausen, Bern, Lausanne

Der vorliegende Band hat als erster der Schweizer Reihe eine gewisse Vorbildfunktion, der er voll gerecht wird. Er fügt sich durchaus in den Rahmen der bisher erschienen zwei Dutzend Bände ein. Enthalten sind die 41 Griffspiegel und fünf Klappspiegel der größeren öffentlichen und privaten Sammlungen in Basel, Schaffhausen, Bern und Lausanne, meist unbekannter Herkunft. Die Spiegel werden in Fotos in annähernder und Zeichnung in präziser natürlicher Größe vorgelegt, wobei gelegentlich - z.B. bei Nr. 35 - kleine Differenzen erkennbar sind. Im Text wird die Beschreibung von der Interpretation sauber getrennt. Indices erleichtern die Benützung. Beim Inschriftenindex, der leider nur in Transliteration geboten wird, wäre die Aufnahme der unleserlichen Inschriften sowie ein Hinweis auf fragliche Lesungen günstig gewesen. Schweizer Lokalkolorit zeigt sich nicht nur in der s-Orthografie, sondern auch in Wörtern wie: Unterbruch, unsorgfältig, bildinnerer3, bildhinterer3.
Der überwiegende Teil der Spiegel wird ins 4. und 3.Jh. datiert. Unter den älteren sind auch eine Fälschung und zwei Spiegel mit neuem sowie einer mit verdächtigem Bildschmuck aufgenommen (Abb. 1). Die Vorlage gefälschter oder verfälschter Objekte sollte allgemein Usus von Katalogen und Materialvorlagen sein, schamhaftes Verstecken in Depots ist verwerflich.
Bei einigen Spiegeln konnten Metallanalysen durchgeführt werden, die freilich keine umwerfenden Erkenntnisse ergaben.
Die Darstellung entsprechen dem üblichen Repertoire: Szenen des Alltags, besonders aus dem Frauenleben, und mythologische Themen, darunter einige sehr schöne Stücke.
Zu den gebotenen Interpretationen bieten sich gelegentlich Alternativen an. Dass auf Nr. 30 (Abb. 2) rechts PHERSE dargestellt ist, geht aus der Beischrift hervor, die linksläufig in Kartusche von der Figur ausgeht. Entsprechend muss sich der rechtsläufig geschriebene Name über dem links Sitzenden auf diesen beziehen, Foto und Zeichnung helfen über ein ALTEV (??) nicht hinaus. Wenn der stehende Geflügelte in der Mitte, wie Jucker überzeugend darlegt, ein Weissagender ist, liegt es nahe, seinen Namen als CAI[C]E, Cacus, zu lesen, was durchaus sinnvoll ist, wenn man die latinische Sagenversion bei Vergil Aen. 7, 410 und 372 mit Serv. ad l. u. a. bedenkt, nach der Danae mit ihrem Sohn in Latium gelandet ist und Turnus ihr Nachkomme war.
Bei Nr. 40 könnten die beiden Kreise bei den Dioskuren Sterne bedeuten, die sog. Pflanze zwischen ihnen wird wie das rübenförmige Objekt Nr. 6 zwischen AIVA und AXLE ein Blitz sein, wie ihn TINIA (Nr. 28) hält, ein Blitz bzw. das St. Elmsfeuer.
Ob auf dem Klappspiegel Nr. 46 und den beiden im Text genannten Vergleichsstücken die Ermordung einer Frau zu sehen ist, fragt sich. Die halbnackte Frau mit der Lampadionfrisur und dem Armschmuck hat das sichtbare Auge geöffnet, sie sitzt auf einer Erhebung, die wie ein Sandhaufen aussieht. Mit ihr beschäftigen sich zwei Frauen, die rechte in Chiton und Himation scheint sie mit beiden Armen zu heben, die linke, im sog. Peplos mit Überschlag, um die Mitte ein zusammengerolltes Himation, greift mit der Linken zur Sitzenden, die Rechte hat sie zum Kopf gehoben - eine Mordwaffe ist nicht vorhanden. Die beiden äußeren Frauen tragen Schuhe, die mittlere ist barfüßssig. Ein Vergleich mit Nr. 10 drängt sich auf: Die nackte Aphrodite steht zwischen einer verhüllten Braut rechts und einer - älteren - im Peplos links als jüngste der drei Chariten, vergleichbar den drei Frauen auf dem Hauptrelief des Ludovisischen Throns. Auch auf Nr. 10 hebt die Frau die rechte Hand zum Kopf, elegant an einem Tüchlein zupfend, dessen Verbindung mit dem Peplos nicht ganz klar ist. Auf Nr. 16 helfen zwei Eroten Aphrodite, auf die Welt zu kommen. Die Geburt der Aphrodite passt auf einen Schönheitsartikel.
Keine archäologische Bibliothek, die ernst genommen werden will, darf auf dieses Werk verzichten.

Ines Jucker, Corpus speculorum Etruscorum, Schweiz 1. Etruskische Spiegel der Schweiz: Basel, Schaffhausen, Bern, Lausanne.
292 Seiten, davon 108 Seiten Text, geb., Stämpfli Verlag AG Bern 2001 (ISBN 3-7272-1260-8), 115,- Euro.
e-mail: info@buchstaempfli.com

© Friedrich Brein

This article will be quoted by F. Brein, Rez. I. Jucker, Corpus speculorum Etruscorum. Schweiz 1, Forum Archaeologiae 23/VI/2002 (http://farch.net).



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