Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 15 / VI / 2000

NOCHMALS VOTA.
Nachtrag zu "Eine Neokorie für Macrinus in den ephesischen Schlagzeilen"
(Forum Archaeologiae 14/III/2000)

Bei der Abfassung des genannten Artikels wurde ein wichtiger Umstand übergangen, nämlich daß es Vota-Münzen auch anderswo gibt, noch dazu in einem Zusammenhang, der unser Thema weiter erhellt. Es handelt sich dabei um zwei Emissionen des pamphylischen Perge aus der Zeit des Gallienus (258-62):

1. Gallien und Salonina (Abb. 1)
Rs. Tyche thront nach links auf hohem Kasten, vor ihr polostragende Göttin mit Stier; einfaches Ethnikon, im Abschnitt [1].
SNG Aulock 4736 u. Paris 582, Aukt. Kat. Emporium 7 (1986) 40.


Abb. 1: Münze des Gallien und der Salonina (nach SNG Aulock 4736)
Abb. 2: Münze des Saloninus (nach SNG Aulock 4754)

2. Saloninus (258-60) (Abb. 2)
Rs. Tyche thront nach links auf hohem Kasten, vor ihr Artemis mit Hirsch [2]; einfaches Ethnikon, dahinter .
SNG Aulock 4754.

Anzuschließen ist eine Münze des
3. Valerian (253-60) (Abb. 3)
Rs. Tyche thront nach links auf hohem Kasten, vor ihr Artemis mit Hirsch; einfaches Ethnikon, im Abschnitt [3].
BMC 18 [Lycia etc.] 134 Nr. 71.

Abb. 3: Münze des Valerian (nach BMC 18 [Lycia etc.] 134 Nr. 71)

Der eigenartige Kasten, auf dem Tyche thront, erscheint auf den Münzen von Perge seit Caracalla (198-217) und trägt stets drei Geldbeutel, jeweils nur von einfachem Ethnikon begleitet [4]. Der Kasten, der bloß drei Füße zeigt, ist eindeutig über Eck dargestellt; seine Wände sind aus mehreren Reihen von Kugeln gebildet, die an die Bilder von Münztabletts bei Geldwechslern erinnern [5]. Danach handelt es sich bei den pergaischen wohl zweifellos um Geldschränke.
Während diese nun zusammen mit den Geldsäcken auf die Preise bei Agonen hinweisen [6], liegt der Fall bei den Vota-Münzen etwas anders : Hier ist es Tyche selbst, die mit ihrem Füllhorn anschei-nend anstelle der Preise erscheint. Aber die beiden Göttinnen, die vor sie treten und ihr etwas reichen (oder aber von ihr erhalten) [7], repräsentieren unmittelbar keine Agone, sondern - wiederum nach entsprechenden Vergleichsbeispielen - die, mit den Homonoiai der Städte zusammenhängenden, Synthysiai [8], in deren Festesverlauf natürlich auch Spiele abgehalten wurden. Diese scheinen nun hauptsächlich mit der pergaischen Artemis zu tun gehabt zu haben, die ja nicht nur als geheimnisvolles Kultbild [9], sondern wie diejenige von Ephesos auch als jungfräuliche Jägerin mit Hirschen und Hunden auftritt [10]. Aber auch die stierführende Göttin dürfte in diesen Bereich gehören [11].
Die Nennung von Vota wird sich auch in diesem Fall auf den Kaiser (Gallien) beziehen, wenngleich er nicht allein auftritt. Umgekehrt erscheint die Synthysia-Szene auch ohne Hinweis auf irgendwelche Gelübde (Valerian). Diese werden darum wohl auf erstere zielen: Während die Gallien+Salonina- und Saloninus-Münzen eben das Gelöbnis des entsprechenden Festaktes kundtun, scheint die Valerian-Münze schon letzteren zu feiern. Und das einleitende Stieropfer ist auch auf einer vierten pergaischen Münze des Gallien festgehalten, das vor einem Tempel stattfindet, in dem eindeutig die Gestalt des opfernden Kaisers steht [12].
Zur Chronologie dieser Gepräge ergibt sich wohl die folgende Reihung : Gallien+Salonina(1) / Saloninus(2) > Valerian(3) > Gallien(4). Die Feier fand zwischen 258 und 260 statt.

[1] Anders als die Transkription bei den ephesischen Macrinus-Münzen ist hier das lateinische Wort geradezu phonetisch richtig erfaßt (uo:ta).
[2] Archaische Artemis sowie hochbeiniger und hochhalsiger Hirsch unterscheiden sich auf dem Aulock-Exemplar trotz der Bedenken von P. Weiß (P. Weiß, Chiron 21, 1991, 364) deutlich von der stierführenden Göttin. Dürfte man bei dieser etwa an Artemis Tauropolos denken?; vgl. St. Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos (1995) 39.
[3] s. dazu Weiß a. O. 367: = Zahl 6.
[4] z. B. Caracalla: SNG Kopenhagen 331. Maximin: SNG Aulock 4693. Philipp I: SNG Paris 510f. Philipp II: SNG 4708 und Kopenhagen 350. Her. Etruscus: SNG Aulock 4712. Treb. Gallus: SNG Aulock 4713 und Aukt. Liste Elsen 54:104 (hier sitzt Tyche auf Thron). Volusian: SNG Paris 544f., Kopenhagen 363 und Class. Num. Grp. 12:615. Gallien: SNG Aulock 4725f. und Paris 556f., 583. Saloninus: SNG Paris 589. Salonina: SNG Paris 598.
[5] s. dazu z. B. S. Balbi De Caro, La Banca a Roma (Mus. della Civiltá Romana 8, 1989) Abb.17-19.
[6] Solche finden wir in eindeutigem Kontext auf unzähligen autonomen Prägungen, so auch in Perge: neben Preiskorb, SNG Aulock 5756f. (Saloninus).
[7] Nach Weiß a. O. eine Schriftrolle.
[8] Zu diesem Komplex s. Weiß a. O. 363ff.; St. Karwiese, in LMCR 7,2 (1994) 829f.
[9] d. h. als menschengesichtiger Baitylos in reliefierter Umhüllung.
[10] Auf den Münzen von Perge ab dem 3. Jh. v.Chr., vgl. SNG Aulock 4653f. In der Kaiserzeit begegnet sie oft, mit Hirsch z. B. bei Tranquillina (SNG Aulock 4700).
[11] vgl. dazu G. Seiterle, Antike Welt 10/3 (1973) 3ff.
[12] Aukt.Kat. Classical Numismatic Group 27 (1993) 1226.

© Stefan Karwiese
e-mail:
skarwies@oeai.univie.ac.at

This article will be quoted by St. Karwiese, Nochmals Vota. Nachtrag zu "Eine Neokorie für Macrinus in den ephesischen Schlagzeilen" (Forum Archaeologiae 14/III/2000), Forum Archaeologiae 15/VI/2000 (http://farch.net).



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