Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 15 / VI / 2000

HANGHAUS 2 IN EPHESOS - DIGITALE BILDDOKUMENTATION
ARCHÄOLOGISCHER BAUBEFUNDE IM 3D-MODELL

Das Hanghaus 2 in Ephesos, das in den Jahren 1962 bis 1985 unter der Ägide Hermann Vetters freigelegt wurde, erstreckt sich als kompakt verbautes Areal mit mehr als 4000m² Grundfläche über drei Bauterrassen. Die gut erhaltene Ruine der westlichen der beiden am Nordabhang des Bülbüldag gelegenen insulae beinhaltet sieben Peristylhäuser mit einer reichen Ausstattung an Wandmalereien, Marmorwandausstattungen, Mosaik- und Marmorplattenböden, Stuckdekorationen sowie Zierbrunnen und anderen dem Raumschmuck dienenden architektonischen Elementen und stellt ein herausragendes Beispiel für die Wohnkultur gehobener Gesellschaftsschichten im östlichen Mittelmeergebiet in der römischen Kaiserzeit dar.
Mit dem Beginn der Vorbereitungen für die grundlegende Publikation des Baubefundes in der Verantwortlichkeit des nunmehrigen "Institutes für Kulturgeschichte der Antike" (vormals Forschungsstelle für Archäologie) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien der Wohneinheiten 4 und 6 (Hilke Thür et al.) stellte sich die dringende Frage nach einer geeigneten Form der Dokumentation der Befunde. Die auf zwei Bauterrassen aneinander grenzenden und innerhalb des baulichen Kontextes des Hanghauses 2 auch über eine Stiege miteinander verbundenen Wohneinheiten 4 und 6 weisen eine Grundfläche von insgesamt etwa 1300m² (350m² und 950m²) auf; die teilweise bis zu zwölf Meter hoch erhaltenen Wänden bilden geschätzte 5000m² Befunde in Form von Mauerwerk mit größtenteils noch in situ vorhandenen, verschiedenen Bauzuständen und Ausstattungsphasen zuzuordnenden Schmuckoberflächen, deren graphische Dokumentation gemeinsam mit der deskriptiven Baubeschreibung die Grundlage für die Auswertung und Interpretation des archäologischen Baubefundes darstellt.

Als Alternative zur konventionellen Methode der maßstabsgetreuen zeichnerischen Aufnahme der Wände und im Sinne von geforderter Innovation und Methodenentwicklung bot sich die Möglichkeit, die von privater Seite (Karl Haslinger, Geodäsie und Photogrammetrie; Rupert Huber, Informatik) entwickelte Software HPlus® zur Aufnahme, gemeinsamen Auswertung und Darstellung von Sachverhalten mit geodätischen und photogrammetrischen Methoden im Hinblick auf die Erfordernisse der archäologischen Bauforschung zu adaptieren und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sollte daraus ein Werkzeug resultieren, dass die Verarbeitung der erfassten Daten vor Ort durch Anwender ohne differenzierte Kenntnisse geodätischer und photogrammetrischer Auswerteverfahren ermöglicht.


Abb. 1: Geodätische Gesamtaufnahme der zu dokumentierenden Oberflächen innerhalb ihres räumlichen Kontexts (grün) und der Verknüpfungspunkte der durch eine Matrix in einzelne virtuelle Blöcke gegliederten, zu dokumentierenden Oberflächen (blau) als Konturmodell dargestellt (Grafik Verf.; Vermessung B. Brunner – A. Edler – N. Knödl).

Abb. 2: Über die vermessenen Knotenpunkte der Meßpunktgevierte (A) werden digital erstellte Einzelbilder im photogrammetrischen Verfahren der Projektiven Transformation ihrer Position an der Wand geometrisch korrekt zugeordnet. Das so entstandene Bildmosaik wird durch die Begrenzung der peripheren Bilder auf die vermessene Raumkontur zur digitalen Wandabwicklung (B) innerhalb des Raummodells; das Ergebnis ist eine objektive, maßstabsunabhängige Abbildung der Wand mit allen darin enthaltenen geometrischen Informationen (Grafiken und photogrammetr. Auswertung Verf.; Vermessung B. Brunner – A. Edler – N. Knödl; Photos A. Schiffleitner).

Dieses "System HPlus" bietet für die digitale Bilddokumentation von "ebenen Objekten", wie Wandflächen oder Mauerseiten, eine integrierende Gesamtlösung: In einer CAD-Programmebene werden die dreidimensional graphisch dargestellten, digitalen Vermessungsdaten mit den entsprechenden, ebenfalls digitalen Bilddaten nach dem Verfahren der Projektiven Transformation geometrisch korrekt verknüpft. Dieser Vorgang setzt die Datenerfassung in digitaler Form in drei Schritten voraus: Die geodätische Gesamtaufnahme der zu dokumentierenden Oberflächen innerhalb ihres räumlichen Kontextes, die Vermessung der Verknüpfungspunkte der durch eine Matrix in einzelne virtuelle Blöcke gegliederten, zu dokumentierenden Oberflächen (Abb. 1), sowie die photographische Aufnahme der über die Verknüpfungspunkte der Begrenzungsflächen der einzelnen Blöcke definierten Bildfelder der zu dokumentierenden Oberfläche (Abb. 2A). Ergebnis der geodätischen und photogrammetrischen Auswertung dieser Daten mit einer im Millimeterbereich liegenden Genauigkeit ist - über den Zwischenschritt eines aus den Einzelbildern zusammengesetzten Bildmosaikes - die maßstabsunabhängige Abwicklung der zu dokumentierenden Oberfläche innerhalb ihres räumlichen Kontextes, eine digitale Bilddokumentation in Form von Wandabwicklungen im 3D-Modell (Abb. 2B). Zudem ist es auch möglich, bereits vorhandenes bzw. abhängig von der Befundsituation weiterhin konventionell zu erstellendes, nachträglich digitalisiertes Planmaterial in die digitale Bilddokumentation einzubinden.

Literatur:
K. Koller, Hanghaus 2 in Ephesos: Eine integrative Methode der digitalen Bilddokumentation archäologischer Baubefunde, in: Archäologie und Computer 4. Workshop der Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie 11./12.11.1999 (im Druck); K. Koller - H. Thür, Hanghaus 2 in Ephesos - digitale Bilddokumentation archäologischer Baubefunde im 3D-Modell, in: Akten des interdisziplinären Kolloquiums "Von Handaufmaß bis Hightech - Aufnahmeverfahren in der historischen Bauforschung", 23.-26.02.2000 an der BTU Cottbus (im Druck); K. Koller, Hanghaus 2 in Ephesos: Eine integrative Methode der digitalen Bilddokumentation archäologischer Baubefunde im 3D-Modell, in: Bauforschung und Archäologie (im Druck).


© Karin Koller
e-mail: karin.koller@oeaw.ac.at

This article will be quoted by K. Koller, Hanghaus 2 in Ephesos - digitale Bilddokumentation archäologischer Baubefunde im 3D-Modell, Forum Archaeologiae 15/VI/2000 (http://farch.net).



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