Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 10 / III / 1999

SAGALASSOS RED SLIP WARE AUS SELEUKEIA SIDERA.
Ein Beispiel der Verbreitung der sagalassischen Keramik im römischen Pisidien

Seleukeia Sidera ist eine nordpisidische Stadt, die sich 1,5 km nordnordöstlich des Dorfes Bayat und 18,5 km nordöstlich des Stadtzentrums von Isparta in der Südwesttürkei befindet. Die wichtigsten Ruinen der Stadt stehen auf einem Hügel, der von den Bewohnern des Dorfes heute "Asar Tepe" genannt wird. Topographisch liegt das antike Seleukeia Sidera zwischen dem Egridir See (Prostanna) und dem Burdur See (Askania) und den wichtigsten pisidischen Städten Sagalassos, Apollonia und Antiocheia [1].

Aufgrund ihres Namens kann man annehmen, daß diese Stadt als eine seleukidische Kolonie gegründet wurde. Dies geschah zu Beginn der hellenistischen Zeit (erste Hälfte des 3. Jhs. v.Chr.), aus der wir fast keine Spuren mehr haben, außer der sich auf dem Hügel befindenden Befestigungsmauer, deren Struktur hellenistisch ist (Abb. 1). Aus administrativen Gründen wurde in der Zeit von Claudius I. der Name von Seleukeia in "Claudioseleukeia" umbenannt. Sie bestand in der römischen Zeit als eine kleine Stadt weiter; in der spätrömischen Periode vergrößerte sie sich plötzlich und hatte eine große Population.

Abb. 1: Hellenistische Befestigungsmauer von Seleukeia Sidera

Zwischen dem 4.-6. Jh. n.Chr. hat die Stadt den Beinamen Sidera bekommen, dessen Herkunft unklar ist. Bis ins 11. Jh. wurde Seleukeia in den Bischofslisten erwähnt, wobei ab dem 8. Jh. gleichzeitig das 6 km nördlich von ihr gelegene Agrai erwähnt wurde. Unklar bleibt auch ob Seleukeia wie die Nachbarstadt Sagalassos, von den ostgothischen Invasionen betroffen wurde. Aber auf dem Gipfel des Hügels befindet sich ein starkes frühbyzantinisches Fort, dessen Türme und Mauern sehr viel Spolienbauelemente enthalten. Diese Stadt hat sehr wahrscheinlich bis in das 11. Jh. existiert, danach wurde sie wegen eines bis heute unbekannten Grundes verlassen [2].

Seleukeia Sidera wurde im Jahre 1874 von dem deutschen Geographen G. Hirschfeld entdeckt [3]. Nach ihm haben viele Forscher in dieser Stadt gearbeitet. Im Jahre 1993 wurde in Seleukeia von einem Team der Universität Ankara (Türkei) unter der Leitung von Prof. Dr. Orhan Bingöl und dem Isparta Museum eine Ausgrabung durchgeführt, die nur ein Jahr dauerte [4]. Bei dieser Ausgrabung hat man versucht, die Spuren des Stadtplans zu verfolgen und unsere Kenntnisse über Stadtgeschichte und Struktur zu verbessern. Die hauptsächlichen Ausgrabungsorte sind die Südterrasse II, auf der sich eine in den Fels gebaute Anlage befindet und die südlich davon gelegene Südterrasse I, auf der ein rundes Gebäude liegt. Außerdem sind der Ostturm auf dem Gipfel des Hügels, die Ostterrase (und die Wohnsitze), das Theater, Nekropolis und Zisterne zu nennen.
Die wichtigsten Ergebnisse und Funde stammen hauptsächlich von den Südterrassen: hier wurde erst ein religiöser Felsenbau freigelegt. Es gibt auf den Felsmauern dieses Baus zehn Löcher, die für die Dachkonstruktion benutzt wurden. Er hat einen ähnlichen Grundriß wie der im Antiocheia Pisidiam befindlichen Augustus-Kybele Tempel. Westlich von dieser Struktur wurden verschiedene, hauptsächlich spätantike Wohn- und Arbeitsgebäude gefunden. Südlich von diesen Gebäuden, auf der Südterrasse I, wurde, wie oben bereits erwähnt, ein Rundgebäude entdeckt, das sicherlich religiöse Funktion hatte und in dem wir sehr viel Reliefkeramik und Terrakottafiguren gefunden haben.
Das Theater der Stadt befindet sich an der Nordseite der Stadt, von dem heute nur noch die Skenegebäude und eine Diazoma sichtbar sind. In der Nekropolis, die im nordwestlichen Teil der Stadt liegt, haben wir Sarkophage und Haus-Gräber entdeckt, in denen wir die einzigen datierbaren Materialen (Unguentaria, Öllampen und Terrakottafiguren) der Stadt entdeckt haben. Auf der östlichen Terrasse der Stadt wurden viele Wohngebäude der spätrömischen Zeit entdeckt. Daß sich alle Wohn- und Arbeitssitze auf dem südlichen und östlichen Hängen der Stadt befinden, zeigt, daß in der Spätantike die Hänge der Stadt dicht besiedelt wurden. Bei dieser Ausgrabung waren die wichtigsten Ergebnisse ohne Zweifel vier sehr zerstörte, griechische Inschriftfragmente (eines davon 15 zeilig) und Keramikmaterial, vor allem Sagalassos red slip ware, von der wir mehr als 4000 Scherben gesammelt haben.

Die lokale Keramikproduktion von Sagalassos, die sogenannte "Sagalassos red slip ware" ist seit der Entdeckung des "Potter´s Quarter" an den Osthängen von Sagalassos durch ein belgisches Team im Jahre 1987 bekannt [5]. Unsere Kenntnisse über diese Keramik haben sich mit den Ergebnissen der Ausgrabungen in Sagalassos ab 1990 erweitert. Diesen Ergebnissen zufolge begann die Produktion an diesem Ort zumindest in der hellenistischen Zeit, und ist bis Ende des 6. Jhs. weitergegangen; und in dieser Zeit hat man in den Keramikwerkstätten von Sagalassos sehr intensive fine ware (feine Keramik), common ware (grobe Waren), Öllampen, Terrakottafiguren und Baukeramik produziert [6]. Bis jetzt wurde die Sagalassos red slip ware genannte Ware im Mittelmeer in vielen römischen Siedlungen geborgen: ich habe bis zum Jahre 1998 allein in Kleinasien 32 Fundorte gezählt [7]. In Seleukeia wurde fast nur diese Art Keramik gefunden: die gesamte red slip ware und sicherlich auch ein Großteil der groben Küchenwaren waren Produkte aus Sagalassos.

Abb. 2: In Sagalassos produzierte Tonlampe aus Seleukeia Sidera

Abb. 3: In Sagalassos produziertes spätantikes Unguentarium mit Monogramm-Stempel aus Seleukeia Sidera

Obwohl wir nur sechs hellenistische Scherben haben, sind diese Scherben aus Ton und Farbe der späteren red slip ware sehr ähnlich. Wir haben keine anderen auf der Scheibe getöpferten Öllampen gefunden außer Sagalassos-Produktionen (Abb. 2). Die aus Modeln gefertigten Lampen haben auch gewisse Ähnlichkeit mit den Lampen, die in Sagalassos gefunden wurden. Fast alle spätantiken Unguentarien, die einen spitz zulaufenden Gefäßfuß haben, besitzen ähnliche Monogramm-Stempel oder Strukturen wie die in Sagalassos gefundenen Exemplare (Abb. 3). In Seleukeia wurde auch eine Terrakottafigur, die starke Ähnlichkeit mit Terrakotten in Sagalassos aufweist, geborgen [8]; sie stellt einen bärtigen Schäfer dar, der auf einem pferdähnlichen Tier reitet, in seiner rechten Hand ein Schwert und in der linken einen kleinen Schild hält; auf dem Kopf trägt er einen an der Stirne viereckig begrenzten Helm mit senkrechten Linien (Kakasbos?) [9].

Abb. 4: Fragment einer reliefierten Feldflasche aus einer Produktion in Sagalassos

Andere interessante Gruppen bestehen aus Reliefkeramik, die größtenteils Feldflaschen darstellen. Zwei weitere Gruppen der Reliefkeramik sind Oinophoroi und Schüsseln. Auf den Feldflaschen wurden sehr viele religiöse Szenen, wie z. B. dionysosiche Szenen (Mänaden und Satyre), Szenen mit Men usw. dargestellt (Abb. 4). Diese Reliefkeramik ist ein späteres Produkt aus Sagalassos, wie es vergleichbar bis jetzt auch in Perge und in Anemurium gefunden wurde [10].

Die Verbreitung von Sagalassos red slip ware wurde schon von J. Poblome bearbeitet [11]. Seleukeia Sidera kann in diesem Zusammenhang mit seinen zahlreichen Beispielen von in Sagalassos gefertigten Produkten nur ein neues gutes Beispiel für die starke Verbreitung dieser Keramik sein. Grob kann man sagen, daß fast mehr als 90% des keramischen Materiales, das in Seleukeia gefunden wurde, in sagalassischen Werkstätten produziert wurde. Man kann sich in diesem Zusammenhang fragen, was der Hauptgrund für diesen sehr starken Verbrauch war. Wenn man andere pisidische Städte betrachtet, deren Keramikfunde noch nicht bearbeitet wurden (z.B. Kremna, Antiocheia), kann man auch in diesen Städten diesen enormen Verbrauch erkennen. Die wichtigsten Gründe für diese starke Verbreitung dürften die niederen Preisen und die geringe Distanz von Produktionsort und Verbrauchsorten sein.
Sagalassos muß in römischer Zeit als ein Zentrum der Keramikproduktion eine wichtige Handelsstadt der Region gewesen sein und hat somit eine besondere Rolle gespielt.

[1] Zur Lage, Lokalisation und Topographie der Stadt Seleukeia Sidera: G. Hirschfeld, Vorläufiger Bericht über eine Reise im südwestlichen Kleinasien, in: Monatsberichte der Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1879) 312-313 (im folgenden Hirschfeld 1879).
[2] Dieser Beitrag ist eine kurze Zusammenfassung der vom Verfasser 1996 eingereichten Diplomarbeit; E. Lafli, Seleukeia Sidera 1993 Yilinda Bulunmus Olan Pismis Toprak Eserler (unpubl. Diplomarbeit, Univ. Ankara 1996).
[3] Hirschfeld 1879, 312-314.
[4] Für die Ausgrabungen in Seleukeia: O. Bingöl, Seleukeia Sidera (Bayat) 1993 Yili Arkeolojik Kazilari, in: Göller Bölgesi, Arkeolojik-Kültürel-Turistik Arastirma ve Degerlendirme Projesi. 1993 Yili Calismalari (1994) 43-74.
[5] S. Mitchell - M. Waelkens, Cremna and Sagalassus 1987, AnatSt 38, 1988, 60.
[6] Bibliographieliste der Sagalassos red slip ware: http://archweb.leidenuniv.nl/anadecom/Sagalassos.htm. In dieser Ausgrabung wurde diese Keramik sehr gut bearbeitet. Ausführliche Beschreibungen in folgenden Publikationen: Fine ware: J. Poblome - R. Degeest - M. Waelkens - E. Scheltens, The Fine Ware, in: M. Waelkens (Hrsg.), Sagalassos I. First General Report on the Survey (1986-1989) and Excavations (1990-1991), Acta Archaeologica Lovaniensia Monographiae 5 (Leuven 1993) 113-130; Common ware: R. Degeest - M. Waelkens, The Common Ware, in: ebenda 131-152; Öllampen: I. Roovers, The Lamps in: ebenda 153-190; Spätantike Unguentaria: R. Degeest, Some Late Roman Unguentaria at Sagalassos, in: M. Waelkens/J. Poblome (Hrsg.), Sagalassos II. Report on the Third Excavation Campaign of 1992, Acta Archaeologica Lovaniensia Monographiae 6 (1993) 183-190 (im folgenden Degeest 1993).
[7] Es gibt eine Verbreitungskarte und Beschreibung der Verbreitung bei: J. Poblome, Production and Distribution of Sagalassos Red Slip Ware. A Dialogue with the Roman Economy, in: M. Herfort-Koch - U. Mandel - U. Schädler (Hrsg.), Hellenistische und kaiserzeitliche Keramik des östlichen Mittelmeergebietes, Kolloquium Frankfurt 24.-25. April 1995 (1996) 75-103 und Taf. 24-25 (im folgenden Poblome 1996). Die hauptsächlich bisher publizierten Sagalassos red slip ware Funde: z. B. aus Kula: S. Künzl, Sagalassos-Ware im Römisch-Germanischen Zentralmuseum, AKorrBl 25, 1995, 397-409; aus Perge: N. Atik, Die Keramik aus den Südthermen von Perge, 40. Beih. IstMitt (1995) (im folgenden Atik 1995); aus dem Survey in Pisidien: M. Özsait, 1995 Yili Antalya-Korkuteli ve Burdur Yüzey Arastirmalari, XIV. Arastirma Sonuclari Toplantisi II (1997) 207-208, Res. 12-14; und Milet (?): C. Weickert, Der Westabschnitt, in: C. Weickert - P. Hommel - G. Kleiner - A. Mallwitz - W. Schiering, Die Ausgrabung beim Athena-Tempel in Milet 1957, IstMitt 9/10, 1959/1960, Taf. 75, 2.
[8] Zwei vergleichbare Beispiele aus Sagalassos : Degeest 1993, 187 Abb. 2 (SA 92 DT 330-132) und 189 Abb. 7 (SA 91 DT 330-132).
[9] Für diesen Typ in Sagalassos: R. Fleischer, Forschungen in Sagalassos 1972 und 1974, IstMitt 29, 1979, 307 Taf. 91, 1-2 (Burdur Museum Inv. Nr. K 95-34-75); M. Waelkens, Die neuen Forschungen (1985-1989) und die belgischen Ausgrabungen (1990-1991) in Sagalassos, in: E. Schwertheim (Hrsg.), Forschungen in Pisidien, Asia Minor Studien 6 (1992) Taf. 15, 1. Bibliographieliste der hellenistischen und römischen Terrakottafiguren Kleinasiens: http://archweb.leidenuniv.nl/anadecom/TurkishTerrakottas.htm.
[10] Für die Sagalassos Reliefkeramik aus Perge: Atik 1995, Taf. 176-180; Abb. 75, Abb. 76, 395-397; und Taf. 16, 391, 393, 395-7; und für die Funden aus Anemurium: C. Williams, Anemurium. The Roman and Early Byzantine Pottery, Pontificial Institute of Mediaeval Studies, Subsidia Mediaevalia 16 (1989) Taf. 8.
[11] Poblome 1996.

© Ergün Lafli
e-mail:
erguen.lafli@student.uni-tuebingen.de



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