Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 10 / III / 1999

100 JAHRE ÖSTERREICHISCHES
ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT. 1898 - 1998

Abb. 1: Genehmigung Kaiser Franz Josephs I. vom 15.3.1897 zur Gründung des k.k. österreichischen archäologischen Institutes

Am 3. Dezember 1998 beging das Österreichische Archäologische Institut im feierlichen Rahmen des großen Festsaales der Universität Wien die hundertste Wiederkehr seiner Gründung. Zwar wurde die Gründung durch Kaiser Franz Joseph I. über Antrag des damaligen Ministers für Cultus und Unterricht, Carl Freiherr Gautsch von Frankenthurn, bereits im Jahre 1897 genehmigt (Abb. 1), doch konnte das Institut erst nach dem nötigen verwaltungsmäßigen Vorlauf - Sicherung des Budgets, Organisation durch Statuten und Beschaffung der für das Institut notwendigen Räumlichkeiten - am 1. Oktober 1898 seine Tätigkeit aufnehmen.

Abb. 2: Otto Benndorf, erster Direktor des ÖAI von 1898 - 1907

Zum ersten Direktor wurde der Ordinarius für klassische Archäologie an der Wiener Universität Otto Benndorf ernannt (Abb. 2), der, um sich mit voller Kraft dem neuen Institut widmen zu können, seine Professur zurücklegte. Als Vizedirektor wurde der Direktor der k.k. Antikensammlung, Robert von Schneider, bestellt.
Mit der Gründung des Institutes schuf man bewußt eine zentrale Einrichtung für die archäologische Forschungstätigkeit in Österreich (Ungarn blieb ausgenommen), in der viele bereits vorher begonnene wissenschaftliche Aktivitäten zusammengefaßt wurden. In erster Linie fanden die 1895 ins Leben gerufenen ephesischen Ausgrabungen hier eine Heimstatt. Darüber hinaus bildete die Erforschung der Türkei und Griechenlands einen Schwerpunkt des Institutes, der sich in der Gründung von Zweigstellen in Izmir und Athen in diesen Ländern niederschlug. Vier Sekretäre wurden mit der Durchführung der wissenschaft-lichen Aufgaben in diesem Raum betraut. Griechenland zeigte sich dem neuen Institut gegenüber besonders großzügig, indem ihm für die Errichtung der Zweigstelle ein Grundstück zum Geschenk gemacht wurde. Im Jahre 1908 konnte das darauf errichtete Gebäude seiner Bestimmung übergeben werden. Von dort aus wurden erfolgreiche Grabungen in Lousoi, Elis und Aigeira initiiert, die auch heute noch zum Aufgabenbereich des Institutes gehören.
Den zweiten Schwerpunkt bildete die Forschungstätigkeit im Inland, hauptsächlich im Adriaraum, wo die staatlichen archäologischen Museen von Aquileia, Pula, Zadar und Split unter die Verwaltung des Institutes gestellt wurden. Statutenmäßig unterlagen alle im Inland durchgeführten und vom Staat subventionierten Ausgrabungen der Kontrolle des Institutes (in Absprache mit der Zentralkommission für kunst- und historische Denkmale, der Vorläuferin des heutigen Bundesdenkmalamtes)von wo aus auch die Subventionen vergeben wurden. Einen besonderen Stellenwert nahm dabei Carnuntum ein, dessen Erforschung gemeinsam mit der Limeskommission der Akademie der Wissenschaften und dem Verein Carnuntum, der seinen Sitz am Institut hatte, vorangetrieben wurde. Dem Bemühen, das vom Verein Carnuntum errichtete und 1904 eröffnete Museum Carnuntinum, für dessen Realisierung sich auch Benndorf vehement eingesetzt hatte, in Bad Deutsch-Altenburg in ein staatliches Museum überzuführen, blieb aus finanziellen Gründen leider der Erfolg versagt.
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg änderten sich die Voraussetzungen für die Arbeit des Institutes grundlegend. Durch die Gebietsverluste im Süden gingen die attraktiven Grabungsplätze im Adriaraum verloren. Mit der Verlagerung und der Intensivierung der Forschungstätigkeit auf den Boden des heutigen Österreich wurden neue Akzente gesetzt. Das Institut wandelte sich allerdings infolge der immer spärlicher fließenden staatlichen Mittel von einem Subventionsgeber zu einem -nehmer, indem die Zusammenarbeit mit Geld bringenden lokalen Institutionen forciert wurde (Abb. 3). Forschungen im Ausland waren vorerst aus finanziellen Gründen unmöglich, nur Ephesos konnte ab 1926 mit Hilfe deutscher und amerikanischer Unterstützung weitergeführt werden. Die Zweigstelle in Izmir mußte aufgelassen werden und jene in Athen konnte ihre Betriebskosten zeitweise nur durch Vermietung von Räumen abdecken. Schließlich war auf Grund der einschneidenden Sparmaßnahmen sogar die Existenz des Institutes selbst gefährdet. Der Weiterbestand konnte nur dadurch gesichert werden, daß es 1935 von der Universität Wien als Forschungseinrichtung an die philosophische Fakultät übernommen wurde, wobei die Inhaber der archäologischen Lehrkanzel mit seiner ehrenamtlichen Leitung betraut wurden.

Abb. 3: Freilegung des Stadttores von Aguntum während der Grabungen 1931 - 1933

Abb. 4: Ausgrabungen in der Großen Therme von Carnuntum 1939

Mit dem Anschluß Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland 1938 verlor das Institut endgültig seine Selbständigkeit. Es wurde nun dem Archäologischen Institut des Deutschen Reiches als Zweigstelle angegliedert (1939). Eines der größten Projekte dieser Zweigstelle war die von den politischen Behörden des Gaues Niederdonau initiierte großzügig geplante Grabungstätigkeit in Carnuntum, die als "Führergrabung" in die Forschungsgeschichte eingegangen ist (Abb. 4). Die hochtrabenden Pläne gingen aber bald Zweiten Weltkrieg unter.
Nach dem Krieg wurde das Institut wieder ein Teil der Fakultät. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation in den Nachkriegsjahren konnte bald wieder die Grabungstätigkeit aufgenommen werden, die sich zunächst wieder einmal auf das Inland beschränken mußte. Niederösterreich und Kärnten, wo 1948 gemeinsam mit dem Landesmuseum für Kärnten die Grabungen auf dem Magdalensberg begonnen wurden, bildeten die Schwerpunkte. Die Wiederaufnahme der Grabungen in Ephesos 1955, die Wiedereröffnung der Athener Zweigstelle 1964 und die Einrichtung einer neuen Zweigstelle in Kairo 1976 bildeten äußere Zeichen des steten Aufstieges, der darüber hinaus auch durch eine Vermehrung des wissenschaftlichen Mitarbeiterstabes (Abb. 5) gekennzeichnet war.

Abb. 5: Ausflug der Institutsmitarbeiter nach Niederweiden 1962.
Von links nach rechts: Dieter Knibbe, Wilhelm Alzinger, Hermann Vetters, Herma Stiglitz, Fritz Eichler (Direktor), Egon Braun, Anton Bammer

1981 schließlich wurde das Institut in der Folge des Forschungsorganisationsgesetzes aus der Universität ausgegliedert und dem Wissenschaftsministerium als selbständige Forschungseinrichtung des Bundes direkt unterstellt. Damit hatte es zumindest verwaltungsmäßig wieder jene Stellung erreicht, die es während der Monarchie inne hatte. Heute sind am Institut mit seinen beiden Zweigstellen 20 Wissenschafter tätig und bemühen sich, den vom Gesetzgeber erteilten Forschungsauftrag zu erfüllen.

Abb. 6: Ephesos. Unterer Embolos mit Hadrianstor, Celsusbibliothek und Mazaeus-Mithridates-Tor

Abb. 7: Aigeira. Monumentaler Zeuskopf, gefunden bei den Grabungen 1916 (Athen, Nationalmuseum)

Anläßlich des Jubiläums hat das Institut als Band 31 in der Reihe der "Sonderschriften" eine von Manfred Kandler und Gudrun Wlach redaktionell betreute Publikation herausgebracht, in deren erstem Teil die hier kurz skizzierte Institutsgeschichte in mehreren Kapiteln erstmals ausführlich dargestellt und quellenmäßig belegt wird. Ein weiteres Kapitel behandelt ausführlich die Persönlichkeiten, die als Direktoren und Forscher am Institut tätig waren. Der dritte Teil schließlich stellt ausgewählte alte und neue Grabungen in kurzen Zusammenfassungen und mit anschaulichen Bildern (Abb. 6, 7) versehen vor.

100 JAHRE ÖSTERREICHISCHES ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT. 1898 - 1998
Sonderschriften des Österreichischen Archäologischen Institutes 31 (1998)
(Redaktion: Manfred Kandler und Gudrun Wlach)
(217 Seiten, 129 SW/Abb. im Text, 25 Farbabb.)

Inhalt
Ouvertüre. Die Entwicklung der Archäologie im 19. Jahrhundert (Christa Schauer)
Imperiale Größe. Das k.k. österreichische archäologische Institut von der Gründung bis zum Untergang der Monarchie (Manfred Kandler - Gudrun Wlach)
Der Kampf gegen die Auflösung. Das Österreichische Archäologische Institut in der Zwischenkriegszeit 1918 - 1938 (Heinrich Zabehlicky)
Unter fremden Namen. Die Jahre 1938 - 1945 (Manfred Kandler)
Wiederbeginn und Aufstieg. Die Entwicklung des Österreichischen Archäologischen Institutes von 1945 bis in die Gegegnwart (Dieter Knibbe - Herma Stiglitz)
Das Österreichische Archäologische Institut heute. Die Zentrale in Wien (Dieter Knibbe)
Die Bibiothek (Maria Bodzenta)
Die Abteilung für Konservierung und Technologie von Bodendenkmälern (Katharina Hasitzka - Karl Herold)
Die Zweigstelle Athen (Veronika Mitsopoulos-Leon)
Die Zweigstelle Kairo (Manfred Bietak)
Ausblick in die Zukunft. (Fritz Krinzinger)
Die Akteure. Die Direktoren und wissenschaftlichen Bediensteten des Österreichischen Archäologischen Institutes (Gudrun Wlach)
Otto Benndorf, Robert von Schneider, Emil Reisch, Camillo Praschniker, Rudolf Egger, Josef Keil, Otto Walter, Fritz Eichler, Hermann Vetters; Ernst Kalinka, Eduard Hula, Josef Zingerle, Friedrich Löhr, Heinrich Sitte, Franz Miltner, Egon Braun, Erich Swoboda, Wilhelm Alzinger.
Wissenschaftliche Ernte. Ergebnisse alter und neuer Grabungen des Österreichischen Archäologischen Institutes (eine Auswahl).
Inland: Aguntum (Stefan Karwiese), Bruckneudorf (Heinrich Zabehlicky), Carnuntum (Manfred Kandler), Cetium - St. Pölten (Peter Scherrer), Favianis - Mautern (Herma Stiglitz - Stefan Groh), Kirchberg (Ronald Risy), Lauriacum - Enns (Gudrun Wlach), Mondsee (Stefan Karwiese), Salzburg - St. Peter (Stefan Karwiese), Zwentendorf (Herma Stiglitz).
Ausland: Aigeira (Anton Bammer), Elis (Veronika Mitsopolous-Leon), Lousoi (Veronika Mitsopoulos-Leon), Ephesos (Gilbert Wiplinger), Tell el-Dab'a (Manfred Bietak).

Der Band ist über den Phoibos-Verlag zu beziehen (Preis ATS 380.- / EUR 27,80 / DM 54,40 / US$ 38,-).
A - 1050 Wien, Anzengrubergasse 19/14.
Tel.: 0431/5440319-1; Fax: 0431/5440319-9; E-Mail: phoibos@eunet.at

© Manfred Kandler - Gudrun Wlach
e-mail: gwlach@oeai.univie.ac.at



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