Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 6 / III / 1998

ZWEI COMPUTERUNTERSTÜTZTE METHODEN ZUR BILDHAFTEN ERFASSUNG ARCHÄOLOGISCHER FUNDSTÜCKE


Einleitung

Abb. 1: Eine Vase von 4 Personen unterschiedlich gezeichnet (aus OTV93)
Am Institut für Automation, Abteilung für Mustererkennung und Bildverarbeitung, der Technischen Universität Wien (FWF-Projekt-Nr. P09954-SPR), wurde an der Entwicklung eines Aufnahmesystems, das archäologische Keramikfragmente mit Hilfe des Computers erfaßt, gearbeitet. Dieses System soll dem Archäologen als Werkzeug dienen und den Zeit- und Arbeitsaufwand zur Archivierung und Klassifizierung von Fundstücken reduzieren, sowie eine objektive und wiederholbare Erfassung des Material liefern, da die konventionelle, manuelle Aufnahme bei verschiedenen Zeichnern zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (Abb. 1).

Es wurden unterschiedliche Techniken erarbeitet, von denen in diesem Artikel das Laserlichtschnittverfahren und der kodiert Lichtansatz als Aufnahmeverfahren vorgestellt werden.

Das Laserlichtschnittverfahren zur Erzeugung von Profilschnitten
Um einen exakten einzelnen Profilschnitt einer Scherbe zu erhalten, wurde folgende Technik entwickelt und implementiert. In unserem Versuchsaufbau (Abb. 2) wurden zwei Lichtquellen (rotes Laserlicht), die eine Lichtebene projizieren, feststehend positioniert. Dabei wurden sie so angeordnet, daß die beiden aufgespalteten Lichtebenen ineinander übergehen und somit eine einzige Ebene aufspannen.

Abb. 2: Versuchsaufbau mit einer Kamera, einem Laser und ein Objekt
Abb. 3: Auf Scherbe projizierte Schnittlinie


Das aufgespaltete Licht erzeugt beim Auftreffen auf die Objektoberfläche eine Schnittlinie (Abb. 3).
Werden die Laser genau gegenüberliegend montiert, entsteht rund um das Objekt eine einzige durchgehende Schnittlinie, die von zwei CCD-Kameras aufgenommen wird. Beide Kameras müssen sich in einem genau definierten Abstand zur Lichtquelle befinden, damit eine Koordinatenrückrechnung möglich wird. Die genaue Aufnahmegeometrie wird durch eine Kalibrierung des System ermittelt [Tsai86].

Abb. 4: Darstellung des projizierten Lichtes am Bildschirm

Aufgrund der Positionierung der aufgenommenen Laserschnittlinie im Kamerabild (Abb. 4) und der bekannten Aufnahmegeometrie kann für jeden Punkt der Linie die Entfernung zur Kamera berechnet werden. Durch Verwendung zweier Kameras und Laser wird so ein durchgehender Profilschnitt des Objektes berechnet.
Zur Aufnahme und Berechnung des Profilschnittes wurde ein Programm entwickelt, das die notwendigen Arbeitsgänge automatisch durchführt. Bei der Initialisierung des Systems wird die gesamte Aufnahmegeometrie ermittelt. Danach besteht - je nach Größe des Objektes - die Möglichkeit, bis zu 20 Profilschnitte pro Sekunde zu berechnen. Hält der Archäologe eine Fundscherbe in die Lichtebene, so sieht er am Bildschirm eine visualisierte Darstellung des Profilschnittes. Diese kann für spätere Arbeiten, wie z.B. zur Vermessung des Profils, archiviert werden.

Der kodierte Lichtansatz zur dreidimensionalen Erfassung von Scherben
Die Entfernung von Oberflächenpunkten wird mittels dem Triangulationsverfahren [LIN89] berechnet, indem ein Lichtprojektor viele Streifenmuster auf ein Objekt projiziert und diese zeitlich versetzt mit Hilfe einer Kamera aufgenommen werden.

Abb. 5: Versuchsaufbau mit Streifenprojektor, Kamera und Objekt

Unsere Versuchsanordnung besteht aus einem LCD-640 Streifenprojektor und einer CCD-Kamera (Abb. 5). Der Projektor projiziert kodierte Lichtmuster auf die Oberfläche der Scherbe (Abb. 6 und Abb. 7), die eine eindeutige Identifizierung der Lichtstreifen ermöglichen. Durch Detektion dieser Lichtstreifen und mit Hilfe der bekannten Kameraparameter kann die dreidimensionale Information der sichtbaren Oberfläche berechnet werden. Diese Information läßt sich in einem Tiefenbild (Abb. 8) darstellen.

Abb. 6: Scherbe mit kodiertem Streifenmuster
Abb. 7: Scherbe mit kodiertemStreifenmuster

Abb. 8: Tiefenbild
Abb. 9: generiertes 3D-Modell

Durch Überlagerung des Oberflächenbildes mit dem Tiefenbild erhält man ein realistisches Modell des Scherbens. (Abb. 9).
Die Genauigkeit der Aufnahme ist von der korrekten Detektion der Übergänge von beleuchteten zu unbeleuchteten Flächen abhängig.

Es wurde ein Programm mit Hilfe des Bildverabeitungssystems KHOROS entwickelt, das die Arbeitsgänge - Kalibrierung der Kamera und des Projektors, Initialisierung des Projektors und Berechnung der 3D-Koordinaten - automatisch durchführt.

Zusammenfassung und Ausblick
Es wurden zwei Verfahren zur computerunterstützten Erfassung von archäologischen Fundstücken vorgestellt. Um eine Darstellung von Profilschnitten zu erhalten wurde in diesem Beitrag das Laserlichtschnittverfahren gezeigt. Zur Erzeugung einer kompletten dreidimensionalen Darstellung eines Fundes zu erhalten wurde die Methode des kodierten Lichtansatzes vorgestellt.
Beide Verfahren dienen als Grundlage für eine Vielzahl weiterer Forschungsaktivitäten. Unter anderem wird zur Zeit an einem System zur automatischen Klassifikation und Rekonstruktion archäologischer Scherben gearbeitet [SM95]. Ziel der Arbeiten ist es, ein archäologisches Archivierungssystem zu erstellen, welches neben Funktionen zur Ablage und Organisation der Funde auch Methoden zu deren Analyse (u.a. [MT96, YM97]) zur Verfügung stellt.

Referenzen:
[LIN89] Lin W.C., Chen S.Y., Chen C.T., "A New Surface Interpolation Technique for Reconstructing 3D Objects from Serial Cross Sections", Computer Vision, Graphics, and Image Processing, Vol 48, pp.124-143, 1989.
[MT96] Christian Menard und Ingeborg Tastl, "Automated Color Determination for Archaeological Objects", IS&T Fourth Color Imaging Conference, pp. 160-163, Scottdale, November 1996.
[YM97] S. Ben Yacoub und Christian Menard, "Robust Axis Determination for Rotational Symmetric Objects of Range Data", Proceedings of the 21st Workshop of the Austrian Association for Pattern Recognition, pp. 197-201, Hallstatt, 1997.
[OTV93] C. Orton, P. Tyers und A. Vince, Pottery in Archaeology, Cambridge Manuals in Archaeology, 1993.
[SM95] Robert Sablatnig und Christian Menard, "Computer based Acquisition of Archaeological Finds: The First Step towards Automatic Classification", Proceedings of the 3rd International Symposium on Computing and Archaeology, 1995.
[Tsai86] Roger Y. Tsai, "An Efficient and Accurate Camera Calibration Technique for 3D Machine Vision", Proceedings of IEEE Conference on Computer Vision and Pattern Recognition, Miami Beach, Florida, pp. 364-374, 1986.

© M. Kampel & Ch. Liska
kampel@prip.tuwien.ac.at
lis@prip.tuwien.ac.at



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