Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 6 / III / 1998

TROMPE L'OEIL IN DER GRIECHISCHEN MALEREI UND MOSAIKKUNST


Abstract: Trompe l’oeil in greek painting has been the subject of the author’s thesis. The main topics have been the discussion of different definitions of the term "Trompe l’oeil", analysis of ancient sources concerning naturalistic paintings and the analysis of preserved mosaics and paintings up to the roman conquest. In this article three prominent examples are put up for discussion. First the anecdote of the competition between the painters Zeuxis and Parrhasios at the end of the 5th century B.C. shall be examined, which Pliny the Elder reports in his naturalis historiae, XXXV 65. The grapes of Zeuxis have been very naturalistic so that birds tried to pick them up. Very proud of his success he asked Parrhasios to push the curtain in order to show his picture. Just at this moment he realised that the curtain was the picture and awarded the prize to Parrhasios. The second example deals with the unswept floor of the mosaicist Sosos of Pergamon (2nd century B.C). This mosaic is recorded in several roman copies and also in Pliny, naturalis historiae XXXVI 184. One example, now in the Vatican, Rome, fig. 1, shows the detailed description of all the leftovers after a great meal. Even the shadows are added in the right way. As a third example the signature of the mosaicist Hephaistion, fig. 2, found at Pergamon is put up for discussion. The mosaic shows a small piece of papyrus (12,5 x 7,5 cm) fixed to the floor by red sealing-wax. Just one corner is rolled up. The artist did not forget to show the shadow, of course. Looking at this signature from a distance the perfect imitation of a sheet of paper, fallen on the floor, will irritate the senses and one has to take a second glimpse. This is the main aspect of Trompe l’oeil: deceiving the eye by imitating something in the most perfect way just as the curtain of Parrhasios, the unswept floor of Sosos, or the mosaic-signature of Hephaistion.

Im Rahmen ihrer Diplomarbeit setzte sich die Autorin mit dem Phänomen des Trompe l’oeil, der Augentäuschung, in der griechischen Malerei auseinander[1]. Was ist nun solch eine Augentäuschung?
Das Trompe l’oeil stellt eine besondere Ausformung des Illusionismus dar. Die Hauptkomponente ist die täuschend genaue dreidimensionale Darstellung eines oder mehrerer Gegenstände in der Malerei, so daß der Betrachter, zumindest kurzfristig, den Eindruck erhält, das Original und nicht die Darstellung vor sich zu haben. Zur Illustration sei auf die modernen Fassadenmalereien verwiesen, die Fenster und Türen, Balkone, ja ganze Häuserzeilen zeigen können und den Betrachter vor die fast unlösbar scheinende Frage stellen: „Ist das eine echte oder eine gemalte Fassade."[2]
Die Kunst der Neuzeit kennt das Phänomen Trompe l’oeil seit dem 17. Jh. Entstanden sind die ersten Darstellungen in der niederländischen Stillebenmalerei. Dort wurden hauptsächlich Steckbretter, vergleichbar mit den modernen Pinwänden, Musikinstrumente oder die auf einem Nagel aufgehängte Jagdbeute dargestellt. Diese Bilder zeichnen sich durch ihre minutiöse Pinselführung sowie die sehr naturalistische Darstellung des Schattens aus. Besonders das niederländische Bürgertum zeigte Interesse an diesen Augentäuschungen[3].
Drei besonders eindrucksvolle Beispiele aus der Antike werden nun vorgestellt.

Als erstes sei auf die bekannteste antike Anekdote eingegangen, die sich mit Trompe l’oeil beschäftigt. Es ist dies der Bericht bei Plinius (naturalis historiae XXXV, 65) über einen Wettkampf zwischen den Malern Zeuxis und Parrhasios, der am Ende des 5.Jhs. v.Chr. stattgefunden haben soll[4]. Zeuxis malte Trauben so naturgetreu, daß die Vögel darauf zuflogen und nach ihnen picken wollten. Bestärkt durch das Urteil der Vögel forderte nun Zeuxis seinen Kollegen Parrhasios auf, doch den Vorhang von dem Bild zu nehmen und sein Werk zu zeigen. Erst in diesem Moment realisierte er, daß der Vorhang das Bildmotiv darstellte und gestand seine Niederlage ein, da er zwar die Vögel, Parrhasios aber ihn, den Künstler getäuscht hatte.
Es wird in dieser Anekdote von zwei unterschiedlichen Augentäuschungen berichtet. Die eine erfolgte in Form der Trauben, die, allem Anschein nach, nur die Vögel, nicht aber die Menschen täuschen konnten. Der Vorhang des Parrhasios dagegen wird als eindeutiges Trompe l’oeil bezeichnet: Er war so hervorragend gemalt worden, daß er sogar einen Künstler täuschen konnte. Wie die beiden Bilder ausgesehen haben, ist auf Grund der schlechten Überlieferung von antiken Originalen aus dem Bereich der monumentalen Malerei nicht zu beurteilen. Bemerkenswert ist der Umstand, daß die Anekdote unter dem Titel: ‘Die Trauben des Zeuxis’ und nicht als: ‘Der Vorhang des Parrhasios’ in die wissenschaftliche Literatur Eingang gefunden hat.
Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer antiker Anekdoten, die sich mit dem Thema der naturalistischen Darstellung in der antiken Malerei auseinandersetzen, doch wird bei keiner so eindeutig auf eine Augentäuschung eingegangen wie in dieser.

Ein sehr eindrucksvolles Beispiel für antikes Trompe l’oeil stellt der „ungefegte Boden" des Sosos dar[5]. Die Wissenschaft ist bei diesem Werk in der glücklichen Lage antike Quelle sowie antike Kopie nebeneinander betrachten zu können. Plinius berichtet in seiner naturalis historiae XXXVI, 184 von dem pergamenischen Künstler Sosos, der ein Taubenmosaik sowie den ungefegten Boden darstellte. Er ist der einzige namentlich genannte Mosaizist bei Plinius.
Im Zusammenhang mit antikem Trompe l’oeil sei nun auf das zweite Werk genauer eingegangen. Über das Leben von Sosos besitzen wir keine genauen Angaben, doch ist anzunehmen, daß er zur Zeit der Attalidenherrschaft in Pergamon, das an der Westküste der heutigen Türkei liegt, im 2.Jh. v.Chr. tätig war. Plinius beschreibt nur, daß Essensreste und andere Abfälle aus kleinen Mosaiksteinchen nachgebildet wurden. An dieser Stelle sei anzumerken, daß man in der Antike Knochen, Gräten, Schalen usw., also Dinge, die nicht zum Verzehr geeignet waren, einfach auf den Boden warf und erst nach dem Gelage die Reste aufkehrte. Eine Vorstellung, wie dieses Mosaik ausgesehen hat, läßt sich anhand der erhaltenen römischen Kopien gewinnen. Ihnen ist gemeinsam, daß Reste von Fischen, Hühnern, Obst und Gemüse sowie von Muscheln dargestellt sind.

Abb. 1: ungefegter Boden (aus: C. Bertelli, Die Mosaiken (1985) 18f.).

Besonders der Mosaikboden im Vatikan, Rom (Abb. 1) fällt durch seine detaillierte Schattenangabe auf und soll daher als einziges Beispiel genauer untersucht werden[6]. Auf dem gezeigten Ausschnitt sind verschiedene Schnecken, Geflügelknochen, Reste von Edelkastanien sowie Nüssen zu sehen. Die kleine Maus am unteren Bildrand zeigt dem Betrachter sehr bald, daß es sich um ein Mosaik handelt, da sie sich ja nicht bewegt und so die Illusion zerstört. Das Original des Sosos muß, der antiken Überlieferung nach, aus noch kleineren Mosaiksteinen bestanden haben, die eine größere Farbpalette mit all ihren Farbabstufungen aufwiesen. Die Fülle der Essensreste auf dem Mosaikboden demonstrierte eindrucksvoll den Reichtum des Besitzers. Bezeichnenderweise stammen auch die meisten Kopien aus Speiseräumen.

Bei dem dritten Beispiel handelt es sich wieder um ein Bodenmosaik aus Pergamon, allerdings um ein Original des dritten Viertels des 2.Jhs. v.Chr. Gezeigt wird die Signatur des Mosaizisten Hephaistion (Abb. 2)[7]. Sie ist jedoch nicht in der üblichen Form von einem rechteckigen Rahmen eingefaßt, sondern zeigt ein Papyrusblatt, das mit rotem Siegelwachs auf dem Boden festgeklebt ist, sich jedoch an einer Stelle bereits gelöst und dabei ein Eck aufgerollt hat.

Abb. 2: Signatur des Hephaistion (aus: M. Donderer, Die Mosaizisten der Antike und ihre wirtschaftliche und soziale Stellung. Eine Quellenstudie, Diss. Erlangen (1989) Taf. 14, 2)

Durch dieses aufgebogene Eck erhält der „Zettel" eine räumliche Wirkung, die durch die passenden Schattenangaben noch verstärkt wird. Bei einem flüchtigen Blick wird man durch dieses kleine Detail (12,5 x 7,5 cm bei einer Gesamtgröße des Mosaiks von 8,7 x 8,7 m) zu einem genaueren Betrachten aufgefordert. Selbst aus der Nähe ist dieser Zettel nicht auf den ersten Blick als Mosaiksignatur zu erkennen. Die zu dieser Signatur gehörenden Bilder wurden bereits in der Antike wieder entfernt wodurch die Signatur auf dem erhaltenen Rest noch besser zur Geltung kommt.

Anhand der drei ausgewählten Beispiele läßt sich sehr schön zeigen, daß in der Antike die Augentäuschung sehr wohl bekannt war und auch in ironischer Absicht verwendet wurde. Besonders augenfällig ist das am Beispiel der Signatur des Hephaistion. Es handelt sich dabei um ein eindeutiges Trompe l’oeil, das vom Künstler in der Absicht verlegt wurde, die Betrachter zu täuschen. Um so bemerkenswerter ist es, daß das Motiv über die Jahrhunderte nichts an seiner Wirkung eingebüßt hat. Auch der ungefegte Boden des Sosos verrät diese Absicht, bewußt die Essensreste nachzuahmen, um den Reichtum des Besitzers sowie die Fülle des Angebotenen in ausreichendem Maße darzustellen. Hier wirken vor allem die feinen Farbnuancen, die die räumliche Tiefe der einzelnen Objekten sehr schön zur Geltung bringen. Sehr zu bedauern ist es, daß weder die Trauben des Zeuxis noch der Vorhang des Parrhasios der Nachwelt erhalten blieben. Diese beiden Werke könnten Aufschluß über die Anfänge des Trompe l’oeil in der Antike liefern.

Zu recht wird somit in der kunsthistorischen Literatur im Zusammenhang mit dem Trompe l’oeil des 17. Jhs. auf die Antike verwiesen[8], doch erst anhand weiterer noch ausstehender Untersuchungen können Parallelen sowie Unterschiede aufgezeigt werden. Zu untersuchen wären das soziale Umfeld, in dem Trompe l’oeil verwendet bzw. in Auftrag gegeben wurden. Auch zu möglichen Unterschieden in Hinblick auf die unterschiedlichen Techniken, der Ölmalerei im 17. Jh. sowie der Tafelmalerei oder Mosaikkunst in der Antike, fehlen zur Zeit noch wissenschaftliche Untersuchungen.

[1] G. Vetters, Trompe l'oeil in der Griechischen Malerei (Dipl. Wien 1997). An dieser Stelle sei J. Borchhardt für das Thema sowie die Betreuung während der gesamten Arbeit sehr herzlich gedankt.
[2] Besonders in den USA ist diese Form der Fabriksgestaltung sehr beliebt; dazu s. M. Baur-Heinold, Bemalte Fassade. Geschichte, Vorbild, Technik, Erneuerung (1975).
[3] C. Burda, Das Trompe l'oeil in der holländischen Malerei des 17.Jh. (Diss. München 1969); M.L. d'Otrange-Mastai, Illusion in Art. Trompe l'oeil. A History of Pictorial Illusionism (1975); I. Bergström, Dutch Still-Life Painting in the 17th Century (1961).
[4] K. Gschwantler, Zeuxis und Parrhasios. Ein Beitrag zu antiken Künstlerbiographie (Diss. Graz 1975); C. Perez, Nachahmung der Natur. Herkunft und Implikation eines Topos, in: H. Körner (Hrsg.), Die Trauben des Zeuxis, Münchner Beiträge zu Geschichte und Theorie der Künste (1990) 3-39.
[5] K. Parlasca, Das pergamenische Taubenmosaik, JdI 78, 1963, 259-293; H. Meyer, Zu neuer Deutung von Asarotos Oikos und Kapitolinischem Taubenmosaik; AA 1977, 104-110; G. Brusin, L'asaroton del Museo di Aquileia, in: G. Fiocco (Hrsg.), Anthemon. Festschrift C. Anti (1955) 93-107.
[6] Ungefegter Boden mit Signatur: Heraklitos ergasato, hadrianisch. Rom, Vatikanische Mussen Inv.Nr. 10132 (W. Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom 1 (1963)4 784 Nr. 1084).
[7] ca. 159-138 v.Chr. Berlin, Pergamonmuseum Inv. Mos. 70 (G. Kawerau-T. Wiegand, Die Paläste der Hochburg, AvP V, 1 (1930) 58-61 Abb. 72; I. Kriseleit, Antike Mosaike (1985) 8-10. 61-65; O. Bingöl, Malerei und Mosaik der Antike in der Türkei (1997) 83-85 Abb. 57-58 Taf. 10-11).
[8] d'Otrange-Mastai a.O. 35.

© G. Vetters



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