Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 98 / III / 2021

EINE ALTE ANTIKENSAMMLUNG IN NEUEM LICHT
(Arbeitstitel)

Die im Jahr 2020 eröffnete Dresdner Antikenhalle bietet dem Fachbesucher die Möglichkeit, griechische Skulptur im Spiegel der römisch-kaiserzeitlichen Kopien so zu studieren, wie es erstmals Georg Treu im ausgehenden 19. Jahrhundert als sinnvoll erachtet hat. Mit mehreren Werken ist etwa Polyklet vertreten, dem Treu im Rahmen der Präsentation der Skulpturensammlung im Albertinum im Jahr 1894 einen eigenen, nicht weniger als 34 Skulpturen umfassenden Saal, von dem mir kein Foto bekannt ist, gewidmet hatte. Gegenwärtig können frühe und späte Werke von der Hand dieses Mannes verglichen werden, ebenso wie Repliken, die demselben Typus angehören (sog. Ephebe Westmacott). Die Charakteristika des polykletischen Œuvres lassen sich durch eine Gegenüberstellung mit männlichen Statuen(teilen), die auf Werke von Zeitgenossen dieses Bildhauers zurückgehen, z.B. dem sog. Grauen Athleten und der Replik des Herakles Ludovisi, ermitteln. Der Blick in eine andere Abteilung desselben Raumes erlaubt es darüberhinaus, die weitere Entwicklung der griechischen Idealplastik anhand von Kopien etwa nach Werken des Praxiteles in den Blick zu nehmen.
Die Präsentation des Abgusses eines polykletischem Torsos (Inv. Hm 84) mit den barockzeitlichen Ergänzungen (als Alexander der Große!) wiederum informiert über Aussehen und Deutung dieser Skulptur im 17. Jahrhundert und darüber, wie sie von 1728 bis 1894 in Dresden wahrzunehmen war.
An ihre Grenzen stößt die museale Vermittlung der Kenntnis antiker Bildhauerkunst in Dresden naturgemäß bei Werken, deren Bildhauer nicht bekannt ist, etwa bei einer bedeutenden, im 18. Jahrhundert als Porträt missverstandenen überlebensgroßen Sitzenden (Inv. Hm 241). Alles, was über eine ästhetische Würdigung dieses Werkes hinausführt, lässt sich nur mithilfe einer kopienkritischen Analyse in Erfahrung bringen. Und selbst dann, wenn man unter Heranziehung von besser erhaltenen Repliken dieses statuarischen Typus das Attribut der Figur erschlossen und eine Vorstellung vom Aussehen ihres Kopfes gewonnen hat, bedürfen einige Fragen nach wie vor einer ausführlichen Erörterung, die Gegenstand des Kolloquiums-Beitrags sein soll: In welcher Zeit ist das Original entstanden, zeigte es eine Muse, die ausnahmsweise halbnackt wiedergegeben war, und hat die Dargestellte zusammen mit Apollon und Marsyas zu einer Dreifigurengruppe gehört?

© Sascha Kansteiner
e-mail: Sascha.kansteiner@skd.museum

This article should be cited like this: S. Kansteiner, Eine alte Antikensammlung in neuem Licht (Arbeitstitel), Forum Archaeologiae 98/III/2021 (http://farch.net).



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