Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 94 / III / 2020

DIE WASSERVERSORGUNG DER ZIVILSTADT VON CARNUNTUM
Überlegungen zur Aussagekraft geophysikalischer Prospektionsdaten

Die archäologische Landschaft von Carnuntum ist das wichtigste, bis heute nicht überbaute Bodendenkmal römischer Zeit auf österreichischem Boden. Im Zuge eines Forschungsprojekts des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie wurde diese archäologische Landschaft – vornehmlich unter Nutzung von Geomagnetik und Georadar – flächig prospektiert.
Im Zuge des auf dem Österreichischen Archäologietag 2020 präsentierten Teilprojekts wird die Verwendung von Wasser untersucht. Hierzu werden Fragen nach der Gewinnung, Zuleitung, Nutzung und Ableitung von Wasser in der Zivilstadt von Carnuntum, dem Siedlungsbereich des municipiums Aelium Carnuntum, das in severischer Zeit zur colonia erhoben wurde, gestellt.
Während sich bisherige Überlegungen zur Wasserversorgung Carnuntums weitgehend auf den außerstädtischen Verlauf von Wasserleitungen, die Militärlager, die canabae und Grabungsbefunde im Archäologischen Park Carnuntum und seinem Umfeld konzentrierten, steht das zentrale Areal der Zivilstadt, das im als „Tiergarten“ bezeichneten Gebiet gelegen ist, im Zentrum des vorgestellten Projekts. Zu diesem Areal bezogen sich bisherige Beiträge zu Fragen der Wasserzuleitung und Abwasserentsorgung meist auf das Forum und die umliegenden Straßen sowie auf die sog. Palastruine. Entsprechende Überlegungen stützten sich vor allem auf die Befunde von Altgrabungen im späten 19. Jahrhundert und in den 1930er Jahren.
Grabungen im Bereich des Archäologischen Parks belegten ein mehrphasiges Wasserversorgungssystem: In einer ersten Phase wurde die Trink- und Brauchwasserversorgung durch Brunnen gewährleistet. Ab dem Ende des 1.Jhs. / Beginn des 2.Jhs. n.Chr. wurde ein aus hölzernen Leitungen bestehendes, aus Sickergalerien gespeistes lokales Leitungsnetz geschaffen. Mit einer hadrianischen Straßenpflasterung ging die Anlage gemauerter Wasserleitungen einher. Wohl in frühseverischer Zeit wurden um 200 n.Chr. im Zuge umfangreicher Infrastrukturmaßnahmen neue Frischwasserzuleitungen geschaffen, die u.a. zur Versorgung der Großen Thermen dienten. Weitere große Veränderungen der hydrologischen Infrastruktur sind im 4.Jh. n.Chr. zu beobachten als aufgrund von Schuttverfüllungen alter Leitungen alternative Wege der Wasserführung gefunden werden mussten.
Der aktuelle, auf Grabungsergebnisse gestützte Forschungsstand zum Wasserbau in Carnuntum und anderen Städten der Nordprovinzen wie etwa Iuvavum, Lauriacum, Aquincum und Aelium Cetium, die als Vergleichsbeispiele herangezogen werden, dient als Grundlage für die Interpretation der geophysikalischen Prospektionsdaten der Zivilstadt. Ziel des vorgestellten Projekts war es, sowohl weiterführende Erkenntnisse zur Frischwasserzuleitung, Wassernutzung und Brauchwasserableitung zu gewinnen als auch methodisch das wissenschaftliche Potential und die Grenzen der Aussagekraft von Prospektionsdaten für diesen Themenkomplex exemplarisch aufzuzeigen. Das Messbild zeigt einige Anomalien, die als spezifische, mit Wassernutzung eng verbundene Bauten zu interpretieren sind. Zu diesen zählen Brunnenanlagen, Becken und Kanäle. Geophysikalische Prospektionsdaten erwiesen sich als geeignet, um das Bild der hydrologischen Infrastruktur Carnuntums deutlich zu verbessern.

© Michael Teichmann, Mario Wallner, Wolfgang Neubauer
e-mail: michael.teichmann@univie.ac.at, Mario.Wallner@archpro.lbg.ac.at, Wolfgang.Neubauer@archpro.lbg.ac.at

This article should be cited like this: M. Teichmann – M. Wallner – W. Neubauer, Die Wasserversorgung der Zivilstadt von Carnuntum. Überlegungen zur Aussagekraft geophysikalischer Prospektionsdaten, Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).



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