Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 94 / III / 2020

AUSMASS UND UMFANG DES RÖMERZEITLICHEN MARMORABBAUS AM SPITZELOFEN

Der Spitzelofen am Westabfall der Koralpe auf einer Seehöhe von 1000–1080m gehört zu den bekanntesten Marmorsteinbrüchen der Römerzeit im Südostalpenraum. Im Blickpunkt der Forschung stand bislang jedoch nur ein kleiner Ausschnitt des ausgedehnten Steinbruchreviers; insbesondere der in den 1920er-Jahren und 1930 ausgegrabene und durch seine Weihinschrift an Saxanus bekannte Steinbruch (GO 38). Im Zuge einer archäologisch-topografischen Kartierung der Jahre 2015/16 und 2019 wurde das gesamte Marmorsteinbruchrevier im Umfang von 11,5ha mit über 46 Geländeobjekten, darunter 26 Marmorsteinbrüchen, und dem Wegenetz dokumentiert. Diese Aufnahme zeigt deutlich ein nicht nur ostalpines Charakteristikum der römerzeitlichen Marmorgewinnung. Diese erfolgte nicht in einem großen Steinbruch, der sukzessive vertikal und horizontal erweitert wurde, sondern erschloss ein hinsichtlich der Marmorqualität und Blockgröße entsprechendes Marmorvorkommen auf seiner gesamten Fläche durch unterschiedlich große Steinbrüche, zumeist in Form von Hangsteinbrüchen, seltener in grubenartigen Steinbrüchen, sowie auch nur durch das Ausbrechen von einzelnen Blöcken an natürlichen Felsvorsprüngen. Bevorzugt nutzte man dafür vorhandene geologische Klüfte in den Marmorlagen, um sich die aufwändige Arbeit des Herstellens von Schrämgräben bzw. Schrotschlitzen zu ersparen.

Die quantitative Bestimmung des abgebauten Marmors kann wichtige Vergleichswerte zu anderen Steinbruchrevieren liefern und helfen, die Bedeutung eines Reviers hinsichtlich des Ausmaßes der Nachfrage besser abzuschätzen. Die beschriebene diverse Steingewinnung erschwert jedoch eine Bestimmung des Abbauvolumens. Dazu kommt, dass der Marmorzug morphologisch markant in Form von Felsöfen hervortritt; die ursprüngliche Oberfläche kaum zu rekonstruieren ist. Weiters, dass die eigentlichen Sohlen der Steinbrüche zum größten Teil verschüttet und die ursprünglichen Steinbruchwände zum Teil nur mehr durch steile erodierte Böschungen zu erkennen sind.
Für eine zumindest annäherungsweise Abschätzung des abgebauten Materialvolumens stehen verschiedene Berechnungsmethoden zur Verfügung, die bereits bei den Steinbrüchen in Aphrodisias angewendet wurden. Übernimmt man die Berechnungsmethode „(Abbaufläche x max. Höhe der Steinbruchwand)/2“ so ergibt sich ein Gesamtvolumen am Spitzelofen von ca. 15.000m³ (gesamte Abbaufläche ca. 3.200m²). Auch wenn nur ein Viertel des abgebauten Materials als brauchbar angenommen wird, so beläuft sich der gewonnene Marmor auf ca. 3.700m³. Diese Größe wirft ein neues Licht auf den Spitzelofen, der anhand der bisherigen Marmorprovenienzanalysen von Steindenkmälern als lokaler, d.h. für das Lavanttal relevanter Steinbruch angesehen wurde.
Wichtige Informationen zum Ausmaß aber auch zu den gewonnenen Blockformaten und deren möglicher Verwendungszweck, lassen sich auch an den Steinbruchwänden mit Abbauspuren (Schrämrillen) ablesen. 3D-Dokumentationsmethoden helfen hier auch gro0flächige Wände wie die Ostwand des Steinbruches GO 38 mit einer Höhe von 11,1m, einer Fläche von 114m² und mind. 20 Blocklagen akkurat zu erfassen und auszuwerten.
Die Neufunde von 30 Steinbruchwerkzeugen, der Nachweis einer Schmiedeesse samt Ambossplatz in der Abraumhalde eines Steinbruches am Kalkkogel (GO 3) und die Datierung des Beginns des Marmorabbaus im betreffenden Steinbruch anhand der aus dieser Esse stammenden Keramik und Holzkohle spätestens um die Mitte des 1. Jahrhunderts n.Chr. zeigen zusätzlich das Potenzial dieser neuaufgenommenen (montan)archäologischen Beschäftigung mit dem Marmorabbau.

© Stephan Karl
e-mail: stephan.karl@uni-graz.at

This article should be cited like this: St. Karl, Ausmaß und Umfang des römerzeitlichen Marmorabbaus am Spitzelofen, Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).



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