Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 94 / III / 2020

ASPEKTE DER STÄDTEBAULICHEN ENTWICKLUNG LIMYRAS IM HELLENISMUS UND IN DER FRÜHEN KAISERZEIT

Im Rahmen des Schwerpunktprogramms zur urbanistischen Erforschung der in Ostlykien gelegenen Stadt Limyra werden Fragen zu allgemeinen Aspekten, wie beispielsweise der Ausdehnung bzw. den Grenzen der Siedlung, der strukturellen Entwicklung des Stadtplans auch unter Einbeziehung ökonomischer und soziokultureller Bezüge ebenso gestellt wie solche, die sich aus den topographischen und geologischen Eigenheiten Limyras ergeben. Unter diesen Besonderheiten ist in erster Linie der Einfluss der einzigartigen hydrologischen Situation in Limyra mit mehreren, das antike Stadtgebiet durchschneidenden Bachläufen sowie des extrem hohen Grundwasserspiegels zu erwähnen, aufgrund dessen die Kenntnis der in situ befindlichen Gebäude bis vor kurzem auf einzelne Monumente beschränkt war. Derzeit wird die urbanistische Entwicklung Limyras im Rahmen eines vom FWF finanzierten Projekts auf interdisziplinärer Basis erforscht, wobei neue Grabungen, geophysikalische Untersuchungen, Oberflächensurveys sowie die wissenschaftliche Aufarbeitung zahlreicher in den nachantiken Stadtmauern wiederverwendeten Architekturblöcke älterer Gebäude bereits wertvolle Informationen zum städtebaulichen Erscheinungsbild lieferten. Da viele dieser Erkenntnisse in stärkerem Maße, als sich das ursprünglich abgezeichnet hat, die Spätantike betreffen, ist es notwendig, den ursprünglich relativ eng gesetzten Zeitansatz des Projekts, nämlich die Stadtentwicklung von Limyra vor allem in der hellenistischen und frühkaiserzeitlichen Periode, zu erweitern und auch diese Periode mit einzubeziehen.
In der Präsentation im Rahmen des 18. Österreichischen Archäologietags wird dennoch vor allem auf einige Aspekte der städtebaulichen Entwicklung Limyras im Hellenismus und in der Kaiserzeit eingegangen. Nach kurzen Überlegungen zur hellenistischen Stadtmauer steht die partielle Änderung der in hellenistischer Zeit etablierten einheitlichen Orientierung des Stadtplans im Mittelpunkt der Betrachtungen. Dieser massive Einschnitt in das Stadtbild erfolgte mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits in der frühen Kaiserzeit und betraf weite Teile der Unterstadt. Über den Grund für diese Maßnahme kann nur gemutmaßt werden, doch ist er mit einiger Wahrscheinlichkeit in der komplizierten hydrologischen Situation Limyras zu sehen. Aufgrund starker seismischer Bewegungen ergießen sich große Wassermengen eines hoch anstehenden Karsthorizontes der unmittelbar nördlich von Limyra befindlichen Bey Dağları verstärkt in den Untergrund der Stadt, wodurch zahlreiche Quellhorizonte im gesamten Gebiet der Unterstadt entstanden sind, die sich wiederum zu mehreren Wasserläufen vereinigten und Teile der Stadt überfluteten.

Ein Zeugnis für die drastische Änderung des städtebaulichen Konzepts und die urbanistische Neugestaltung des Zentrums von Limyra stellt möglicherweise das Bogenmonument für Ornimythos, einen prominenten Bürger der Stadt des 1.Jhs. n.Chr., dar. Für diese Hypothese spricht jedenfalls die Lage dieses Monuments unmittelbar am Ufer des westlichen Arms des Limyros-Flusses, der das Areal südlich des Ptolemaions überschwemmt hat (Abb.), da sich an dieser Stelle die Baumaßnahmen zur Änderung des Straßenverlaufs besonders deutlich erkennen lassen. Ob es sich bei den in der Inschrift des Bogens erwähnten außergewöhnlichen Verdiensten des Ornimythos, für die er mit bronzenen Statuen geehrt wurde, tatsächlich um seine aktive Rolle bei der Neugestaltung des städtischen Erscheinungsbildes von Limyra handelte, muss hingegen dahingestellt bleiben.

© Martin Seyer
e-mail: martin.seyer@oeai.at

This article should be cited like this: M. Seyer, Aspekte der städtebaulichen Entwicklung Limyras im Hellenismus und in der frühen Kaiserzeit, Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).



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