Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 94 / III / 2020

BRECANTIA / BREGENZ – EINE ZUSAMMENSCHAU DES ARCHÄOLOGISCH FASSBAREN IM 4. UND BEGINNENDEN 5.JH. N.CHR.

Die militärische Präsenz prägte nicht nur die frühkaiserzeitliche Gründungsphase des heutigen Bregenz, sondern auch zumindest zeitweise die Spätantike. Seit dem ausgehenden 19.Jh. gilt die gut 1,6h große Oberstadt als spätantiker Siedlungskern, der erst nach einem Verlassen des mittelkaiserzeitlich besiedelten Ölrainplateaus entstand und als Rückzugsort sukzessive weiter ausgebaut wurde.
Bei näherer Betrachtung erweist sich die archäologische Fassbarkeit des spätantiken Militärplatzes als problematisch. Dendrodatierte fortifikatorische Schlüsselbefunde, die auf ein Kastell am Ostufer des Bodensees hindeuten, fügen sich auf dem ersten Blick stimmig in das von der Notitia Dignitatum mitgeprägte Bild von Brecantia ein. Die Nennung von Confluentibus zusammen mit Brecantia als Stützpunkt eines Numerus bar(bari)cariorum wirft bis heute aber mehr Fragen auf, als die Archäologie überhaupt zu beantworten vermag. Dass unter Valentinian I. mit dem Bau einer Befestigung am Fuße der Bregenzer Oberstadt begonnen und ältere, mittelkaiserzeitliche Bausubstanz hierfür abgetragen worden war, kann als gesichert gelten. Eine topographische Neuaufnahme des römerzeitlichen Bregenz und unlängst abgeschlossene Baubegleitungen führten allerdings zur Erkenntnis, dass dieses Kastell ungleich kleiner und wesentlich fragmentarischer nachgewiesen werden konnte als zunächst angenommen. Ursprünglich im Grundriss rechteckig rekonstruiert bzw. ergänzt ist es den typischen, annähernd quadratischen Anlagen mit Eck- und Zwischentürmen wie in Schaan (FL) und Irgenhausen (CH) beizustellen. Ungeachtet z.T. emotional geführter Diskussionen über die Fertigstellung valentinianischer Befestigungsanlagen im Zentralalpenraum, scheinen diese Thesen ebenso wie eine fragwürdige Überbewertung von Fund und Befund den Diskurs in der scientific community gleichermaßen zu prägen ohne die Frage aufzuwerfen, welche Hinterlassenschaften in einem entsprechenden quantitativen und qualitativen Umfang vorhanden sein müssen, um die erfolgreiche Umsetzung dieses Bauprogramms am Ende des 4.Jhs. zu belegen.

Im Falle von Bregenz können zusätzliche Aspekte berücksichtigt werden. So wies M. Konrad bereits 1997 auf einen Anstieg der Bestattungen in der 2. Hälfte des 4.Jhs. hin, die, der numismatischen Neubewertung von A. Langer 2016 folgend, mit einer erhöhten Siedlungsintensität in valentinianischer Zeit einher ging und mit der historischen Überlieferung der militärischen Präsenz zusammenfällt. Diese Komponente nimmt in den Gräbern schon ab 350 n.Chr. zu – in absoluten Zahlen gefasst deuten die mindestens sieben Bestattungen zwischen 350 und 370 n.Chr. jedoch überwiegend auf Veteranen hin. In Ermangelung eines evidenten Niederschlags von Militaria und der vermehrten Beigabenlosigkeit jüngerer Gräber im Allgemeinen geben sich Ehemalige des stationierten Numerus im Gräberfeld nicht deutlich zu erkennen.
Die Verteilung der Fundmünzen unterhalb der befestigten Bregenzer Oberstadt deutet sowohl den ehemaligen Verlauf der Landverbindung in Richtung Kempten an als auch einen kleinen Teilbereich der Siedlung orografisch links des Thalbachs, an dessen Einmündung in den Bodensee eine Anlegestelle angenommen werden kann. Verschiedene Umstände mögen dazu beigetragen haben, dass aus dem Inneren des valentinianischen Kastells weder Münz- noch sonstige Funde bekannt sind.
Insgesamt bleibt unser Wissen von den Funden und Befunden aus dem spätantiken Siedlungsareal weiterhin überschaubar, sodass mit zukünftigen archäologischen Maßnahmen neue Erkenntnisse zu erwarten sind.

© Karl Oberhofer, Andreas Picker
e-mail: karl.oberhofer@uni-koeln.de, andreas.picker@bda.gv.at

This article should be cited like this: K. Oberhofer – A. Picker, Brecantia / Bregenz – eine Zusammenschau des archäologisch Fassbaren im 4. und beginnenden 5.Jh. n.Chr., Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).



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