Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 94 / III / 2020

STADTRÖMISCHE ARCHITEKTUR IN DER PROVINZ – DER TEMPELBEZIRK VON ST. MICHAEL AM ZOLLFELD

Das Forum Augustum nimmt einen wichtigen Platz in der Geschichte der Architektur ein und stellt darüber hinaus mit dem 2 v.Chr. eingeweihten Mars Ultor-Tempel auch den Kultmittelpunkt der Mars Ultor-Verehrung dar. An der Anlage selbst erscheint die Einfassung des Temenos mit einer Quadriportikus samt exedra duplex besonders markant. Die architektonische Gestaltung des Augustusforums dient infolge als Vorbild für weitere stadtrömische, aber auch provinziale Bauten. Ein weiterer stadtrömischer Vergleichsbau ist das 145 n.Chr. eingeweihte Hadrianeum an der heutigen Piazza di Pietra. Der Tempel für den verstorbenen Kaiser Hadrian war ebenso von einer Portikus gesäumt, an deren Nordseite sich eine halbkreisförmige Exedra befand und ebenso darf wohl auch eine Exedra an der Südseite erwartet werden.
Von Rom und Mittelitalien ausgehend verbreitet sich die Gestaltung von Tempeln samt Platzanlagen, die auch stark an eine republikanische Tradition gebunden sind und ihren Höhepunkt bei den beiden genannten römischen Beispielen finden. In Oberitalien kommt es erstmals außerhalb der Hauptstadt zu dieser neuen Form von Platzanlagen, bei denen das Areal um den Tempel durch eine Portikus deutlich abgesetzt wird. Beispiele hierfür sind der Tempel im Stadtzentrum von Augusta Praetoria sowie der Forumstempel in Benevagienna, der noch dazu eine Nischenarchitektur in der Portikus aufweist. Die prägende Wirkung der Architektur des Augustusforums samt exedra duplex tritt aber nicht nur in Italien auf, sondern ist auch in den Provinzen, unter anderen in Britannien, Gallien, Spanien, Tripolitanien, bei Kult- und Profanbauten anzutreffen.
Das wohl prägnanteste Gegenstück zum römischen Kaiserkultbezirk mit dem Mars Ultor-Tempel befindet sich nun aber nicht in einer der prominenten Provinzstädte des Reichs, sondern in einem vicus, dessen Name bislang nicht einmal bekannt ist. Es handelt sich dabei um den Tempelbezirk von St. Michael am Zollfeld (Kärnten), an der norischen Hauptstraße zwischen dem antiken Virunum und dem Magdalensberg gelegen.

Besonders auffallend ist beim Vergleich zwischen dem Kaiserkultbezirk in Rom und dem Tempelbezirk in St. Michael die Portikus mit der exedra duplex sowie die Axialität von Tempelfront, Exedrascheiteln und den Exedramittelpunkten. Der provinziale Tempelbezirk zeigt aber nicht nur in der architektonischen Ausgestaltung Parallelen zum Vorbild in Rom, sondern auch im Kult selbst. Neben dem Kaiserkult und Hercules hat auch der römische Gott Mars in St. Michael eine Rolle gespielt. Unter den Fundstücken vom Areal der „Tempeläcker“ befindet sich neben anderen Weihungen an Mars, auch eine Weihung an Mars Ultor, die eine besondere Stellung einnimmt, da in Noricum bislang die Verehrung des Mars Ultor nur durch Privatleute und nicht innerhalb eines Heiligtums nachgewiesen ist.
Der Tempelbezirk nimmt für die Sakralarchitektur der römischen Nord- und Westprovinzen eine Schlüsselrolle ein, da der in hadrianischer Zeit erbaute Tempel in seiner baulichen Erscheinung ganz klar auf das Forum Augustum mit dem Mars-Ultor-Tempel in Rom repliziert und es sich darüber hinaus um den einzig bisher außerhalb Roms bekannten Kultort für Mars Ultor handeln könnte.

© Julia Leitold
e-mail: julia.leitold@alumni.uni-graz.at

This article should be cited like this: J. Leitold, Stadtrömische Architektur in der Provinz – Der Tempelbezirk von St. Michael am Zollfeld, Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).



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