Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 94 / III / 2020

„ES SCHMECKTE MIR IHR BROD GUT“: BIOGRAPHISCHE ANHALTSPUNKTE IN EINEM BRIEF DES ARCHÄOLOGEN ATHANASIOS ROUSOPOULOS

Wer sind die Protagonistinnen und Protagonisten, die unsere Kenntnis archäologischer Artefakte – forschungsgeschichtlich gesprochen – mitbestimmten und wie setzten sie sich mit ihnen auseinander? Hierzu können im Modell der Objektbiographie Anregungen gefunden werden: Igor Kopytoff führte es 1986 unter dem Schlagwort der ‚cultural biography of things‘ mit einer Diskussion des Zusammenspiels von Kommodifizierung und kulturspezifischer Kodierung von Artefakten in den historisch-kulturanthropologischen Dialog ein. Materialbasierte Wissenschaften untersuchen demnach die funktionelle und kognitive Signifikanz von Objekten unter der Voraussetzung von in unterschiedlichen Gesellschaftsformen geltenden Normen. Im Umkehrschluss bietet das die Möglichkeit, anhand der Biographien von Objekten wiederum die Lebensrealitäten der mit ihnen interagierenden Personen zu rekonstruieren.
Der Begriff der Objektbiographie ist in der archäologischen Literatur seither wiederholt rezipiert worden. In diesem Beitrag dient er als Impuls, Archäologinnen und Archäologen als historische Subjekte zu beobachten, indem ihren Erkenntnisinteressen an Artefakten gefolgt wird. Dabei soll die Geschichte von Forschungsgegenständen mit der Geschichte der Forschungstreibenden verschränkt werden. Hier ergeben sich Schnittmengen zwischen deren privaten und beruflich-fachlichen Lebensbereichen, die in der subjektiven Rezeption ihrer Untersuchungsgegenstände einen Niederschlag finden.
In diesem Sinne wird der Archäologe Athanasios S. Rousopoulos (1823–1898) stichprobenartig als historische Person zu erfassen versucht, indem seine Äußerungen zu archäologischen Objekten oder Fragestellungen als Anlässe genommen werden, bisher unbekannte Bereiche seiner Biographie zu erschließen. Es wird von einer Wechselwirkung mit der kulturellen Biographie der Objekte, die ihn beschäftigten, ausgegangen. Rousopoulos war ein in der 2.Hälfte des 19.Jhs. tätiger griechischer Archäologe, Universitätsprofessor, Antikensammler und -händler. Außerhalb dieser Rollen ist seine Person jedoch noch kaum erforscht. Das objektbiographische Modell soll nun im Rahmen mikrohistorischen Vorgehens erprobt werden, um das Bild dieser facettenreichen Person mithilfe neu ermittelter Quellen zu erweitern und sie in ihrem historischen Umfeld zu kontextualisieren.

Dieses Referat widmet sich zunächst einem Brief (1893) von Athanasios Rousopoulos an Otto Benndorf (damals Professor für Archäologie an der Universität Wien), aus dem auch das im Titel angeführte Zitat stammt (Abb.). Es bezieht sich auf den Anlass der Korrespondenz: Benndorfs soeben erschienenen Artikel „Altgriechisches Brot“, den Rousopoulos kommentiert. Er verlässt dabei die wissenschaftliche Perspektive und teilt persönliche Erinnerungen an seine Jugendjahre in „Makedonía“ und „Konstantinopolis“, die er in sein Feedback zu Benndorfs Aufsatz einfließen lässt.
Zusätzliche Quellen, die Hinweise auf Rousopoulos‘ Beziehung zu diesen Orten enthalten und die Zwischenergebnisse aus Archivforschungen der Verfasserin darstellen, werden dem Brief gegenübergestellt und im Spiegel seiner (beruflichen wie privaten) Lebensgeschichte erörtert. Es wird damit die zugrundeliegende Recherchestrategie thematisiert, die Geschichte eines archäologischen Protagonisten zentrifugal von seinen Forschungsobjekten weg zu erarbeiten.

© Angelika Hudler
e-mail: angelika.j.hudler@gmail.com

This article should be cited like this: A. Hudler, „Es schmeckte mir Ihr Brod gut“: Biographische Anhaltspunkte in einem Brief des Archäologen Athanasios Rousopoulos, Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).



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