Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 94 / III / 2020

DIE LANDMAUER VON SIDE
Eine römische Stadtmauer in hellenistischer Bautradition

Das fortifikatorische System der antiken Hafenstadt Side setzt sich im Überblick aus drei größeren Teilabschnitten zusammen: der nördlichen und südlichen Seemauer sowie der sogenannten Landmauer. Während die beiden Seemauern bis zur Spätantike mehrfach erneuert bzw. neu errichtet worden waren, blieb die Landmauer in ihrer ursprünglichen Konzeption über die Jahrhunderte nahezu unverändert. Die Datierung dieser Befestigungsanlage in das beginnende zweite Jahrhundert v.Chr. erfolgte über ästhetische Kriterien: Das doppelte Gurtgesims an der Feldseite der Mauer sowie Blöcke eines Waffenfrieses, die im östlichen Stadttor gefunden wurde und welches ebenfalls dem Abschnitt der Landmauer zuzurechnen ist, waren dafür ausschlaggebend. Dieser Waffenfries wird von Arif Müfid Mansel der ersten Bauphase des Tores zugerechnet und in hellenistische Zeit datiert. Diese Datierung überträgt er in der Folge auf die gesamte Landmauer. Der Waffenfries sei als ein Tropaion für einen Sieg der Sideten über die Attaliden kurz nach dem Frieden von Apameia 188 v.Chr. anzusehen. Dieses Ereignis bezeichnet Mansel als terminus post quem für das Tor und die gesamte Landmauer. Dass diese Datierung für das Osttor nicht zutreffend ist, hat Ute Lohner-Urban bereits mehrfach dargelegt und datiert das Tor frühesten ans Ende des 1.Jh. v.Chr. Im Weiteren wird aufgrund der Befunde davon ausgegangen, dass der Waffenfries erst in der Spätantike von einem unbekannten, hellenistischen Bauwerk zum Osttor gebracht wurde. Aus diesem Grund kann der Fries – entgegen Mansels Annahme – weder für das Osttor noch für die gesamte Landmauer als Datierungsquelle herangezogen werden.

Eine im Juli 2018 an einer der Kurtinen der Landmauer (Abb. ) durchgeführte Sondage erbrachte das Ergebnis, dass zumindest diese Kurtine frühesten zu Ende des 1.Jh. n.Chr. errichtet wurde. Da im 1.Jh. n.Chr. die Stadtmauer keine defensiv-militärische Funktion mehr hatte, kann man ihr einen eher repräsentativen denn fortifikatorischen Charakter zuschreiben. Hierfür sprechen auch einige bauliche Merkmale der Mauer, die keinerlei strategischen Mehrwert aufweisen. Ein weiterer Hinweis für die fehlende Verteidigungsfunktion ist eine Textstelle des Dexippos, der die Belagerung Sides 269 n.Chr. durch die Skythen beschrieb. Es wurde vor der Landmauer eine hölzerne Mauer errichtet um den Angriff auf die Stadt abzuwehren, was auch letztendlich gelang. Dies spricht dafür, dass die Sideten kein großes Vertrauen in die Befestigung ihrer Stadt hatten.
Da die Befestigung in einem isodomen Läufer-Binder-Mauerwerk, welches oftmals als charakteristisch für den Hellenismus bezeichnet wurde, errichtet wurde, kann man die Landmauer von Side durchaus als eine römische Stadtmauer in hellenistischer Bautradition bezeichnen. Die lange Laufzeit des Läufer-Binder-Mauerwerk im pamphylischen Raum lässt sich auch noch in anderen Städten der Region wie Perge oder Aspendos feststellen, was durchaus einige Analogien zur sidetischen Landmauer zulässt.

© Matthias Grebien
e-mail: matthias.grebien@uni-graz.at

This article should be cited like this: M. Grebien, Die Landmauer von Side. Eine römische Stadtmauer in hellenistischer Bautradition, Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).



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