Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 94 / III / 2020

LEITHAPRODERSDORF UND POTZNEUSIEDL: ZWEI LOKAL GEPRÄGTE NEKROPOLEN IM CARNUNTINER HINTERLAND (NORDWESTPANNONIEN)

Bei Leithaprodersdorf (Burgenland, Bez. Eisenstadt) konnte auf rund 3,6ha großflächig eine römische Nekropole mit 300 Brandbestattungen und 95 Körpergräbern, von letzteren wurden 29 näher analysiert, erfasst werden. Diese Nekropole war Gegenstand einer von der Verfasserin an der Universität Innsbruck im Jahr 2019 abgeschlossenen Dissertation. Trotz teilweise schlechter Erhaltungsbedingungen gelang es durch eine eingehende Befund- und Kleinfundauswertung sowie GIS-basierter Verbreitungsanalysen der Fundmaterialien eine verlässliche Belegungsabfolge herauszuarbeiten. Die Auswertungen ergaben, dass an diesem Fundplatz keine Kontinuität in die späte Latènezeit vorliegt. Die Nekropole setzt erst gegen Ende des 1.Jh.s n.Chr. ein. Dennoch lässt sich gerade in den Anfängen der Nekropole der lokale („autochthone“) Charakter des Ortes fassen. Dies bezeugen Grabhügel, norisch-pannonische Flügelfibeln und ein regional beeinflusstes Keramikspektrum. Ikonographisch und epigraphisch sind durch Grabstelen überwiegend keltisch geprägte Personen bezeugt. Aber auch zwei Veteranen (M. Vinius Longinus, Comatus Buttonis filius) lassen sich inschriftlich nachweisen. Nach den frühesten Gräbern im Ostteil fand eine allmähliche Verlagerung der Bestattungstätigkeiten in den Westteil der Nekropole statt. Akkulturationsprozesse werden im archäologischen Material im 2. und 3.Jh. n.Chr. deutlich. Ab diesem Zeitraum fanden in das Gräberfeld Terra Sigillata und im gesamten römischen Reich verbreitete Fibeln eingang. Auch steinerne Grabmonumente wurden nun errichtet. Der definitive Übergang von der Brand- zur Körperbestattung ist durch beigabenführende Körpergräber in denen Spolien von Grabmonumenten verwendet wurden im 4.Jh. anzusetzen. Für dieses Jahrhundert konnten keine Brandbestattungen mehr nachgewiesen werden und Fundmaterial, dass auf einen Bevölkerungswechsel hindeutet, war nicht zu identifizieren. Das Beigabenspektrum der neun Körpergräber des 4.Jh.s schließt sich in den Nordwestprovinzen reichsweit verbreiteten, spätrömisch-provinziellen Beigabentraditionen an. Die beiden jüngsten Körperbestattungen (Gräber 131, 297) lassen das Ende der Bestattungstätigkeiten spätestens in das erste Viertel bzw. die ersten zwei Jahrzehnten des 5.Jh.s setzen.

Ein halbes Jahrhundert früher als Leithaprodersdorf, d.h. in der erste Hälfte des 1.Jh.s n.Chr., wurde die Körpergrabgruppe von Potzneusiedl (Burgenland, Bez. Neusiedl a. See) angelegt. Dieser Gruppe aus 29 Körperbestattungen schließen sich mindestens 48 weitere Brandgräber an. Zehn der Körperbestatteten wurden mit Bekleidungsbestandteilen aus Buntmetall der sog. norisch-pannonischen Tracht ausgestattet (Abb.). Die von Grabstelen des späten 1. und 2.Jh.s n.Chr. überlieferte Bekleidungssitte ist somit erstmals in großer Anzahl auch im Befund fassbar. 13 der 25 Fibeln gehören der Gruppe der norisch-pannonischen Flügelfibeln Typ Almgren 238 an. Hervorzuheben ist Grab 99 in dem, neben zwei Flügelfibeln des Typs Almgren 238 c, eine komplette norisch-pannonische Gürtelgarnitur in einem Holzkästchen beigelegt wurde. Einige Gräber wurden bereits in tiberisch-claudischer Zeit angelegt. Die Datierung der für den nordwestpannonischen Raum ungewöhnlich frühen Körperbestattungen kann als singulär bezeichnet werden und sie lassen sich dadurch in den Kontext der frühen Provinzgeschichte setzen. Die Funde deuten außerdem auf Kontakte in norddanubisch-germanische Gebiete (Grab 241: Augenfibeln Typ Almgren 46, Bernsteinperlen) und nach Oberitalien (Gesichtsbecher Typ Schindler-Kaudelka 126, Grab 241) hin. Zusammen mit der unmittelbaren Lage im Hinterland des Carnuntiner Legionslagers werfen die hier dargestellen Merkmale der Körpergräber zahlreiche Fragen über die Rolle dieser eindeutig nicht-römischen Personengruppe auf. Die Auswertung erfolgt seit 2019 im Rahmen eines Teilprojektes am Institut für Kulturgeschichte der Antike (ÖAW).

© Lucia Clara Formato
e-mail: LuciaClara.Formato@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: L.C. Formato, Leithaprodersdorf und Potzneusiedl: Zwei lokal geprägte Nekropolen im Carnuntiner Hinterland (Nordwestpannonien), Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).



HOME