Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 90 / III / 2019

„HERGESTELLT UND AUFGESTELLT“
Bericht über das internationale Kolloquium zur antiken Skulptur in Graz

Vom 25.–27. Februar 2019 fand im Meerscheinschlössl in Graz das internationale Kolloquium „Hergestellt und aufgestellt. Produktionsdynamiken und Kontexte römischer Skulpturen im antiken Mittelmeerraum“ statt. Diese Tagung wurde gemeinsam von Alice Landskron (Universität Graz) und Thoralf Schröder (Universität zu Köln/Forschungsarchiv für Antike Plastik) organisiert.
Antike Skulpturen sind seit den Anfängen der archäologischen Wissenschaft ein zentraler Bestandteil der Forschung. Im Laufe der Zeit sind dabei unterschiedliche Fragestellungen in den Blick genommen worden. Aktuell stellt man verstärkt Fragen zur Herstellung, zur Verbreitung und zu den Kontexten griechischer und römischer Porträtplastik und Idealskulpturen. Diese Aspekte standen im Zentrum der durchgeführten Tagung. Mehr als 30 Vortragende aus zehn Ländern kamen zusammen, um über diesen Themenkomplex zu diskutieren.

In der ersten Sektion Steinbrüche, Handel und Transport sind allgemeine logistische Überlegungen und kleinräumige Analysen von Steinbrüchen vorgenommen worden. Ferner wurden Skulpturen in antiken Schiffswracks vor dem Hintergrund des römischen Handelsnetzwerkes untersucht.
In der zweiten Sektion Werkspuren, Werkprozesse und Werkstattfragen sind dann konkrete objektorientierte Analysen zu römischen Skulpturen vorgestellt worden. Schwerpunktmäßig wurden Skulpturen aus Ephesos und allgemein dem südwestlichen Kleinasien untersucht, daneben aber auch Artefakte beispielsweise aus Ägypten und dem Balkanraum.
In der dritten Sektion Skulpturenlandschaften: Osten wurden dann die Aufstellungskontexte römischer Skulpturen im östlichen Mittelmeerraum in den Blick genommen. Dabei zeigte sich einmal mehr, wie vielfältig und divers die Präsentation von Skulpturen in unterschiedlichen Räumen sein konnte.
In der letzten Sektion Skulpturenlandschaften: Westen sind dann vergleichbare Untersuchungen für den westlichen Mittelmeerraum vorgenommen worden. Vor allem wurden als Korrelativ Kontexte von Skulpturen in Rom und Umgebung vorgestellt.
Die beiden Hauptthemen der Tagung wurden zudem von zwei Keynote-Lectures begleitet. Amanda Claridge (London) sprach über die Produktion von Marmorskulpturen, während Jane Fejfer (Kopenhagen) die Bedeutung des Kontextes für unser Verständnis antiker Skulptur hervorhob.
Zudem wurde ein Posterslam durchgeführt, in welchem in Kurzvorträgen aktuelle Skulpturenprojekte vorgestellt wurden.

Es haben sich in den durch die Vorträge angeregten Diskussionen viele Aspekte ergeben, die eine tiefergehende Analyse verdienen. Einige wenige Punkte sollen hier kurz hervorgehoben werden. So wäre für den Bereich der Herstellung von Steinskulpturen vor allem der Terminus Werkstatt präziser zu definieren. Wahrscheinlich muss man von viel flexibleren Einheiten von wenigen Personen ausgehen, die unterschiedliche Spezialisierungsgrade aufweisen konnten. Selbst in großen Produktionszentren wie Aphrodisias, Rom oder Athen ist es eher wahrscheinlich, dass viele kleinere „Betriebe“ nebeneinander existierten, die innerhalb von Großprojekten natürlich auch gemeinsam arbeiten konnten. Amanda Claridge betont, dass der Handel von Marmor und von Skulpturen in einen größeren Kontext gestellt und unter vielen verschiedenen Aspekten diskutiert und betrachtet werden müsste. Den Auftraggebern kommt dabei eine bedeutende Rolle zu, da sie einen komplexen Prozess in Gang setzen und dadurch ein sehr differenziertes Bild von Skulpturenlandschaften im Osten und Westen des römischen Reiches entsteht.
Ein weiterer Punkt betrifft die „unsichtbaren Statuen“, wie Francesco D’Andria sie treffend bezeichnete, also die Bronzeskulpturen, von denen sich häufig nur die Basen erhalten haben. Um wirklich einen treffenden Eindruck von Skulpturenlandschaften gewinnen zu können, müssen diese heute meist verlorenen Statuen mitgedacht werden. Eine vergleichende Analyse zu den vielfältigen Materialitäten antiker Skulptur in unterschiedlichen Zeithorizonten und Regionen steht noch aus. Ebenso ergänzen und erweitern Inschriften bzw. Ehreninschriften die Vorstellung von Skulpturenlandschaften in antiken Städten, und sollten verstärkt in kontextuellen Forschungen zu Skulpturen berücksichtigt werden. Eindrucksvolle Ergebnisse wurden etwa in Aphrodisias und Perge erzielt und verdeutlichen die kontextuelle Aufarbeitung des Skulpturenmaterials als Desiderat der zukünftigen Forschung, die derzeit beispielsweise in Side durchgeführt wird.
Eine weitere wichtige Rolle spielen dabei auch die Aufstellungsorte von Skulpturen und ebenso das Fehlen von Steinskulpturen im Fundmaterial bedeutender Städte wie z. B. Patara, auf das Havva İşkan Işık hingewiesen hat. Auf die oft stark differierende Quantität und Gewichtung von Skulpturen aus Stein und Bronze sowie Büsten oder überhaupt auf deren Lücken im Befund hat Jane Fejfer aufmerksam gemacht.
Allgemein wurde sehr deutlich, dass gerade die Zusammenschau von vielen Skulpturen aus unterschiedlichen Kontexten zeigt, wie breit und divers das überlieferte Material ist und wie vorsichtig man mit pauschalisierenden Aussagen sein muss, da sich auf lokaler oder mikroregionaler Ebene doch sehr viele Spezifika finden lassen. Die Bedeutung der kontextuellen Skulpturenforschung für das Gesamtbild einer städtischen Gesellschaft ist jedenfalls unbestritten.
Die Organisatoren danken allen am Gelingen dieser Konferenz beteiligten Personen und Institutionen sehr herzlich.



Programm

Hergestellt und aufgestellt.
Produktionsdynamiken und Kontexte römischer Skulpturen im antiken Mittelmeerraum
Internationale Tagung vom 25.–27. Februar 2019 an der Universität Graz


Montag, 25.02.2019
Registrierung ab 8:30
9:30-9:45 Begrüßung und Einführung (P. Scherrer, A. Landskron, Th. Schröder)
Grußworte der Landesregierung Steiermark i.V. Sandra J. Holasek

9:45-10:15 Thoralf Schröder (Köln)
Überlegungen zu Produktionsdynamiken von römischen Skulpturen
Sektion I: Steinbrüche, Handel und Transport
Vorsitz: Amanda Claridge
10:15-10:45 Vasiliki Anevlavi (Wien, Leoben) – Chiara Cenati (Wien)
Investigation of white marble quarries in Roman Macedonia and Thrace
10:45-11:15 Katerina Velentza (Southampton)
Sculptures lost at sea: A study of the maritime trade of sculptures during the Roman times through shipwreck evidence

11:15-11:45 Kaffeepause

11:45-12:15 Elif Tül Tulunay (Istanbul)
Überlegungen zu der bei den Ausgrabungen 2018 gefundenen Porträtbüste in Soloi Pompeiopolis
12:15-12:45 Buket Akçay Güven (Istanbul)
Docimian vs. Pamphylian: New evidence on the origin of statues discovered in Pamphylia

12:45-14:15 Mittagspause

Sektion II: Werkspuren, Werkprozesse und Werkstattfragen
Vorsitz: Francesco D‘Andria
14:15-14:45 Julia Lenaghan (Oxford) – Ursula Quatember (Graz)
The sculptor’s workshop in Aphrodisias – The archaeological evidence
14:45-15:15 Havva İşkan-Işık (Antalya)
Eine Werkstattverbindung zwischen Patara und Limyra
15:15-15:45 Eva Christof (Graz)
Bearbeitungs- oder Umarbeitungsspuren an kaiserzeitlichen und spätantiken Marmorporträts in Kleinasien

15:45-16:15 Kaffeepause

Vorsitz: Peter Scherrer
16:15-16:45 Nisan Lordoğlu (Istanbul)
Reconsidering Ephesus’ reworked sculptures
16:45-17:15 Johanna Auinger (Wien)
Werkstattfragen zu Skulpturen aus Ephesos. Die Ensembles des Vedius Antoninus
17:15-17:45 Feriştah Soykal Alanyalı (Eskişehir)
Die Verbreitung der ephesischen Meterreliefs

18:00-18:45 Amanda Claridge (London), Keynote
Form or formula, the question of models in the production of Roman marble statuary

Ab 19:00: Abendempfang im Institut für Archäologie


Dienstag, 26.02.2019
Vorsitz: Julia Lenaghan
9:00-9:30 Ingrid Laube (Tübingen)
Marmorskulptur aus Ägypten - Zur Wiederverwendung von Architekturfragmenten
9:30-10:00 Aleksandra Nikoloska (Skopje)
The Statuary Production of Stybera
10:00-10:30 Marina Koleva (Sofia)
Evidence of sculpture production from Moesia Inferior and Thrace
10:30-11:00 Christian Niederhuber (Oxford)
Imperial portrait practice in the second century AD: Marcus Aurelius and Faustina the Younger

11:00-11:30 Kaffeepause

11:30-12:00 Alice Landskron (Graz)
Kontexte römischer Skulpturen und das Fallbeispiel Side
Sektion III: Skulpturenlandschaften: Osten
Vorsitz: Jane Fejfer
12:00-12:30 Francesco D’Andria (Salento)
The colossal statue of Hades in the context of the Ploutonion of Hierapolis
12:30-13:00 Marco Galli (Rom)
New research on the sculptural decoration of the theater in Hierapolis of Phrygia

13:00-14:00 Mittagspause

Vorsitz: Hüseyin S. Alanyalı
14:00-14:30 Elisabeth Rathmayr (Wien)
Inschriften als Quelle zur Aufstellung von Skulpturen in Wohnhäusern
14:30-15:00 Dario Calomino (Warwick)
Gazing at the Emperor’s image: sculptural display and imperial worship in 3rd century AD Asia Minor
15:00-15:30 Manuel Reimann (Graz)
Die statuarische Ausstattung des Nymphäums von Side

15:30-16:00 Kaffeepause

Vorsitz: Havva İşkan Işık
16:00-16:30 Serap Erkoç (Eskişehir) – Mustafa Koçak (Antalya)
Attis und Dionysos gehen baden? Ungewöhnliche Relieffunde aus den Hafenthermen von Patara
16:30-17:00 Christine Özgan (Istanbul)
Eine Gruppe klassizistischer Skulpturen in Kleinasien
17:00-17:30 Hüseyin S. Alanyalı (Eskişehir)
Über die pamphylische Bildhauereikunst

18:15-19:00: Jane Fejfer (Kopenhagen), Keynote
Just Façade? The relationship between sculpture and architecture in the Roman East

Ab 19:30: Abendessen für Referent*innen


Mittwoch, 27.02.2019

Vorsitz: Christine Özgan
9:30-10:00 Anna-Katharina Rieger (Graz)
Skulpturen im Hauran – Kontextualisierungen von lokalen Bildhauerwerken aus Basalt
10:00-10:30 Nirvana Silnovic (Budapest)
Production, dissemination, and display of Mithraic sculpture in the Roman province of Dalmatia

10:30-11:00 Kaffeepause

Sektion IV: Skulpturenlandschaften: Westen
Vorsitz: Alice Landskron
11:00-11:30 Armando Cristilli (Rom)
Life occasions and sculpture display. The Volusii Saturnini visual patronage at Lucus Feroniae
11:30-12:00 Marcel Danner (Würzburg) – Elisa Bazzechi (Leipzig)
Stadt und Statue – Vorarbeiten zur Rekonstruktion der Skulpturenlandschaften von Ostia Antica
12:00-12:30 Letizia Abbondanza (Rom)
Skulpturen aus dem Criptoportico centrale der Domus Tiberiana auf dem Palatin

12:30-13:30 Mittagspause

Vorsitz: Thoralf Schröder
13:30-14:00 Posterslam
Regina Hanslmayr (Zürich), „Hermenlandschaften“ in Delos und Ephesos – Konstanten und Veränderungen bei Aufstellungskontexten von Hermen in hellenistischer und römischer Zeit – Doğuş Coşar (Istanbul), Roman Male Honorific Statues in the Late Roman Republic. Typology and Display – Yeliz Öztunç (Eskişehir), Marble Statuettes of Gods and Goddesses in the Side Museum – Manuel Reimann (Graz), Die statuarische Ausstattung ausgewählter sidetischer Bauwerke. Dissertationsprojekt – Alice Landskron (Graz), Die Skulpturenausstattung der Villen in Ostia am Beispiel der Domus della Fortuna Annonaria
14:00-14:30 Sinclair Bell (DeKalb, Illinois) – Frederik Grosser (Berlin)
Portraits of fame or bodies of shame? Charioteer statues, public performance, and social infamy in imperial Rome
14:30-15:00 Maria Elena Gorrini (Pavia) – Mirella Robino (Alessandria)
Papia, city of Italy next to Ravenna (St. Bys. s.v. Papia)

15:00-15:30 Kaffeepause

15:30-16:30 Abschlussdiskussion

© Alice Landskron, Thoralf Schröder
e-mail: alice.landskron@uni-graz.at, thoralf.schroeder@uni-koeln.de

This article should be cited like this: A. Landskron – Th. Schröder, „Hergestellt und aufgestellt“. Bericht über das internationale Kolloquium zur antiken Skulptur in Graz, Forum Archaeologiae 90/III/2019 (http://farch.net).



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