Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 86 / III / 2018

CAMPANARELIEFS DER WIENER ANTIKENSAMMLUNG

Unter sogenannten Campanareliefs versteht man mit Reliefdarstellungen versehene Architekturterrakotten aus römischer Zeit. Die nach dem Kunstsammler Giampietro Campana (1808–1880) benannte Gattung entstand in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v.Chr. und war bis etwa in das 2. Jahrhundert n.Chr. in Gebrauch. Die einzelnen Tonreliefs wurden serienmäßig in Matrizen gefertigt; als Produktionszentrum gilt Rom. Häufig zu Friesen gereiht, dienten sie zur Schmückung von Gebäuden. Die Vielfalt der auf ihnen gezeigten Bilder ist bemerkenswert: Bereits die im Jahr 1911 erschienene und bis heute maßgebliche Publikation von Hermann v. Rohden und Hermann Winnefeld, Architektonische römische Tonreliefs der Kaiserzeit kennt mehr als 160 Motive, die zudem meist in mehreren Varianten überliefert sind. Bis heute hat sich diese Anzahl weiter erhöht.
In der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien werden insgesamt 78 Campanareliefs verwahrt. Ein Drittel lässt sich bereits 1819 im kaiserlichen Münz- und Antikenkabinett (dem Vorläufer von heute drei Sammlungen: Antikensammlung, Münzkabinett und Ägyptisch-Orientalische Sammlung) nachweisen. Davon stammt ein großer Teil aus der ehemaligen Sammlung des in Italien tätigen Malers Michael Wutky (1739–1822/23). Die übrigen kamen bis 1940 durch Zukäufe, Schenkungen bzw. die Übernahme aus dem ehemaligen Museum für Kunst und Industrie (heute MAK, Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst) hinzu. Die Platten lassen sich 45 der von v. Rohden und Winnefeld erarbeiteten Typen zuordnen und umfassen Darstellungen aus den Themenbereichen Götter und Heroen, Mysterien, Bacchus und sein Gefolge, Amorknaben, Sphingen und Greife, Rankenfiguren, Meerwesen, Tierkampfgruppen, Gorgoneia, Theatermasken, Nillandschaften, Triumphzug, Circus (siehe Abb.) und Architekturmotive.


Eine weitere kleine Gruppe bilden die nach ihrer Verwendung im architektonischen Verband benannten Firstkrönungen, eine Sonderform der Campanareliefs. Wegen seiner Maße außergewöhnlich ist auch das aus dem Bestand Wutkys stammende Fragment eines Kitharödenreliefs. Bei den übrigen Exemplaren der Antikensammlung handelt es sich um die für die Gattung typischen Verkleidungs- und Aufsatzplatten, Simen oder Krönungen. Die meisten der Wiener Stücke (insgesamt 61) sind im Werk von v. Rohden – Winnefeld zumindest erwähnt, weitere 17 werden in späteren Arbeiten behandelt, ein Relief ist unpubliziert.
Ein Forschungsschwerpunkt der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien widmet sich der Aufarbeitung dieses Bestandes mit dem Ziel einer umfassenden Publikation im Rahmen eines wissenschaftlichen Bestandskataloges. Da eine weitere Besonderheit der Reliefs ihre originale Farbfassung darstellt, sollen die Forschungen zu Ikonographie, typologischer Einordnung und Herstellungstechnik auch durch Farbuntersuchungen begleitet werden. 25 Campanaplatten der Wiener Sammlung zeigen reiche Farbreste, 26 weitere zumindest Farbspuren. Die zerstörungsfreien Untersuchungsmethoden der wissenschaftlichen Photographie (multispektrale Bilder: visible-induced infrared luminescence / VIL, ultraviolet-induced visible luminescence / UVL, infrared-induced luminescence / IRL) und der Röntgenfluorenzenzanalyse sollen Aufschluss über den Farbaufbau geben. Damit lassen sich auch die verwendeten anorganischen Pigmente sowie der Hauptbestandteil einer eventuell vorhandenen Grundierung bestimmen. Farbuntersuchungen an Campanareliefs sind in der Erforschung der Gattung bislang ein Desiderat geblieben.

© Karoline Zhuber-Okrog
e-mail: karoline.zhuber@khm.at

This article should be cited like this: K. Zhuber-Okrog, Campanareliefs der Wiener Antikensammlung, Forum Archaeologiae 86/III/2018 (http://farch.net).



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