Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 86 / III / 2018

AUSRICHTUNG GRIECHISCHER TEMPEL NACH DEM MOND: EINE KULTURASTRONOMISCHE UNTERSUCHUNG DER GIEBELÖFFNUNGEN DES ARTEMISIONS VON MAGNESIA

Magnesia am Mäander liegt in Kleinasien zwischen den antiken Städten Ephesos und Tralleis. Die Stadt, welche um 397 v.Chr. am Lethaios neu gegründet wurde, rückte in erster Linie durch die Erwähnungen Vitruvs ins Zentrum des archäologischen Interesses. Der Fokus wurde dabei auf den pseudodipteralen Tempel der Artemis Leukophryene gelegt. Die ersten archäologischen Untersuchungen wurden 1830 durchgeführt und dauern bis heute an, wobei die Forschungsarbeiten unter der Leitung von C. Humann aus den 1890er Jahren nicht unerwähnt bleiben sollen. Die dabei erstellten Pläne des Artemisions sind bis heute die beste Quelle für die Beurteilung des Gebäudes.
Als charakteristische Architekturelemente des Tempels können die drei Öffnungen im Giebel angeführt werden, welche auch für die Untersuchung der Mondausrichtung des Tempels essentiell sind. Fenster im Giebelfeld sind nicht auf Pseudodipteroi beschränkt. Münzbilder zeigen beispielsweise drei Öffnungen im Giebel des jüngeren Dipteros für Artemis in Ephesos. Auch das sog. Serapeion von Ephesos, der Augustustempel von Antiocheia, das Smintheion in der Troas sowie der sog. Jupitertempel in Baalbek weisen Giebelöffnungen auf.
Die Herkunft dieser Fenster und Türen kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, noch größere Schwierigkeiten weist die Interpretation der Funktion auf. Dies führte zu kontroversen Deutungsvorschlägen, wobei sich ein Großteil auf die rituelle Funktion der Giebelöffnungen bezieht. Einen astronomischen Interpretationsansatz verfolgt O. Bingöl. Er vermutet, dass die Öffnung in Magnesia nach dem Vollmond des Monats Artemision, welcher heutzutage mit März oder April gleichzusetzen ist, ausgerichtet wurde.


Die Hypothese, dass die Kultstatue im Zuge von speziellen Festen jährlich vom Licht des Vollmonds beleuchtet wurde, diente als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen. Nachdem sowohl die vorhandenen astronomischen als auch vermessungstechnischen Grundlagen im 2. Jahrhundert v.Chr. untersucht wurden, kann von einer technisch möglichen Durchführung der Vollmondausrichtung ausgegangen werden. Aus diesem Grund wurde auf der Basis der Pläne von C. Humann ein vereinfachtes 3D Modell des Pseudodipteros erstellt. Die Auswertung des Modells zeigt eine Sichtachse zwischen dem mittleren Fenster und der Kultstatue. Die weiteren astronomischen Untersuchungen wurden mit dem virtuellen Planetariumprogramm Stellarium durchgeführt. Die Analyse konnte nachweisen, dass Fenster mit der Größe, welche in Magnesia festgestellt wurde, nach dem Vollmond ausgerichtet werden können. Durch die Verwendung der Messwerte von O. Bingöl konnte gezeigt werden, dass das Vollmondlicht mindestens zwei Mal im Jahr, im Frühling und im Herbst, die Statue im Inneren beleuchtet hat (Abb.). Daher ist es naheliegend, dass die Giebelöffnungen in Magnesia mit dem Mond in Verbindung gebracht werden müssen. Dieser Umstand kann jedoch nicht ohne weitere Untersuchungen auf alle Öffnungen in Giebel übertragen werden. Da die Arbeiten mit Daten von C. Humann und O. Bingöl durchgeführt wurden, sind weitere Messungen sowie ein Geländemodell für eine abschließende Beurteilung notwendig.

© Sara Wanek
e-mail: sara_wanek@hotmail.com

This article should be cited like this: S. Wanek, Ausrichtung griechischer Tempel nach dem Mond: Eine kulturastronomische Untersuchung der Giebelöffnungen des Artemisions von Magnesia, Forum Archaeologiae 86/III/2018 (http://farch.net).



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