Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 86 / III / 2018

DAS RITUAL DER ›GLEICHENFEIER‹: BAUOPFER IN EPHESOS

Wenn ein Gebäude errichtet wird, so ist es heute noch Brauch, den Spatenstich und die Grundsteinlegung feierlich zu begehen. Die Fertigstellung des Rohbaus wird zudem mit einer ›Gleichenfeier‹ zelebriert. Die Wurzeln derartiger Baurituale reichen allerdings bis in das Altertum zurück. Von religiösen Vorstellungen motiviert, betreffen sie nicht nur die Errichtung von Heiligtümern, öffentlichen Gebäuden und Kirchen, sondern sind auch im privaten Wohnbau zu beobachten. Baubegleitende Rituale gehören demnach zum Alltag privater Religiosität des jeweiligen Bauherren und/oder Bewohners.
Über entsprechende, in diesem Rahmen stattfindende Feste – also antike Pendants zu den oben genannten heutigen Feierlichkeiten anlässlich des Spatenstichs, der Grundsteinlegung und der Fertigstellung des Rohbaus – liegen keine Informationen vor. Antike Quellen von der Eisenzeit bis zum 1.Jt. n.Chr. schweigen sich darüber aus, wie die Deponierung eines Bauopfers – zumindest anlässlich des Baus von Privathäusern – vonstattenging und welche rituellen Handlungen und Feierlichkeiten damit verbunden waren. Die archäologischen Belege für Bauopfer selbst sind also als wichtigste Quellen für solche Handlungen zu bewerten. Sie sind als materielle Hinterlassenschaften von zeremoniellen und rituellen Handlungen im Kontext von Baumaßnahmen zu interpretieren.


Bauopfer und baubegleitende Deponierungen von Ensembles sind in Ephesos von der archaischen bis in die frühbyzantinische Zeit nachzuweisen (Abb.). Die für die Deponierung ausgewählten Räumlichkeiten sind in ihrer Funktion ganz unterschiedlich: Im Artemision handelt es sich um einen Kultbau, ein Zusammenhang mit der Artemisverehrung und Stiftertätigkeiten ist evident. Bauopfer hellenistischer Zeit finden sich unter den Mauern und in Pfostenlöchern und Gruben des Raumes 32c im Hanghaus 2. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Deponierung einer bislang singulären keramischen Medaillonschale mit Asklepios- und Hygieiadarstellung (Abb.) unter der massiven Südmauer, die gleichzeitig als Terrassierungsmauer anzusprechen ist, außerdem die Deponierung eines silbernen Skyphoshenkels und einer Erosstatuette unter der Ostmauer. In den Wohnungen im römischen Hanghaus 2 schließlich finden sich die Deponierungen unter dem Boden einzelner Räume (WE 5), des Hofs (WE 4), unter der Schwelle des Raumes (WE 3) und des Umgangs (WE 6). Das bislang jüngste Bauopfer wurde unter der Schwelle einer Taberna an der Kuretenstraße geborgen (Abb.). Die Fundlage der mit christlichen Kreuzsymbolen dekorierten Schale spricht für eine Beibehaltung des ›heidnischen‹ Brauches, vermutlich in christlich adaptierter Form durch die Spende von geweihtem Brot, im alltäglichen, spätantiken Zusammenhang.
Im Unterschied zu den (symbolisch für ein vorangehendes Mahl?) deponierten, aus Einzelgefäßen bestehenden Bauopfern ist explizit auf zwei große Deponierungen neronischer Zeitstellung aus der Wohneinheit 5 und aus der Kammer E3 im Theater hinzuweisen. Diese belegen vermutlich ebenfalls dem Deponierungsvorgang vorausgehende Bankette, deren Utensilien kollektiv deponiert wurden.

© Alice Waldner
e-mail: alice.waldner@oeai.at

This article should be cited like this: A. Waldner, Das Ritual der ›Gleichenfeier‹: Bauopfer in Ephesos, Forum Archaeologiae 86/III/2018 (http://farch.net).



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