Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 86 / III / 2018

LAURIACUM/ENNS: RÖMISCHE SIEDLUNGSERWEITERUNG AM BEISPIEL STADLGASSE – PLOCHBERGERGRÜNDE

Bei den sogenannten Plochbergergründen handelt es sich um große zusammenhängende Flächen inmitten eines unter dem Gesichtspunkt der Siedlungsentwicklung des römischen Lauriacum besonders interessanten Gebiets. Sie liegen südlich der heutigen Stadlgasse, welche in ihrem Verlauf in etwa der römischen Hauptverkehrsroute in Richtung Ost-West entspricht. Bei früheren Grabungen konnten hier bereits die ältesten Gräber bzw. Grabmonumente festgestellt werden, welche ins 1. bis 2. Jahrhundert datieren. Unklar sind nach wie vor die Ausdehnung des Gräberfeldes und das Ende des Belegungszeitraumes. Im unmittelbaren Anschluss an die Stadlgasse in Richtung Osten, fanden sich frühe römische Siedlungsschichten, die ab dem späten 1. Jahrhundert datieren. Leider lässt sich dieser sog. ‚frühe Vicus' hauptsächlich nur anhand von Fundmaterial nachweisen und nur sehr mangelhaft mittels baulicher Strukturen.
Die frühesten nachweisbaren baulichen Strukturen konnten im östlichen Bereich der Plochbergergründe bei Grabungen des BDA unter Hannsjörg Ubl in den 70er Jahren freigelegt werden. Diese Gebäudeteile werden vom Ausgräber in die Mitte des 2. Jahrhunderts datiert. Nach deren Zerstörung wurden die Gebäude an der Wende des 2. zum 3. Jahrhundert neu errichtet. Diese Häuser zeichnen sich durch den guten Erhaltungszustand ihrer Ausstattung aus (Parz. 100/1-3, Haus B – Deckenfresko ‚Amor und Psyche') und wurden wohl bis zum Ende des 4. Jahrhunderts bewohnt. Bei einer in den Jahren 2013/14 durchgeführten Großgrabung auf der unmittelbar westlich im Anschluss gelegenen Parzelle 103 wurde eine Fläche von insgesamt ca. 8000 m2 archäologisch untersucht und es konnten die Fundamente bzw. Fundamentgräben von 12 Gebäuden und über 200 Grubenbefunde freigelegt werden. Mithilfe dieser Grabung kann die kleinräumige Organisation und chronologische Entwicklung des Bereichs der Plochbergergründe/Stadlgasse nun besser gefasst und so das Bild dieses Siedlungsbereichs erweitert werden. Es zeigt sich nun deutlich, dass der Bebauungstruktur unmittelbar südlich der Stadlgasse eine streifenförmige Parzellierung zu Grunde liegt, bei der sich die Gebäude mit ihrer Schmalseite zur Straße hin orientieren. Dabei handelt es sich aber nicht um eine klassische Streifenhausbebauung, sondern vielmehr um Varianten des Korridorhauses. Die Bebauung zeigt sich dabei durchaus locker mit relativ großen Abständen zwischen den einzelnen Gebäuden. Es lassen sich darüber hinaus unterschiedliche Bautechniken feststellen. So finden sich Korridorhäuser mit Steinfundamenten, sowie Gebäude mit einer Fundamentlage aus Holzbalken bei denen nur ein Raum mit Steinfundament ausgeführt wurde. Ob hier eine chronologische Komponente zu Grunde liegt, konnte bislang noch nicht festgestellt werden.


Das einzige bisher vollständig untersuchte Gebäude dieser Grabung (Gebäude 12) liefert wichtige Anhaltspunkte hinsichtlich Chronologie und Fundspektrum. So kann anhand der archäologischen Auswertung eine sichere Benutzung ab 200/210 n.Chr.und ein Verlassen des Gebäudes am Ende des 4. Jahrhunderts festgelegt werden. An Funden fanden sich u.a. neben Münzen und Wandmalerei, ein Fragment eines Bronzegefäßes, Bronzenadeln und -beschläge, Fensterglas, Eisenwerkzeuge, sowie Terra Sigillata aus Rheinzabern, Faltenbecher unterschiedlicher Ton- und Oberflächenbeschaffenheit sowie streifenverzierte Töpfe. Auch Militaria lassen sich nachweisen, wobei der Fund eines Dosenortbandes aus Elfenbein als besonders herausragend anzusehen ist. Als beachtenswert können auch zwei Spolien aus Granit angesehen werden, die in einem der beiden Hypokausten verbaut waren (Abb.). Es handelt sich dabei um Säulenfragmente, die dem Typ der Hypokaustpfeiler aus den Lagerthermen entsprechen und welche hier zusammen mit Ziegeln der Legio II Italica sekundär verbaut wurden.

© Eva Thysell
e-mail: eva.thysell@stud.sbg.ac.at

This article should be cited like this: E. Thysell, Lauriacum/Enns: Römische Siedlungserweiterung am Beispiel Stadlgasse – Plochbergergründe, Forum Archaeologiae 86/III/2018 (http://farch.net).



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