Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 86 / III / 2018

„DER NEUBAU MACHT DEN EINDRUCK EINER MOLKEREI ODER EINES PFERDESTALLS ..." – DIE ERSTEN ARCHÄOLOGISCHEN SCHUTZBAUTEN IN TEURNIA UND AGUNTUM 1913

Die 1913 über der Friedhofskirche in Teurnia (St. Peter in Holz) errichteten Gebäude zählen zu den ältesten Schutzbauten über einer römerzeitlichen Ruine auf dem Gebiet der Austria Romana. Die Kirche war 1910 durch Rudolf Egger freigelegt und drei Jahre später, finanziert durch die k.k. Zentralkommission für Denkmalpflege, nach Plänen des Architekten Karl Holey durch zwei getrennte Gebäude eingefasst worden. Eines befand sich über der südlichen Memorialkapelle mit dem bedeutenden Mosaikfußboden, das zweite über den gut erhaltenen Mauern der westlich davon gelegenen Vorhalle, welches zugleich auch als Museum für die zahlreichen Marmorfunde der Kirche dienen sollte.
Die Errichtung eines Schutzbaues und somit die Erhaltung des Mauerwerks des Originalbestandes kann für die damalige Zeit als weitblickende Maßnahme angesehen werden. Ein bislang unbekanntes Dokument eines Zeitzeugen belegt jedoch Kritik an der Umsetzung. In den Unterlagen des „Museumsvereines für Lienz und Umgebung“ in Schloß Bruck fand sich mit dem Titel „Ein trauriger Tag“ ein dreiseitiger handschriftlicher Bericht, in welchem der Franziskanerpater Innozenz Ploner einen Besuch in Teurnia im November 1913 beschrieb. Ploner hatte 1912 mit archäologischen Ausgrabungen in Aguntum begonnen und setzte diese an der dabei entdeckten Stadtmauer gerade fort. Wie der Titel schon erahnen lässt, war er von der Art der dortigen Schutzbauten überhaupt nicht angetan und lieferte eine hochemotionale Abrechnung mit dem Gesehenen. „[…] was ich geradezu als Schandfleck unseres Jahrhunderts empfinde, das sind von anderer Seite vorgenommene Arbeiten zur Erhaltung einzelner blossgelegter Teile, besonders der schönen Friedhofkirche […]. Und dieses altehrwürdige Ganze ist durch einen unbeholfenen und äusserst schwerfälligen Neubau grausam zerrissen worden. Der Neubau ist stillos, passt nur wie die Faust zum Auge ins zarte Landschaftsbild, besteht aus zwei getrennten Objekten und macht durch seine ungeschlachten, nicht immer in gleicher Höhe eingesetzten, fast quadratischen Fenster und durch die geringe Höhe der Seitenmauern mit dem einfachen, ziegelgedeckten Giebeldache von nahe und ferne, den Eindruck einer modernen Molkerei oder eines kleinen Pferdestalles, dem jede Erinnerung an ein altchristliches Heiligtum vollständig abgeht.“ Neben dem Aussehen der Schutzbauten und der Störung der Einheit des Kirchengrundrisses durch die getrennten Baukörper kritisierte Ploner anschließend auch, dass bei deren Errichtung originale Bausubstanz zerstört worden war.


Möglicherweise hatte dieser Besuch Ploner aber zu einer Maßnahme angeregt, die er wenige Tage später in Aguntum umzusetzen begann. Ende November vermeldeten Zeitungen, dass unmittelbar über Mauerresten entlang der Stadtmauer an der Errichtung eben eines solchen Schutzbaues gearbeitet würde. „Nun sind Zimmerleute daran über dem zu Tage gebrachten Prunkzimmer eine geräumige Hütte zu errichten, in der ein Ausschank, Kanzlei, Museum und ein Quartier für die Arbeiter untergebracht werden soll.“ Das Aussehen des bereits im Dezember fertig gestellten Gebäudes lässt sich anhand detaillierter Abrechnungsunterlagen fassen. Dieses sollte nun aber nicht nur zum Schutz der Befunde dienen, sondern außerdem als Grabungshaus für weitere Arbeiten und zudem als eine Art „Besucherzentrum“ die museale Präsentation der Funde aus den Grabungen ermöglichen. Auf einem Plakat über Ploners Ausgrabungen wird es dann auch als „Museum Ploner“ bezeichnet. Aufgrund des plötzlichen Todes von Ploner im Mai 1914 wurde es dieser Verwendung jedoch nie zugeführt.
Der Schutzbau sollte aber noch viele Jahre Probleme bereiten. Offensichtlich war die Errichtung von Ploner noch nicht zur Gänze bezahlt worden. Bedingt durch strenge Witterung, Vandalismus und Diebstahl auch im Zuge des Krieges trug das Gebäude in den folgenden Jahren schweren Schaden davon. Es wurde angedacht, es abzureißen, zu vermieten oder aber in der Hoffnung auf Wiederaufnahme der Grabungen zu sanieren. Trotz vieler Diskussionen über seinen Zustand sollte der Schutzbau jedoch als das letzte sichtbare Zeugnis der Grabungen von 1912 und 1913 fast zwei Jahrzehnte überdauern, bis er 1933 durch ein Feuer zerstört wurde und abbrannte.

Literatur
F.M. Müller, Ein österreichisches Pompeji. Die ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen in der Römerstadt Aguntum in den Jahren 1912–1913 im Spannungsfeld von lokalpatriotischem Interesse, Laienforschung und öffentlichen archäologischen Institutionen (ungedruckte Habilitationsschrift Innsbruck 2017)
F. Glaser, Schutzbauten im Ostalpenraum, in: M. Müller, Th. Otten, U. Wulf-Rheidt (Hrsg.), Schutzbauten und Rekonstruktionen in der Archäologie. Von der Ausgrabung zur Präsentation (Mainz am Rhein 2011) 379–388


© Florian Martin Müller
e-mail: Florian.M.Mueller@uibk.ac.at

This article should be cited like this: F.M. Müller, „Der Neubau macht den Eindruck einer Molkerei oder eines Pferdestalles ...“ – Die ersten archäologischen Schutzbauten in Teurnia und Aguntum 1913, Forum Archaeologiae 86/III/2018 (http://farch.net).



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