Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 86 / III / 2018

DIE TOTEN VOM BÜRGLSTEIN
Neue Erkenntnisse durch DNA- und PMI-Bestimmung

Aus den insgesamt fünf Gräberfeldern des municipium Claudium Iuvavum sind bislang nur wenige Körperbestattungen bekannt. Die drei einzigen noch erhaltenen und heute im Besitz der Archäologischen Sammlung des Salzburg Museum befindlichen Skelette wurden 2017 in Kooperation mit dem Interfakultären Fachbereich für Gerichtsmedizin der Universität Salzburg für eine Radiocarbondatierung, eine PMI-Bestimmung und eine molekular-archäologische Untersuchung beprobt. Zusätzlich fanden im Jänner/Februar 2018 eine von Maria Marschler durchgeführte anthropologische Bestimmung sowie eine Röntgen- und CT-Untersuchung durch Mark Mc Coy statt. Ziel der Analysen war neben einer Abschätzung des postmortalen Intervalls eine Identifizierung des biologischen Geschlechtes, die Beschreibung möglicher verwandtschaftlicher Beziehungen, eine Abschätzung der ethnisch-geographischen Zugehörigkeit der Personen, Spuren von Lebensumständen und Krankheiten / Verletzungen sowie Hinweise zur Klärung der Provenienz der Skelette. Den Aufzeichnungen des Salzburg Museum nach sollte es sich um jene drei Inhumationen handeln, die 1892 von Alexander Petter in der Arenbergstraße – Teil des Gräberfeldes am Bürglstein – aufgedeckt worden waren. Grab 1 wurde aufgrund der spezifischen Zusammensetzung des Beigabeninventares in der späteren Literatur als ‚Arztgrab‘ angesprochen. Dazu zählten neben einem reduzierend gebrannten Topf und einer Glasflasche des Typs Isings 103 eine Reibpalette, eine Löffelsonde, eine Pyxis aus Bronzeblech, ein Messergriff und ein als Zungenspatel interpretiertes Objekt aus Bein. Die heute zum Teil verschollenen Objekte setzen das Grab in die Mitte des 4.Jhs. n.Chr. Eine Datierung in die erste Hälfte des 4.Jhs. darf auch für die Gräber 2–3 angenommen werden, die sich in unmittelbarer Nähe von Grab 1 befanden und aus denen unter anderem spätantiker Hals- und Armschmuck aus Gagatperlen geborgen wurden.


Umso überraschender zeigte sich das Resultat der Radiocarbondatierung, welches nur für eines der untersuchten Skelette, jenes aus Grab 1, eine spätantike Zeitstellung ergab. Darüber hinaus war der als ‚Arzt‘ postulierte Bestattete der Anthropologie nach weiblich. Für die zwei weiteren männlichen Individuen erbrachte die Radiocarbonanalyse eine Datierung in die Mitte des 1.Jhs. n.Chr. Dementsprechend musste auch der vermeintliche Fundort, das Gräberfeld am Bürglstein, vorerst als fälschlich konstatiert werden. Die weitere Quellenrecherche ergab jedoch, dass neben den drei bekannten Inhumationen der Grabung A. Petters bereits 1837 in besagtem Gräberfeld zwei "menschliche Gerippe" vom einstigen Grundbesitzer Wilhelm Balde aufgedeckt worden waren, von denen sich eines unterhalb einer mittelkaiserzeitlichen Brandbestattung befunden hatte. Das Salzburg Museum erwarb die gesamte Sammlung Baldes, zu der auch die zwei menschlichen Überreste zählten. Das besser erhaltene Exemplar wurde an mehreren Stellen mit roten Siegeln versehen. Sie sind heute noch am Schädel und einem Langknochen sichtbar und verifizieren die Provenienz der Individuen, welche nicht nur einen der seltenen Belege für frühkaiserzeitliche Körpergräber darstellen, sondern die bis dato ältesten römerzeitlichen Gräber aus Salzburg markieren.

Literatur
A. Petter, Ein Nachtrag zu dem römischen Grabfelde am Birglstein in Salzburg. Mitt. K.K. Central Comm. Hist. Denkmale N. F. 19, 1893, 170–173.
J. Schilling, Der Birgelstein und seine Alterthümer (Salzburg 1842).

© Jan Cemper-Kiesslich, Lisa Huber
e-mail: jan.kiesslich@sbg.ac.at, lisa.huber@sbg.ac.at

This article should be cited like this: J. Cemper-Kiesslich - L. Huber, Die Toten vom Bürglstein. Neue Erkenntnisse durch DNA- und PMI-Bestimmung, Forum Archaeologiae 86/III/2018 (http://farch.net).



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