Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

DAS EPHESISCHE THEATER UND SEINE UMGEBUNG ALS ORT DES DIONYSOS

Der Kult des Dionysos ist in Ephesos durch zahlreiche Inschriften und literarische Quellen belegt. Mangels eines konkret zu identifizierenden Kultbaus wurde – der Natur des Gottes folgend – ein Kultort mehrfach in den Bergen außerhalb der Stadt angenommen. Durch den Fund einer in situ-Inschrift in der Wohneinheit 6 im Hanghaus 2 konnte nunmehr der Versammlungsort eines privaten Dionysos Vereins lokalisiert werden. Dieser Befund bietet den Anlass, das Kultgeschehen zu Dionysos in Ephesos zu beleuchten. Das im Folgenden näher betrachtete Areal oberhalb des Theaters (Abb.) wurde durch die Untersuchungen von Christoph Baier zur Domus und ihrer Umgebung kürzlich um wesentliche neue Erkenntnisse bereichert.
Für einen Kultbetrieb des Dionysos kommen neben dem Theater selbst drei weitere Gebäude in Frage: Die Portikus in summa cavea, ein tempelartiger Bau, die Domus und ein Versammlungssaal; sie waren durch eine neu entdeckte ausgedehnte Verkehrsfläche miteinander verknüpft.

Das Theater bildete den Veranstaltungsort der Dionysien, deren Agonotheten seit dem 4./3.Jh. v.Chr. in Listen im Theater erfasst wurden. In der Cavea befindet sich über dem obersten Diazoma und einer Stützmauer ein weiterer breiter Umgang, eine Portikus in summa cavea. Von ihrer Säulenstellung ist wenig erhalten, ihre Rückwand war mit Marmor vertäfelt. Zahlreiche Fragmente mit Teilnehmerlisten verschiedener dionysischer Vereine aus hadrianischer Zeit wurden bereits im 19.Jh. im Theater gefunden. Daraus kann wohl geschlossen werden, dass die Portikus in summa cavea, die vom Theater aus nur eingeschränkt über zwei schmale Treppen erreicht werden konnte, als Treffpunkt und Versammlungsort für die Mitglieder diverser dionysischer Kultvereine genutzt wurde. Die Portikus war bemerkenswerterweise mit einer breiten Treppe mit dem oberhalb liegenden Areal verbunden.
Dort befindet sich südlich über dem Theater ein Sockelbau, der einen kleinen nach Westen orientierten Tempel getragen haben dürfte. Zwei ionische Kapitelle wurden bei der Freilegung 1899 gefunden. Da sie in das 5.Jh. v.Chr. bzw. in spätklassisch-frühhellenistische Zeit datiert werden, dürften sie als Spolien an dem hellenistischen Tempel verbaut worden sein. Der topographische und städtebauliche Kontext und die unmittelbare Nähe zum Theater prädestinieren den Bau für einen Dionysostempel.
Die Domus oberhalb des Theaters wurde im 2.Jh. v.Chr. im Typ eines Herrscherpalastes errichtet, die Architekturdekoration verbindet den Bau mit dem Pergamonaltar. Da die Attaliden ihren Herrschaftsanspruch durch eine Verbindung des Herrscherkultes mit dem Dionysoskult zu untermauern versuchten, stellt die Residenz eines Statthalters auch einen Ort der Dionysos Verehrung dar.
Des Weiteren liegt in dem Areal ein Vereinshaus oder Versammlungssaal, der zeitgleich mit einer Erweiterung der Domus in hadrianischer Zeit errichtet wurde. Er ist durch seine Bauform, seine Ausrichtung und seine Lage an der platzartigen Verkehrsfläche auf das Engste mit den umliegenden Bauten vernetzt.
Geophysikalische Prospektionen und Surveys ergaben eine westlich der Domus verlaufende breite Straße mit Säulenhallen, die sich nach Süden zu einer platzartigen Fläche erweitert und damit hervorragend für das Sammeln großer Personenmengen vor Festumzügen geeignet ist, die einen wesentlichen Bestandteil des Dionysoskults bilden.

© Hilke Thür
e-mail: Hilke.Thuer@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: H. Thür, Das ephesische Theater und seine Umgebung als Ort des Dionysos, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



HOME