Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

DAS GLAS EINER SPÄTANTIKEN / FRÜHBYZANTINISCHEN RESIDENZ IN EPHESOS (ZWISCHENBERICHT)

Zu dem aktuellen Forschungsschwerpunkt „Byzantinisches Ephesos” zählt die Ausgrabung einer Residenz südlich der Marienkirche. Im Jahr 2011 wurde mit der Freilegung des Wohnbaus im südwestlichen Viertel des Hauses begonnen, da hier auf Basis geophysikalischer Messungen Repräsentationsräume erwartet wurden. Der Komplex umfasst eine Fläche von ca. 1.500 m2 und wurde nach derzeitigem Kenntnisstand am Ende des 4. oder zu Beginn des 5.Jhs. n.Chr. im spätantiken Stadtzentrum von Ephesos errichtet. Im Laufe des 7.Jhs. erfolgte die Zerstörung des Baus durch einen Brand und es kam ab dem 8.Jh. zu einer Nachnutzung als Werkstattareal. Zurückgelassene Haushalts- und Alltagsgegenstände sowie Mobiliar ermöglichen einen hervorragenden Einblick in die materielle Kultur der byzantinischen Zeit. Die Bewohner der Stadtvilla gehörten der ephesischen Oberschicht an.

Im Rahmen eines Dissertationsprojekts werden die Glasfunde dieser Residenz nach funktionalen, technologischen und sozioökonomischen Gesichtspunkten untersucht. Die kontextuelle Auswertung ermöglicht eine Rekonstruktion der Verwendung von Glas im spätantik/frühbyzantinischen Alltag und im Wohnbau der adeligen Oberschicht. Die Verfügbarkeit von Glas und der Nutzungswandel vom Luxuserzeugnis zur Alltagsware sollen nachgezeichnet, sowie die Entwicklung von Glasformen und ihrer sich ändernden Funktion im Laufe der Zeit beleuchtet werden. Die Lichtverhältnisse und Beleuchtungsbedingungen werden analysiert und in diesem Zusammenhang die funktionalen und repräsentativen Aspekte in der Verwendung von Fensterglas. Analysen zur chemischen Zusammensetzung der Gläser sind ebenso vorgesehen und lassen Erkenntnisse zur Herstellungstechnologie sowie zur Herkunft und zum wirtschaftlichen Wert der Objekte erwarten.
Die Untersuchungsgrundlage bildet Bauglas (Fensterglas) und Gefäßglas (Tafelgeschirr, Aufbewahrungsbehälter, Beleuchtungskörper) (Abb.). Der Vortrag gibt einen Überblick über das Fundmaterial. Es stammt aus stratifizierten Kontexten und wurde keiner Selektion unterzogen (Materialbasis: ca. 2.000 Artefaktindividuen). Das Formenspektrum umfasst Trinkgeschirr (Becher, Stängelgläser), Schalen, Ausschankgefäße (Flaschen, Krüge), Teller und Unguentaria. Funde von Glasbrocken, Schmelzabfälle, Schlackenreste und Pfeifenabschläge weisen auf eine glasverarbeitende Werkstätte in späterer Zeit (Nachnutzungsphase).

© Luise Schintlmeister
e-mail: l.schintl@gmx.at

This article should be cited like this: L. Schintlmeister, Das Glas einer spätantiken / frühbyzantinischen Residenz in Ephesos (Zwischenbericht), Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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