In den Jahren 1894 und 1898 wurden von Samuel Jenny im Nordosten der römischen Siedlung von Bregenz auf dem Ölrainplateau vier kleinere Bauten freigelegt, deren Funktion bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte. Sie liegen nördlich der römerzeitlichen Hauptstraße, die auch die Fernstraße nach Cambodunum/Kempten und Augusta Vindelicum/Augsburg darstellt, bereits außerhalb des Wohngebiets am Übergang zum östlich angrenzenden Gräberfeld. Die Ergebnisse der Ausgrabungen wurden zwar in den Mittheilungen der K.K. Central-Commission publiziert, jedoch nie ganzheitlich wissenschaftlich aufgearbeitet. Der Ausgräber selbst verglich diese Bauten mit den monumentalen Grabbauten von Pompeji und dachte an die Anlage einer Gräberstraße. Seit den 1980er Jahren werden sie jedoch als gallo-römische Umgangstempel bezeichnet, mitunter aufgrund der Auffindung einer Inschrift mit einer DIS DEABVSQ(VE) (CIL III 13542) Weihung im Versturzmaterial einer der Bauten. Das restliche Fundmaterial scheint eher spärlich auszufallen und liefert vorerst keine eindeutigen Indizien die konkret auf einen der beiden Deutungsansätze hinweisen. Ein erster Versuch zur Lösung des Interpretationsproblems besteht darin sowohl die einzelnen Elemente der Bregenzer Bauten mit denen bekannter gallo-römischer Heiligtümer sowie römischer Grabbauten zu vergleichen, als auch die Gesamtanlage an sich mit komplexeren Tempelbezirken und Gräberstraßen. Der Schwerpunkt wird hierbei auf regional und zeitlich nahe liegende Anlagen gelegt. Auch wenn auf den ersten Blick die fehlende Frontalität und die Umfassungsmauer der Anlage eher in Richtung Heiligtum weisen, lassen sich anhand der allgemeinen Siedlungsentwicklung von Brigantium/Bregenz auch plausible Erklärungen dafür in Hinblick auf eine Gräberstraße finden.

© Julia Rabitsch
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This article should be cited like this: J. Rabitsch, Gräberstraße oder Gallo-römischer Tempelbezirk? Zu den Grabungen Samuel Jennys im 19.Jh. am nordöstlichen Siedlungsrand von Brigantium/Bregenz, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).