Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

WO SIND DENN NUR DIE KASTELLE VON LENTIA? – NEUE FORSCHUNGEN ZU RÖMISCHEN MILITÄRANLAGEN IN LINZ

Die Präsenz römischen Militärs in Lentia ist aufgrund schriftlicher Überlieferungen sowie zahlreicher Funde militärischen Charakters unumstritten. Die genaue Lage eines Kastells ist jedoch unbekannt und die Suche danach gestaltet sich im dicht bebauten Stadtgebiet schwierig. Rekonstruktionsversuche eines mehrphasigen Lagers im Bereich des heutigen Linzer Landestheaters wurden in den letzten Jahrzehnten in Zweifel gezogen. Allein die strategisch ungünstige Lage unmittelbar am Fuße des Schlossberges spricht gegen ein Kastell in diesem Bereich. Zu Beginn dieses Jahrtausends konnte zumindest für die mittlere Kaiserzeit ein Lager im Bereich der Spittelwiese postuliert werden. Ein Nachweis für das Vorhandensein eines Kastells an dieser Stelle gelang erst Anfang 2016 durch die Entdeckung von Resten der Kastellmauer und des Lagergrabens.


Für einen Militärstützpunkt der frühen Kaiserzeit und ein Militärlager der Spätantike konnten durch archäologische Rettungsgrabungen in den letzten Jahren neue Anhaltspunkte gewonnen werden. Befunde und Funde aus den Grabungen im Bereich des Linzer Schlosses zeigen deutlich, dass nicht nur das benachbarte Martinsfeld, wo sich Siedlungsreste ab dem 1. Jahrhundert v.Chr. fanden, sondern auch der Schlossberg in spätkeltischer und frührömischer Zeit genutzt worden war. Es ist durchaus denkbar, dass bereits zu dieser Zeit auf dem Schlossberg eine militärische Anlage bestanden haben mag, um diese sich im Schutz der römischen Truppen auch Zivilisten niedergelassen hatten. Für die Spätantike bezeugen ein mächtiger Graben (Abb.) sowie ein Garnisonsfriedhof militärische Präsenz auf dem Schlossberg. Ob zu dieser Zeit ein Kastell in klassischem Sinn oder eine befestigte Siedlung errichtet wurde, muss einstweilen noch unbeantwortet bleiben. Es liegt aber nahe, dass Lentia in jene für die Spätantike charakteristische Kastellkette am Donaulimes eingereiht werden kann, die in valentinianischer Zeit im Zuge der letzten großen Grenzerneuerung angelegt worden ist.
Im Beitrag zum Archäologentag sollen Argumente gebracht werden, die auf einer Auswertung des Fundmaterials und der Grabungsergebnisse beruhen und die für bzw. gegen die verschiedenen in der Forschung diskutierten Lagemöglichkeiten eines Kastells in Linz sprechen. Hauptaugenmerk wird dabei auf die Grabungen auf dem Linzer Schlossberg gelegt, wo sich die Hinweise für eine spätantike Anlage mehren.

© René Ployer
e-mail: rene.ployer@bda.gv.at

This article should be cited like this: R. Ployer, Wo sind denn nur die Kastelle von Lentia? – Neue Forschungen zu römischen Militäranlagen in Linz, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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