Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

DER ATHLET VON EPHESOS
Alte Forschungen und neue Perspektiven

Schon in den ersten Monaten der Österreichischen Grabungen in Ephesos konnte 1896 einer der bedeutendsten Skulpturenfunde verzeichnet werden. In der Palästra des Hafengymnasiums wurde eine in über 200 Fragmente zerbrochene, überlebensgroße Bronzeskulptur eines Athleten entdeckt. Als Geschenk des Sultans nach Wien gelangt, wurde in einer für die Zeit richtungsweisenden Restaurierung die Skulptur wieder hergestellt und bereits 1901 in einer Ausstellung gezeigt. Heute ist sie eines der Hauptwerke des Ephesos Museums im Kunsthistorischen Museum Wien.
Otto Benndorf hatte vor allem aufgrund der gut erhaltenen Kopf-Schulterpartie den Typus der Statue als den des Athleten in den Uffizien in Florenz identifiziert. Die richtige Armhaltung beim Reinigen der Strigilis, die schon wenig später dank einer Statuette aus Frascati bekannt war, konnte erst Jahrzehnte später korrigiert werden.
1996 wurde vor der kroatischen Insel Lošinj eine Statue desselben Typs entdeckt. Erstmals nebeneinander zu sehen waren die beiden Skulpturen im Sommer 2015 im Getty Museum in Los Angeles in der Ausstellung „Power and Pathos“. Zur Bewertung der Leihfähigkeit sind zuvor intensive Studien angestellt worden, die insbesondere auf die Überprüfung der bereits über 100 Jahre alten Restaurierung abzielten. Die Oberfläche der Originalsubstanz wurde dabei ebenso analysiert wie das zur Wiederherstellung eingesetzte Material, insbesondere die gehämmerten Eisenstangen, die gewissermaßen das Skelett der Statue darstellen, sowie der stabilisierende Füllmörtel, über dessen Zusammensetzung bislang wenig bekannt war.
In weiterer Folge lag der Schwerpunkt der Arbeiten in Kooperation mit dem Getty Museum in der Entwicklung einer Transportverpackung. Millimetergenaue Passformen, die aus einem 3D-scan generiert worden sind, stützen in einem Aluminiumkäfig montiert die Statue. Schockabsorber sorgen zudem für einen fast völlig erschütterungsfreien Transport der Skulptur.
Nicht zuletzt die Möglichkeit, die beiden Statuen nun unmittelbar nebeneinander sehen zu können, hat alte und neue Fragen aufgeworfen. In der Suche nach einem griechischen Original treten markante Unterschiede in Körperhaltung und Proportionen der beiden Statuen klar vor Augen. Gemeinsam ist beiden Skulpturen die für die römische Kaiserzeit gebräuchliche Technik der Aufstellung, die keinen massiven Bleiverguss in einem Sockel vorsieht sondern eine Fixierung auf einer bronzenen Basis/Plinthe. Somit kann bestätigt werden, dass der im Hafengymnasium gefundene flache Marmorsockel der Aufstellungsort der ephesischen Statue gewesen sein muss.
Das Nebeneinander der beiden Statuen war Anlass, eine erneute Bearbeitung des Typus Florenz-Ephesos-Lošinj in Angriff zu nehmen. In Kooperation mit dem Kroatischen Institut für Konservierung, dem Getty Museum und dem C2RMF in Paris ist eine Publikation geplant, die eine kunsthistorische Auswertung des Statuentyps, naturwissenschaftliche Analysen und Fragen nach Kontext und Hermeneutik beinhalten wird.

© Georg A. Plattner
e-mail: georg.plattner@khm.at

This article should be cited like this: G. A. Plattner, Der Athlet von Ephesos. Alte Forschungen und neue Perspektiven, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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