Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016

DER PARTHENONFRIES ALS REPRÄSENTATION DER TEMPELWEIHENDEN

Bei den verschiedenen Bildtypen der griechischen Kunst scheint die Bildkomposition des Parthenonfrieses den der Reliefweihungen besonders zu ähneln. Der Fries bildet als Ganzes eine Gegenüberstellung der Götter und der herankommenden Prozession der Adoranten ab. Sowohl kompositorisch als auch thematisch gehört der Fries zur Kategorie der Adorationsreliefs. Dieser Vortrag schlägt eine Interpretationsmöglichkeit vor, dass der Entwurf des Parthenonfrieses – wie der des Adorationsreliefs – die Repräsentation der athenischen Bürger und ihrer Familien als Nutznießer des göttlichen Schutzes beabsichtigt hat. Die Protektion durch die Stadtgöttin wurde ihnen als eine gegenseitige Belohnung für die Weihung des Parthenontempels geschenkt.

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Die Gewohnheit der Darbringung des Adorationsreliefs begann in Athen am Ende des sechsten Jahrhunderts v. Chr., und die typische Komposition dieses Reliefs zeigte die folgenden Merkmale: 1. die Götter und die Verehrer (Familien, Verwandtschaften, Beamten usw.) stehen oder sitzen gegenüber; 2. die zwei Figuren, die eines Dieners, kanephoros, mit einem Opfertier an der Spitze der Prozession und die einer Dienerin, kistephoros, als Letzte, rahmten die Verehrer ein, so dass eine klare Definition in Anzahl, Geschlecht und Alter der Verehrer gezeigt wurde; 3. die Verehrer wurden kleiner dargestellt als die Götter, und der Diener und die Dienerin noch kleiner.
Die Beischriften war generell kurz, und die typische Formel, „X weiht Y (einer Gottheit)“ hat oft nur die Namen der Weihenden und der Gottheiten genannt. Das Relief hat so als visuelle Darstellung der Nutznießer fungiert, die in der Inskription nicht alle immer erwähnt wurden. Die primäre Absicht des Entwurfs vom Relief muss also in der Spezifikation der Weihenden und der Nutznießer des göttlichen Schutzes gelegen haben, vor allem wenn diese Beteiligten zahlreich und dadurch schwierig zu bestimmen waren.
Eine gleiche religiöse Mentalität sollte bei der Interpretation des Parthenonfrieses angenommen werden. Es scheint, dass der Entwurf des Frieses weder eine malerische noch eine „generelle“ Repräsentation der festlichen Prozession beabsichtigt hat, wie oft in den vorausgehenden Überlegungen angenommen wurde. Er scheint aber die richtigen Nutznießer des göttlichen Schutzes, in diesem Fall für den Bau des Parthenontempels, dargestellt zu haben.

© Toshihiro Osada
e-mail: toshihiro.osada@gmail.com

This article should be cited like this: T. Osada, Der Parthenonfries als Repräsentation der Tempelweihenden, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).



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