| Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 78 / III / 2016 |
Das Relief eines Grabbaus des 2.Jhs. am Donaulimes in Tulln (Abb.) gibt eine Tigerjagd wieder. Dieses Motiv ist auch von anderen römischen Monumenten bekannt. Das Tullner Relief, das bisher noch nicht in Zusammenhang mit anderen Darstellungen dieses Bildthemas besprochen worden ist, zeigt jedoch als einziges – sieht man von einem nur in Zeichnungen Bartolis möglicherweise ungenau überlieferten, da leicht abgewandelten Wandgemälde im Nasoniergrab in Rom ab – zwei verschiedene Reiter mit Tigerjungen: Der eine streckt der ihn verfolgenden Tigerin ein Junges entgegen, der andere flüchtet mit einem Tigerbaby im Arm auf ein Boot, das auf dem unvollständig erhaltenen Tullner Relief jedoch fehlt.
Beide Figuren kommen einzeln auch auf anderen Monumenten vor, insbesondere auf stadtrömischen Sarkophagen, aber auch auf Mosaikfußböden in domus und einer christlichen Basilika. Vor allem der sich auf ein Boot flüchtende Reiter ist auch in Tigerjagdszenen belegt, in denen die Jäger die sie wütend verfolgende Tigerin mithilfe einer Glaskugel ablenken. Beide Jagdmethoden sind auch literarisch ausführlich überliefert. Dabei diente die Jagd mit der Glaskugel bei spätantiken Autoren sowohl im christlichen als auch im mythologischen Kontext als Gleichnis für bedingungslose Mutterliebe. Anschließen lässt sich daran – wie bisher noch nicht erkannt wurde – eine Serie von Jagdsarkophagen des 4.Jhs., die eine doppelte Löwenjagd zeigen. Darauf ist neben dem Löwen eine Löwin dargestellt, die wutentbrannt ihre mit einer Glaskugel spielenden Jungen schützt.
Mithilfe des Tullner Reliefs lässt sich zunächst die zugrunde liegende Bildkomposition vollständig rekonstruieren. Anschließend soll anhand der antiken Literatur der Frage nach der Deutung dieser Jagddarstellungen in den verschiedenen Kontexten nachgegangen werden.
© Katharina Meinecke
e-mail: katharina.meinecke@univie.ac.at
This article should be cited like this: K. Meinecke, Tigerjagd in Tulln. Zu einer Jagdszene im Sepulkralbereich, Forum Archaeologiae 78/III/2016 (http://farch.net).
